Duisburg. Von wegen Schlager: Ralph Siegel kann auch Protest- und Rocksongs - zu hören in „’N bisschen Frieden“. In den USA hatte er sogar einen Countryhit.

Man kennt ihn als „Mr. ESC“ und Hitschlager-Komponisten, aber Ralph Siegel kann auch Musicals. nach seinem Erfolg mit dem Stück „Zeppelin“ feiert am 20. Oktober sein neues Stück „’N bisschen Frieden“ Premiere in Duisburg – eine deutsche Ost-West-Geschichte, die mit einer Flucht aus der DDR beginnt und 30 Jahre später ein spannendes Finale findet. Stefan Moutty sprach mit Siegel, der vergangene Woche 77 wurde, über sein neues Werk.

Herzlichen Glückwunsch nachträglich, Herr Siegel. Wie haben Sie Ihren Geburtstag gefeiert?

Ralph Siegel: Wir haben in einer kleinen Gruppe gefeiert, mit all den Künstlern, die jetzt schon zu den Proben nach Duisburg gefahren sind. Ich bin noch in meinem Studio, um ein paar Änderungen an den Playbacks und Live-Arrangements vorzunehmen. Wir haben mit 30 Leuten gefeiert, fast alle aus dem Musical.

„’N bisschen Frieden“ wird Ihre zweite Musical-Premiere in zwei Jahren. Haben Sie nach „Zeppelin“ Blut geleckt?

Ich schreibe Musicals ja schon seit 40 Jahren. Als kleiner Junge war ich mit meinem Vater in New York auf dem Broadway, da habe ich Barbara Streisand in „Funny Girl“ gesehen, Sammy Davis Junior in „Golden Boy“ oder „Hello Dolly“ mit Carol Channing. Damals hab ich zu meinem Papi gesagt, eines Tages will ich da oben auch meinen Namen sehen – das war immer mein Traum. Wir haben zum Beispiel versucht, unser Musical „Clown Town“ in den USA unterzubringen, sechs so genannte Readings in New York und Los Angeles aufgeführt, aber es hat leider nicht geklappt. Es ist einfach sehr schwer Musicals auf die Bühne zu bringen, weil es in den USA sehr teuer ist und in Deutschland in den meisten Fällen amerikanische oder andere bereits erfolgreiche Musicals produziert werden.

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Mit „Zeppelin“ hat es im letzten Jahr aber geklappt.

Ja, ich habe es geschafft im Festspielhaus in Füssen einen großen Erfolg feiern zu dürfen. Auch wenn der Ticketverkauf in pandemischen Zeiten leider Gottes nicht so toll war. Aber die Leute, die da waren, haben den Darstellen und mir zehn Minuten lange Standing Ovations gespendet, die ließen mich gar nicht mehr von der Bühne.

„Wer weiß, was in zwei Jahren ist.“

Wie kam es dazu, dass „‘N bisschen Frieden“ nun in Duisburg Premiere feiert?

Wolfgang DeMarco, der Leiter des Theaters am Marientor, fragte mich, ob wir mit Zeppelin“ auch nach Duisburg kommen wollen. Da hab ich ihm bei der Gelegenheit auch noch Stücke aus „’N bisschen Frieden“ vorgespielt, an dem wir schon seit vier, fünf Jahren gearbeitet hatten. Er war begeistert, und wie das Leben so spielt, gab es im Programmplan des Theaters einen Ausfall, genau in der Zeit vom 20. Oktober bis zum 14. November. Da spielen wir jetzt die erste Spielzeit, um den Leuten zu zeigen, wie gut das Musical ist. Damit sie dann ab dem 15. Dezember hoffentlich auch mit Freunden wiederkommen und ein bisschen Mundpropaganda machen (lacht). Wir hatten natürlich sehr wenig Zeit, aber wir haben uns dennoch entschlossen, es zu machen, weil die Freude einfach so groß ist, dass ich das mit 77 Jahren noch erleben darf. Wer weiß, was in zwei Jahren ist.

Welche Songs gibt’s im Musical zu hören?

Lieder, die ich in den letzten 50 Jahren geschrieben habe und einfach perfekt zu diesem Krimi passen – jetzt verrate ich schon fast zuviel. Aber auch viele neue, die ebenfalls zur Story von Ronald Kruschak passen und neu von mir komponiert und textiert wurden. Es sind viele unbekannte Perlen aus meinem langjährigen Schaffen dabei, zum Beispiel auch Songs, die ich in den 60er-Jahren mit Michael Kunze für die Protestband City Preachers geschrieben habe. Ein kleines „Fiesta Mexicana“ wollte der Autor aber dann auch noch unbedingt im Stück haben. (lacht)

„Ein bisschen Frieden“ in Moll

Und „Ein bisschen Frieden“ wird doch auch vorkommen, oder?

Ja, aber ich habe das für den Musical-Titel ganz bewusst umbenannt, eben „‘N bisschen Frieden“ mit Apostroph. Damit es sich abgrenzt von unserem Eurovisions-Sieg und keiner glaubt, wir bringen nun die Lebensgeschichte von Nicole oder Ralph Siegel auf die Bühne. Im Rahmen der Handlung entsteht das Lied über mehrere Jahre – erst ist es in Moll zu hören, dann in Dur, und am Schluss singt es die Protagonistin Nina mit ihrer Oma, bei Ninas Aufnahmeprüfung an der London Academy of Music. Ich habe lange überlegt, wie ich das Lied im Stück so platziere, dass es wirklich nicht banal nach unserem alten Grandprix-Sieg klingt.

