Essen. Stand-up-Comedian Maxi Gstettenbauer macht sich in seinem fünften Solo-Programm eine „Gute Zeit“ – trotz Depressionen und Panikattacken.

Im vergangenen Jahr machte Maxi Gstettenbauer (34) öffentlich, dass er unter Depressionen und Panikattacken leidet, veröffentlichte ein Buch unter dem Titel „Meine Depression ist deine Depression“. Dass ihn seine Krankheit nicht von der Bühne fernhält, beweist der Stand-up-Comedian mit seinem fünften Programm „Gute Zeit“. Mit Maxi Strauch sprach der Wahl-Kölner aus Bayern unter anderem über erhobene Zeigefinger in der Comedy-Branche und darüber, wie es ist, ständig auf seinen Gesundheitszustand angesprochen zu werden.

Sie wollen sich also eine „Gute Zeit“ machen auf der Bühne? Was steckt denn dahinter?

Maxi Gstettenbauer: Ich stelle seit Corona einen Mangel an guter Zeit fest. Ich habe gerade mein letztes Programm „Next Level“ für den WDR aufgezeichnet und da waren sehr viele politische Sachen drin, weil mich das bewegt hat. Und „Gute Zeit“ soll auch für mich die Pause vom Alltag sein, in der man einfach nur lachen kann. Man kommt zu der Show und hat eine gute Zeit.

Und was ist für Sie privat eine gute Zeit?

Das definiert sich tatsächlich immer wieder neu. Zum Beispiel habe ich jetzt so ein Hometrainer-Bike im Keller. Das war bei den ersten Trainingseinheiten eine beschissene Zeit, aber jetzt wandelt sich das langsam zur guten Zeit. Ich kann jetzt gerade nicht mehr ohne. Das heißt, die gute Zeit kommt oft, wenn man die nervige aushält.

In Ihrer Ankündigung heißt es, die „drei großen K’s“ spielen eine Rolle: Kriege, Krankheiten und Klimawandel. Klingt nicht sehr komisch. Wie passt das denn zusammen?

Völlige Hilflosigkeit. Ich finde, wenn der Mensch versucht, Kontrolle über solche Jahrhundertthemen wie Kriege oder Klimawandel zu bekommen, das hat manchmal schon komische Auszüge. Und ich glaube wirklich, dass ganz viel, was wir machen, eigentlich nur ein Versuch ist, dieses riesige Thema für uns zu verarbeiten. Ich habe in meinem Buch „Meine Depression ist deine Depression“ geschrieben, dass Comedians eigentlich Menschen sind, die gegen den Wahnsinn der Welt anlachen.

Der letzte Ausweg der Menschheit ist also Humor?

Ich weiß nicht, was da in Zukunft auf uns zukommt. Ich finde es auch ganz lustig, dass von uns Comedians, Kabarettisten und Satirikern so viel erwartet wird. Humor soll Medizin sein. Humor ist gerade die Geheimwaffe für alles und ich finde das ist einfach eine hoffnungslose Überschätzung.

Tatsächlich?

Humor kann in dem Moment gute Laune machen, neue Perspektive eröffnen, aber wirklich Lösungen? Ich habe den Eindruck, das würde uns echt guttun, wenn wir den Humor Humor sein lassen und ihn nicht mit allzu viel Erwartung aufladen, das kann er schlicht und ergreifen nicht leisten.

Jetzt bleibt es leider nicht nur bei den drei großen K’s in der Welt. Krisen und Katastrophen prasseln immer wieder auf uns ein. Müssen Sie Ihr Programm ständig anpassen?

Es kommt immer darauf an, was mich bewegt. Ich habe im letzten Programm sehr viel über den Klimawandel gesprochen. Jetzt versuche ich, das, was mich in irgendeiner Form bewegt, auch im Programm unterzukriegen.

Und das wäre?

Ich war neulich im Kino und da lief der Trailer vom neuen Arielle-Film. Viele Menschen finden es ja außergewöhnlich, dass Arielle von einer schwarzen Schauspielerin gespielt wird, Halle Bailey. Da sagt ein Mann hinter mir: „Die ist schwarz, das ist unrealistisch.“ Ich persönlich fand die Schwanzflosse unrealistisch … Das ist ganz klar internalisierter Rassismus. Ich versuche diese Sachen nicht mit erhobenem Zeigefinger zu sagen. Ich versuche, das zu umschreiben und auch zu übertreiben bis zu einer absoluten Kenntlichkeit, aber ich würde niemals sagen, wie man darüber zu denken hat. Ich finde, der erhobene Zeigefinger sollte öfters mal in der Hosentasche bleiben.

Sie machten im vergangenen Jahr öffentlich, dass sie unter Depression und Panikattacken leiden. Wie geht es Ihnen momentan?

Gut, wirklich gut. Ein Symptom von Panikattacken ist, dass man oft nicht mehr rausgeht. Ich hatte eine Phase, wo ich nicht mehr rausging, weil ich Angst hatte, dass ich im Auto oder in der Bahn eine Attacke habe. Und da muss man sagen: Ne, ich lauf da nicht weg, sondern ich gehe da durch. Ich konfrontiere das und dann kann ich wieder entspannt Bahn fahren. Ich habe im vergangenen Jahr einen Panikattacken-Rückblick gemacht und gemerkt: Hey, da habe ich nur zwei gehabt und das ist für mich wirklich ein Rekord.

