Essen. An der Uni in Essen studierte Sandra da Vina auch die Arbeit des bekannten Revier-Autors – inzwischen schreibt sie selbst Bücher.

Um Germanistik zu studieren, kam die 1989 in Münster geborene Sandra da Vina nach Essen. Dort schrieb sie u. a. eine Seminararbeit über Frank Goosen – und bald auch eigene Prosa für die Poetry-Slam-Bühne sowie Bücher wie „Hundert Meter Luftpolsterfolie“. Aktuell wäre sie gerne mit ihrem Bühnen-Solo „da Vina takes it all“ unterwegs, coronabedingt weicht aber auch Sandra da Vina aufs Internet aus. Stefan Moutty verriet sie im Interview u. a., was sie dort so alles macht – und warum der spezielle Duft eines Industriegebiets für sie als Kind nach Urlaub roch.

Was vermissen Sie für Ihre Arbeit als Autorin, Comedian und Poetry-Slammerin derzeit am meisten? Ist es nur das Publikum oder gibt es noch mehr?

Sandra da Vina: Natürlich vermisse ich am meisten das Publikum. Diese besondere Stimmung beim Auftritt, die Anspannung, das gemeinsame Lachen, die Gespräche am Büchertisch. Ich vermisse aber auch alle Kolleginnen und Kollegen, den Austausch und das Miteinander. Wenn man nach einer Show noch zusammensitzt oder sich zufällig im Zug trifft. Das fehlt mir sehr.

Im Livestream sein Programm zu präsentieren, ist für Livekünstler schwierig. Gibt es Tricks, wie Sie das fehlende Livegefühl kompensieren?

Was mir hilft, ist, sich das Publikum draußen vorzustellen. Mit dem Wissen, dass wir alle gerade viel Zuhause sitzen und froh sind über jedes bisschen Abwechslung. Da kommt wieder so ein bisschen Gemeinschaftsgefühl auf. Wir sitzen ja alle im selben Boot. Also das Streaming als Chance begreifen, auch wenn es schwerfällt, weil es natürlich nicht das richtige Live-Gefühl ersetzen kann.

Sie sind in Niedersachsen aufgewachsen, zum Studium nach Essen gekommen – und geblieben. Haben Sie Klischees übers Ruhrgebiet bestätigt gefunden?

Ich bin in Münster geboren, habe meine Kindheit in Niedersachsen verbracht, meine Jugend im Rheinland und mein Studium in Ruhrgebiet. Meine Familie kommt aber ursprünglich aus Hagen, also war ich mit dem Pott immer familiär verbunden. Ich habe diese Klischees nie so wahrgenommen, weil es für mich vollkommen normal war, in den Sommerferien bei meinen Großeltern im Schrebergarten zu sein. Als wir damals die A1 Richtung Hagen genommen haben, hat es immer schon vor der Ausfahrt nach Industriegebiet gerochen. Das war für mich der Geruch von Urlaub.

Was schätzen Sie am Ruhrgebiet besonders?

Die Menschen. Das ist vielleicht das große Klischee, was sich für mich bestätigt findet. Die Menschen sind wirklich besonders direkt und offen. Manchmal ein bisschen grummelig, aber immer auf eine herzliche Art. Man nimmt sich hier nicht zu wichtig. Und im Moment, nachwuchsbedingt: die Spielplätze.

Wer im Comedy-Bereich aktiv ist, den zieht es oft nach Köln. Sie sind in Essen geblieben. Was hat Sie hier gehalten?

Ich wollte eine Zeit lang auch dringend nach Köln ziehen und beim Radio arbeiten. Das ist aber jetzt schon einige Jahre her. Dann habe ich weiter studiert und mir hier mein Leben aufgebaut. Ich lebe gerne in Essen. Und ich habe noch nie darüber nachgedacht, ob es besser wäre, in Köln zu leben. Da wohnen ja auch schon genug Leute. Ich glaube nicht, dass man mich da braucht.