Das Musical erzählt eine deutsche Ost-West-Geschichte. Wie waren Ihre Erfahrungen mit der DDR?

Meine Mutter ist in Leipzig geboren, ihr Vater hatte dort damals die größte Uhrenersatzteilfabrik der Welt. Ich habe die Teilung von Deutschland daher hautnah miterlebt, wir hatten ja viele Freunde drüben. Es war eine schwierige Zeit, vor allem natürlich für die Menschen die im Osten gelebt haben. Später sind Katja Ebstein und Udo Jürgens auch in der DDR aufgetreten – und statt mit Geld sind sie oftmals mit Meissner Porzellan, wieder zurückgekommen. Die große Wende, die Gorbatschow und Kohl geschaffen haben, ist wohl schon mit das Beste, was in den letzten 30 Jahren politisch passiert ist. Und jetzt haben wir wieder diesen scheiß Krieg ...

Sie sind Münchener, mit „’N bisschen Frieden“ kommen Sie nach Duisburg. Wie ist Ihre Erfahrung mit dem Ruhrgebiet?

Ich habe sehr viele Bekannte und Freunde dort. Ich bin oft in Köln und Düsseldorf und ab und zu auch in Duisburg oder Gelsenkirchen. Dort lebt ein besonderer Schlag Menschen. Ich bewundere auch die Bergleute, die damals jeden Tag in die Tiefe gefahren sind, um die Kohle zu fördern.

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Als Peter Alexander das „Schwarze Gold“ besang

Mit „Schwarzes Gold“ haben Sie darüber ja auch ein Lied für Peter Alexander geschrieben.

Ja, und damals hab ich ihm gesagt, wenn du das im Ruhrgebiet singst, werden sie dir die Kohle auf die Bühne tragen. Er glaubte mir nicht. Ein paar Monate später rief Peter mich dann an und sagte: „Ralph, es war tatsächlich so. Ich stand auf der Bühne und einige Bergleute haben mir ein Stück Kohle auf die Bühne gebracht.“

Ein anderes Ihrer Lieder, über das ich gestolpert bin, ist der Countrysong „It’s a Long, Long Way to Georgia“, mit dem Don Gibson in den 60er-Jahren sogar einen Top-Ten-Hit in den US-Countrycharts hatte. Wie kam es dazu?

Ich war damals ein Jahr in Nashville, Tennessee beim Verlag Acuff-Rose. Da gab es eine enge Produktionslinie zu Chet Atkins, dem wohl bekanntesten Gitarristen und Produzenten, und Don Gibson. Ich hab damals diesen Song geschrieben, ihn Chet Atkins vorgelegt – und er sagte, den nehme ich mit Don Gibson auf. So ging „It‘s a Long, Long Way to Georgia“ um die Welt – in England wurde er von Vince Hill gesungen und in Deutschland wurde es die erste Single von Gunter Gabriel, unter dem Titel „Wenn die Rosen blühen in Georgia“.

Wenn haben Sie damals in den USA noch kennengelernt?

Ich war eng mit Roy Orbison befreundet. Ich hab ihn kennengelernt, weil mein Vater eine enge Freundschaft mit dem Verlagschef Wesley Rose hatte. Die waren damals alle unendlich nett zu mir. Bei Roy war ich oft zuhause und wir sind gerne zusammen auf dem Motorrad durch die Hickory Hills gefahren – er auf seiner Harley, ich auf Seiner Honda. Aber ich hab in der Zeit eben auch über 40 Songs geschrieben. Neben „It’s A Long long way to Georgia“ hat es auch „Top Secret” mit der Band The Newbeats in die Charts geschafft und dieser Song ist jetzt auch wieder in „‘N bisschen Frieden“ zu hören. Da werden sich einige wundern, wenn sie die alten Rock-Songs von Ralph Siegel hören.

„Es wird alles ,verramscht’“

Sie haben 2000 Titel bei der GEMA angemeldet. Ist Ihre Tantiemen-Abrechnung so dick wie ein Telefonbuch?

Ja, aber wo früher mal 15.000 Euro draufstand, steht jetzt 150 Euro – das ist der Unterschied. Es gibt eben fast keine Verkäufe von CDs oder Schallplatten mehr, es wird alles „verramscht“ – über Spotify, Youtube oder Streamings und wie sie alle heißen. Die Einnahmen sind dadurch bei fast allen älteren Autoren um ca. 80 % gesunken. Wenn Sie heute 10 Millionen Titel für 9,50 Euro angeboten bekommen, können Sie sich ja vorstellen, was da bei den Autoren, Produzenten und Verlagen bleibt.

Welcher Song steht denn in Ihrer persönlichen Gema-Hitliste ganz oben?

„Moskau“ ist mein erfolgreichster Titel, dann kommt „Dschinghis Khan“, dann „Ein bisschen Frieden“ – und dann kommen die ganzen anderen Songs. „Du kannst nicht immer 17 sein“, „Fiesta Mexicana“, „Der Papa wird’s schon richten“ und so weiter – ich hab ja über 150 Songs in die Charts geschrieben und produziert. Und viele von denen, die nicht in den Charts waren und teilweise meine Lieblinglieder sind, kann man jetzt eben nochmal in „‘N bisschen Frieden“ hören. Ich freue mich wahnsinnig auf die Welturaufführung!

„’N bisschen Frieden“: 19.10.- 13.11. + 14.-31.12., Theater am Marientor, Plessingstr. 20, Duisburg. Karten ab ca. 40 € (Generalprobe am 19.10. ab ca. 30 €) gibt’s hier. Weitere Infos hier.