Essen. Das „wXw Tag Team Festival“ in Oberhausen steht an, am 1.11. ist WWE in Dortmund. Der Hamburger Ludwig Kaiser kennt beide Ligen – ein Interview.
Aus Hamburg nach Orlando – Ludwig Kaiser hat es geschafft. Der 32-Jährige, bürgerlich Marcel Barthel, ist seit April dieses Jahres als einziger Deutscher Teil des Hauptkaders von WWE (World Wrestling Entertainment). Seit 2017 wohnt der Catcher in Florida in einem Apartmentkomplex mit seinen deutschsprachigen Kollegen Giovanni Vinci (Fabian Aichner, aus Südtirol) und dem Wiener Gunther, Fans hierzulande besser unter seinem bürgerlichen (und ehemaligen Ring-)Namen Walter bekannt.
Die deutschsprachige Blase mit zwei langjährigen Freunden tut ihm gut, wie er im Interview zugibt: „Der Gunther wohnt im gleichen Gebäude, Giovanni nur zwei Minuten zu Fuß weg. In meinen ersten Monaten in den USA hatte ich einen harten Zeitplan, habe viele Stunden im Performance Center (WWE-Trainingsakademie, Anm. d. Red.) verbracht. Danach dachte man schon öfter: „Was mache ich jetzt am Feierabend?“ Substanz im Leben hat man da neben der Arbeit nicht mehr so viel. Immerhin: Giovanni hatte ich die ganze Zeit hier bei mir. So wie es jetzt ist, hilft es natürlich ungemein. Gerade auch, einfach mal in der Muttersprache mit jemandem zu reden.“
WWE-Wrestler Ludwig Kaiser: Aus den verregneten Hamburg ins sonnige Orlando
Unterschiede zwischen Norddeutschland und Orlando gibt es viele. Die größten? „Das Wetter auf jeden Fall“, sagt Kaiser im Interview und lacht. „Und Amerika und Deutschland sind von der Basis ganz verschieden. Das Leben muss man lernen. Die Basis, von der die Leute hier ausgehen, ist eine ganz andere.“ Und er ergänzt: „Eigentlich wollte ich ja früher immer in Hamburg bleiben, das ist einfach meine Stadt. Das habe ich auch letztens wieder gemerkt, als ich nach fast drei Jahren endlich mal wieder da war, Freunde und Familie getroffen habe. Aber es gibt sicher schlimmere Orte auf der Welt als Orlando.“
Erst Anfang September erlebte Kaiser seinen bisherigen Karrierehöhepunkt. Er trat beim „Clash At The Castle“ im walisischen Cardiff vor mehr als 62.000 Zuschauern auf. „Das war krass. Früher habe ich das in einer norddeutschen Turnhalle vor 20 Leuten gemacht. Ein paar Jahre später stehst du da in einem vollen Rugby-Stadion, siehst deinen Kopf auf diesem riesigen Videowürfel. Das ist einfach nur surreal.“
Jubel statt Buhrufe in Dortmund
In etwas kleinerem Rahmen, dennoch in großer Halle, wird Kaiser mit seinen beiden Kollegen an Allerheiligen im Ring stehen. Es steht eine Show in der Dortmunder Westfalenhalle an: „Es wird das allererste Mal für mich in Deutschland unter dem WWE-Banner. Es schließt sich ein Kreis in der Karriere. Und da werden wir dann auch mal ein bisschen bejubelt werden“, sagt Kaiser. Schließlich spielen Vinci, Gunther und er im Team „Imperium“ eigentlich die Rolle der Bösewichte – von den US-Fans wird das Trio aus Übersee daher in schöner Regelmäßigkeit ausgebuht.
Überrascht wurden die „Imperium“-Jungs wie andere Beteiligte und Beobachter des Wrestlings im Sommer vom Rücktritt des jahrzehntelangen Firmenchefs Vince McMahon, der 77-Jährige geriet in Folge mehrerer Presseberichte in den USA in Schwierigkeiten, ihm wird Bilanzfälschung und sexuelles Fehlverhalten in mehreren Fällen, gerade auch gegenüber früheren Angestellten, vorgeworfen. Am 22. Juli gab McMahon die Leitung der WWE an seine Tochter Stephanie ab, die kreative Leitung über die Gestaltung der WWE-Shows übernahm deren Mann und Ex-Wrestler Paul Levesque, Fans unter seinem Ringnamen Triple H bekannt.