Sie wären jetzt eigentlich mit Ihrem Solo-Programm „Da Vina takes it all“ unterwegs. Darin beantworten Sie eine Menge Fragen, u. a. die: Wovor hatten Dinosaurier Angst? Wovor denn?

Erwischt. Ich rede in meinem Programm leider gar nicht über Dinosaurier. Der Pressetext musste raus, bevor ich mit dem Schreiben fertig war und unterwegs zur Premiere sind mir die Dinos verloren gegangen. Das ist ja in der Erdgeschichte nichts Neues und es tut mir wirklich leid. Aber plötzlich waren andere Themen drängender.

Sie machen beim Lesezirkel des Literaturbüros Ruhr mit. Worum geht’s da genau?

Der Lesezirkel Literaturgebiet ist ein Projekt des Literaturgebiets Ruhr. Coronabedingt findet bisher alles digital statt. Da lese ich zusammen mit allen, die Lust haben mitzumachen, ein Buch pro Monat und wir sprechen dann darüber. Am Ende des Monats gibt es eine Abschlussdiskussion als Livestream auf Instagram. Das macht unglaublich viel Spaß. Bücher lesen und darüber sprechen – das ist der beste Job der Welt.

Welches Buch lesen Sie denn beim Lesezirkel gerade – und ist es gut?

Wir lesen im Moment Zoe Becks „Paradise City“, ein Krimi mit einer spannenden Zukunftsvision von Deutschland. Ich bin gerade bei der Hälfte und kann es kaum aus der Hand legen. Wie es mir gefallen hat und was alle Mitlesenden zu dem Buch sagen, erfahren Sie dann bei Instagram.

Was ist eigentlich Ihr Lieblingsbuch?

Eines? Tausende. Das ändert sich ständig. Das letzte Buch, das ich sehr gerne – und auch gerade erst – gelesen habe, ist von Ella Carina Werner: „Der Untergang des Abendkleides“.

Sie haben als Studentin mal eine Hausarbeit über Frank Goosen geschrieben. Worum ging’s denn da?

Oh, ja. Das ist im Nachhinein ganz verrückt, weil wir inzwischen schon öfter die Bühne miteinander geteilt haben. Davon war damals gar nicht zu träumen. Ich habe über Autorschaft und Regionalität geschrieben und dafür hauptsächlich Artikel der WAZ ausgewertet.

Und welche Note haben Sie bekommen?

Die Note war erschreckend gut. Eins Komma irgendwas.

Welches Buch von Frank Goosen mögen Sie am liebsten?

„Liegen lernen“. Das war auch das erste Buch, das ich von Frank Goosen gelesen habe. Und das war magisch. Ich war selbst jugendlich und konnte die Geschichte von Helmut total fühlen, obwohl ich die 80er überhaupt nicht miterlebt habe. Aber das weckt so eine nostalgische Sehnsucht in einem. Goosen ist natürlich auch ein Vorbild, ein toller Autor und ein prima Mensch.

Habe Sie jetzt eigentlich die Corona-Zeit genutzt, um an Ihrem großen Roman-Meisterwerk zu schreiben?

Ich schreibe gerade an einigen Projekten, die mir wirklich Spaß machen. Ich bin gespannt, wie sich die Sache entwickelt, aber ich muss davon ausgehen, dass es super wird. Was auch immer genau dabei rauskommt. Ich gebe Bescheid, wenn ich mehr weiß.

Sandra da Vina live:

Sandra da Vina moderiert im Stream den FZW Poetry Slam (twitch.tv/wortlautruhr; nächste Ausgabe: 5.5., 20 Uhr) und den Poesieschlacht-Stream aus dem Zakk Düsseldorf (16.5., 20 Uhr, Info: www.zakk.de).
Mit dabei ist sie auch beim Lesezirkel des Literaturbüros Ruhr. Monatlich wird gemeinsam ein Buch gelesen und bei Instagram kommentiert: www.instagram.com/lesezirkel_literaturgebiet.
Infos: www.sandradavina.de.