Sie hatten nach eigenen Angaben auch oft Panik, auf die Bühne zu gehen. Wie haben Sie sich motiviert, trotzdem weiterzumachen?

Ich habe das nicht als ein Problem gesehen für mich. Ich dachte mir, das ist einfach so super stressig. Das gehört dazu, dass dein Puls auf 170 hochgeht, dass man kurzatmig ist und sich an den Auftritt nicht mehr erinnern kann. Aber der Kern ist, dass das nichts mit dem Beruf zu tun hat. Wäre ich jetzt Bäcker geworden, könnte ich in der Bäckerei die gleichen Symptome haben wie vor einem Auftritt. Es liegt an der Krankheit selber, die jederzeit ausbrechen kann.

Torsten Sträter, der selbst offen mit seiner Depression umgeht, hat sie im vergangenen Jahr sozusagen geoutet. Waren Sie ihm böse?

Wir haben natürlich vorher darüber gesprochen und ich habe „Ja“ gesagt. Aber als er mich dann in der Sendung darauf angesprochen hat, hatte sich meine Gefühlslage doch geändert. Es war schon komisch. Dann habe ich noch mal eine Zeit lang darüber nachgedacht, ich hätte es ja auch einfach rausschneiden lassen können.

Haben Sie aber nicht …

Ich habe mir den Schnitt angeguckt und auch gesehen, was es bei Betroffenen macht. Wie vielen Menschen Mut zugesprochen wird, wie vielen es hilft. Dann musste man sich klar werden: Ich gehe damit jetzt so raus und dann muss ich auch mit jeglichem Feedback klarkommen. Also wenn jemand das toll findet, freut mich das. Wenn jemand sagt: „Oh, der verkauft sich nur mit seiner Depression“, dann kann ich da auch nichts machen.

Über Sie, Sträter und Kurt Krömer wurde viel berichtet. Dabei gibt es auch Kolleginnen, die schon vor einiger Zeit mit ihrer Erkrankung an die Öffentlichkeit gegangen sind, zum Beispiel Helene Bockhorst. Da war ein mediales Echo kaum bis gar nicht vorhanden. Woran liegt das?

Ich würde sagen, dass uns dreien ein wirklich seltsames Privileg zu Teil wird. Wir sind alle drei auf der Bühne erstmal alpha, wir sind laut und sehen souverän aus. Und wenn vor allem ein Mann sagt, er hat Depressionen, dann kommen wir in das alte Rollenklischee: „Oh, Männer haben Gefühle, ist ja der Wahnsinn!“ Da ist so ein Bruch drin. Und wenn ich mich so umgucke, ist die Realität: Eine Frau kann einfach exakt das gleiche machen und das gleiche sehen – und es wird einfach nicht den gleichen Anklang finden.

Ihr Buch war ja auch nicht das erste, dass sich mit Depressionen beschäftigt hat.

Als Kurt Krömer sein Buch veröffentlicht hat, war ich gerade im Schreibprozess. Und ich dachte mir, toll, jetzt denken alle, dass ich nur auf den Zug mit aufspringe. Aber das war einfach die Gegebenheit. Wenn jetzt einer sagt: „Jetzt reden auf einmal alle über Depressionen“, ist meine Antwort: „Nein, jetzt hörst du zum ersten Mal zu. Jetzt hast du vielleicht zum ersten Mal Protagonisten, mit denen du was anfangen kannst.“ Und ich kann nur darauf hinweisen, dass wirklich auch schon viele Frauen tolle Bücher über das Thema geschrieben haben.

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Wie auch hier, werden Sie in sämtlichen Interviews auf Ihre Depression angesprochen. Stört Sie das mittlerweile?

Ich werde nicht mehr aktiv über das Thema reden. Aber man kann nicht so ein Buch schreiben und sagen, man möchte gerne Aufklärung betreiben und Toleranz für diese Krankheit schaffen, und sich dann genervt fühlen, wenn man darauf angesprochen wird. Natürlich habe ich in den letzten Wochen den Gedanken gehabt, jetzt ist’s mal gut. Aber das ist einfach das Los. Ich bin in der Öffentlichkeit mit diesem Thema und ich stehe zur Verfügung für Menschen, die Hilfe brauchen.

Dann noch ein schneller Themenwechsel: Sie sind Moderator, Stand-up-Comedian, Autor, waren auch schon schauspielerisch schon tätig. Wie sieht Ihre Zukunft aus, welche Ziele verfolgen sie noch?

Ich glaube nicht an verwirklichte Ziele. Mein Lebensweg ist alles andere als gerade. Es gab da immer eine glückliche Fügung, die mich in eine gewisse Richtung gebracht hat. Und wenn ich jetzt irgendwelche Ziele gehabt hätte … Ich weiß nicht, ob ich jemals geheiratet hätte oder ob ich jemals Vater geworden wäre. Ich finde es gerade echt gut und schön, wie es ist. Und wenn es in fünf Jahren immer noch gut und schön ist, dann reicht mir das ehrlich gesagt.

>>> Info: Maxi Gstettenbauer – Gute Zeit: unter anderem 12.2. Dortmund (ausverkauft), 22.2. Bochum (ausverkauft), 23.2. Borken (Stadthalle), 24.2. Wuppertal (die börse), 29.3. Düsseldorf (Savoy Theater), 30.3. Essen (Zeche Carl), 28.+29.4. Köln (Gloria-Theater). Tickets ab ca. 32 €.