Ein klarer Einschnitt in der WWE-Welt, wie auch Kaiser konstatiert: „Sein Rücktritt war unvorstellbar. Da hatte man nicht drüber gemunkelt vorher. Eine krasse Sache, er ist ein absoluter Revolutionär, Visionär. Gerade was zum Beispiel auch Streaming-Sachen wie das WWE Network angeht. Toll für uns, dass wir noch die Chance hatten, mit ihm zusammenzuarbeiten, das war in den letzten Wochen auch eine enge, gute Zusammenarbeit.“
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Gerüchte, wonach McMahon schnell das Interesse an Kaiser und Gunther verlor und eine Herabstufung des Duos in der Hierarchie plante, kann ersterer nicht bestätigen: „Von den Gerüchten weiß ich gar nix. Es ist auch meist so, dass wir das nicht so an uns ranlassen. Von unserer Seite aus sind wir, seit wir bei Smackdown (wöchentliche WWE-TV-Show, Anm. d. Red.) angefangen haben, total zufrieden. Wir wurden da toll aufgenommen, das Feedback war von Anfang an durchweg positiv. Wir können uns auch nicht über unsere TV-Zeit beschweren. Wenn man darauf schaut, was wir in den paar Monaten geschafft haben, auch mit Gunthers Intercontinental Championship-Titel, spricht das für sich. Natürlich gibt es hier und da immer Gerüchte, aber vieles ist eben nicht zutreffend.“
Zu einem älteren Thema in der deutschsprachigen Community konnte Kaiser aber noch etwas sagen: Anfang des Jahres trat er in den Ring – mit schwarz-gelb-roten Streifen an der Hosenseite statt schwarz-rot-goldenen. Viele Fans wunderten sich. Was da los war? „Was meine Ring-Gear angeht, weiß ich oft nicht, was ich in acht Wochen machen werde. Manchmal kommt man dann in zeitliche Engpässe, das war bei diesem Mal für das Match gegen MSK genauso. Ich habe die Hose am Tag ins Performance Center geschickt bekommen, ganz kurz angeguckt, angezogen, raus. Später auf Twitter habe ich dann viele Nachrichten von Deutschen bekommen, die schrieben: „Du bist nicht aus Belgien.“ Dann nahm ich die Hose, guckte genauer hin und dachte „Oh nein, es ist tatsächlich falsch rum. Doof gelaufen.“ Aber es kann halt mal passieren, die Schneider leisten immer Top-Arbeit unter großem Zeitdruck.“
Hochklassiges Wrestling am langen Wochenende in Oberhausen
Seine Wrestling-Karriere in Gang gebracht hat Kaiser wie viele andere europäische Talente auch bei Westside Xtreme Wrestling (wXw). Die Liga mit Basis in Gelsenkirchen, wo schon am Freitagabend ein intimes „Inner Circle“-Event stattfindet, veranstaltet regelmäßig Turniere in der Oberhausener Turbinenhalle. So auch wieder am Wochenende beim „World Tag Team Festival“. Vom 1. bis 3. Oktober treten 16 Catcher aus Europa, Japan und Nordamerika in Zweier-Teams um den Champion-Gürtel an. Mit dem US-Amerikaner Eric Young konnte dafür gar ein ehemaliger WWE-Wrestler über den großen Teich gelockt werden.
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Und auch der „verlorene Sohn“ hat immer noch ein Auge auf wXw. „Ich bin da ringerisch aufgewachsen und habe mich komplett verbessert. Den Leuten habe ich viel zu verdanken, das waren mit die schönsten Jahre meines Lebens. Jetzt sind da Jungs im Kader, die ich damals teilweise noch mit trainiert habe. Für die Rott&Flott-Jungs (aktuelle wXw Tag Team Champions, Anm. d. Red.) freue ich mich, dass sie nun zeigen können, was sie drauf haben. Den Vincent Heisenberg kenn ich schon ganz lange von frühen Trainings, ich freue mich auch total, dass der Michael Knight jetzt ganz viel da macht. War auch einer meiner besten Freunde, mit dem ich viel gereist bin und der für mich immer schon viel zu gut war, um nur vor 50 Leuten aufzutreten. Leon van Gasteren, auch einer meiner besten Freunde, macht ja auch immer noch mal was bei wXw.“
Bleibt noch eine Frage: Wer schafft als Nächstes den Sprung über den großen Teich? Kaiser hat da so seine Kandidaten: „Ich habe gehört, dass Maggot ganz gut unterwegs ist, freut mich sehr für ihn. Ich fand Levaniel immer gut, cooles Gimmick, er macht es voll gut, er hat ein authentisches Gimmick, da ist nichts gespielt. Für mich das Best Kept Secret ist Marius Al-Ani. Ganz tolles Talent. Es gibt auf dem deutschen Markt keinen, der sich besser bewegt. Und Metehan muss ich natürlich erwähnen“, sagt der gebürtige Pinneberger. Letzterer war unter dem Ringnamen Teoman bis vor wenigen Wochen gar noch bei WWE unter Vertrag und trat beim mittlerweile eingestampften Europa-Ableger NXT UK auf, wrestlet nun aber wieder für wXw – so auch am kommenden Sonntagnachmittag gegen Axel „Axeman“ Tischer, einen anderen profilierten Ex-WWE-Athleten.
Reines Frauen-Event am Samstag
Besonderes Augenmerk dürfen Showkampf-Fans in der Region aber auch auf den Samstagnachmittag legen: Bei „Femmes Fatales“ treten ausschließlich Frauen an. Auch hier sind mit der Portugiesin Killer Kelly und der Französin Amale zwei Profis dabei, die bereits bei WWE unter Vertrag standen und zuvor auch schon bei wXw-Events zu sehen waren. Letztere war 2019 schon einmal „wXw Women’s Champion“ – und will sich den Titel nun von der amtierenden Titelträgerin Baby Allison zurückholen.
>>> Infos zu den großen Wrestling-Events in der Region
WWE live: 1.11., 19.30 Uhr. Dortmund, Westfalenhalle.
Karten ab ca. 51 €.
wXw World Tag Team Festival: 30.9., 19 Uhr, Inner Circle, Gelsenkirchen, wXw Wrestling Academy. Karten ca. 31 €; 1.-3.10., Sa+So 15.30+19.30 Uhr + Mo 12.30+17 Uhr, Oberhausen, Turbinenhalle. Karten für die Einzelevents ab ca. 24 €, Wochenendticket ca. 158 €.