Essen. Walter Hahn gehört zu den besten Wrestlern der Welt. Der Österreicher wurde in der Rhein-Ruhr-Region heimisch – und leidet mit dem FC Schalke 04.

Endlich mal wieder aus der heimischen Einöde herauskommen, in den Flieger steigen und andere Eindrücke aufsaugen – davon träumen aktuell Millionen von Menschen. Walter Hahn hingegen muss sogar seine Heimat im Kreis Kleve alle paar Monate gen England verlassen, um seinen Beruf auszuüben. Der Profi-Wrestler steht beim Europa-Ableger „NXT UK“ der großen US-Liga World Wrestling Entertainment (WWE) unter Vertrag und ist dort seit April 2019 amtierender Champion.

So viel Spaß wie früher machen die Reisen nach London, wo die Shows seit vergangenem Sommer corona-konform in einem Fernsehstudio für jeweils mehrere Wochen Material aufgezeichnet werden, dem 33-Jährigen zurzeit jedoch nicht – was angesichts der knallharten Regularien nachvollziehbar ist.

„Wir fliegen alle paar Wochen rüber. Man reist im Hotel an, verbringt dort eine Woche in Quarantäne und dann gibt’s die ersten Tests. Erst wenn alle negativ getestet sind, dürfen wir interagieren. Und wenn ich dann wieder nach Hause komme, muss ich wieder in Quarantäne. Es ist alles recht aufwändig, aber ich will mich da auch nicht zu sehr beschweren“, sagt Hahn.

Auf dem Dorf kommt die Erholung

Schließlich haben der gebürtige Wiener und seine Frau sich im vergangenen Jahr bewusst für den ruhigen Wohnort im tiefsten Westen Deutschlands entschieden: „Ich find’s einfach schön hier auf dem Dorf an der Grenze. Wrestling ist ein sehr intensives Geschäft, das viel Energie kostet. Wichtig ist für mich, dass ich meinen Rückzugsort habe, auch mal aus dem ganzen Trubel herauskomme und Abstand gewinnen kann. Das hat sich für mich gut bewährt, die Balance möchte ich beibehalten.“

Was viele der oberen WWE-Verantwortlichen in den USA durchaus schade finden, die Walter, offiziell gelistet mit einer stattlichen Körpergröße von 1,93 Metern und einem Kampfgewicht von 135 Kilogramm, schon des Öfteren dauerhaft in die Staaten locken wollten.

Über Wien und Hannover ins Ruhrgebiet

Der „Ring-General“, so sein Spitzname, gehört nach fast 15 Jahren im Geschäft zu den beliebtesten und profiliertesten Wrestlern der Welt – er reist aber seit jeher nur zu ausgewählten Matches über den großen Teich. Ein Umzug ans andere Ende der Welt kommt nicht infrage. Denn: „Zuhause ist’s am Schönsten“, verrät Walter, ein verschmitztes Grinsen ziert dabei sein Gesicht, das im Video-Interview deutlich weniger furchteinflößend ausschaut als im Seilgeviert. Das „Zuhause“ ist dabei schon länger nicht mehr Wien.

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In die Rhein-Ruhr-Region kam er 2016, als die deutsche Wrestling-Liga wXw (Westside Xtreme Wrestling) eine Trainingsschule in Essen eröffnete und Trainer brauchte. „Meine jetzige Frau und ich wohnten damals im Großraum Hannover, waren eigentlich wurzellos. Ich machte eine Ausbildung in der Logistik, am Wochenende hatte ich oft Wrestling-Matches und reiste umher. Die Eröffnung der Academy mit der Anfrage von wXw war dann der ausschlaggebende Punkt für den Umzug.“ Zunächst nach Oberhausen, wo wXw in der Turbinenhalle in normalen Zeiten mehrfach im Jahr große Events mit bis zu 1600 Zuschauern austrägt.

Als Kind versuchte er sich selbst am Ball

Angekommen im Ruhrgebiet, entfachte bei Walter Hahn eine verloren gegangene Leidenschaft neu. In seiner Jugend spielte er Fußball beim SC Himberg, schaffte es sogar in die Wiener Regionalauswahl, bevor er als junger Erwachsener das Interesse verlor.

Nach Jahren der Abstinenz kam dieses im „Pott“ jedoch zurück und die Farbe des Fan-Trikots wechselte von Grün zu Königsblau: „Ich schaute, welcher Klub für mich Sinn macht. Es musste etwas Lokales sein und ein Arbeiterverein, so wie Rapid Wien, mein alter Lieblingsklub. Schalke passt dann eben. Und da beide eine Fanfreundschaft mit Nürnberg haben, gibt es da sogar eine unterschwellige Verbindung. Wir gingen auch oft zu RWO, als ich da noch wohnte.“

Er geht mit Königsblau auch in Liga zwei

Kürzlich unterschrieb er seinen Mitgliedsantrag beim FC Schalke 04, mitten in der größten Vereinskrise seit den 80er-Jahren. Die Hoffnung, dass die „Knappen“ den Klassenerhalt noch schaffen, schwindet von Spieltag zu Spieltag: „Ich glaube nicht, dass wir uns retten können. Alle, die vor uns stehen, sind stärker. Da müsste ein Wunder passieren. Wird mich aber nicht daran hindern, weiterhin die Spiele von Schalke zu schauen. Der Erfolg meines Vereins ist für mich zweitrangig. Mir geht es eher um das Stadiongefühl, den Geruch von Bratwurst und Bier. Und einer meiner engsten Freunde ist ebenfalls Schalker, das macht es einfacher.“

Länger ist’s her: Walter Hahn (links) mit zwei Kumpeln und WWE-Kollege Timothy Thatcher (rechts) bei einem Besuch eines S04-Heimspiels in der Veltins-Arena
Länger ist’s her: Walter Hahn (links) mit zwei Kumpeln und WWE-Kollege Timothy Thatcher (rechts) bei einem Besuch eines S04-Heimspiels in der Veltins-Arena © Screenshot: instagram.com/walter_aut

Obwohl er richtig Lust auf seine erste Jahreshauptversammlung als Vereinsmitglied verspürt, wird er dort – egal, ob die Veranstaltung im Internet oder als Präsenzevent in der Veltins-Arena stattfindet – eher den stillen Beobachter spielen: „Ich will zu unserer Situation keine Stammtisch-Parolen raushauen, das ist nicht mein Ding. Was ich nur sehe: Es muss Ruhe einkehren, was die Trainerposition angeht. Da muss mal einer langfristig arbeiten können. Ich hätte Domenico Tedesco nie gehen lassen und hoffte, dass man es schluckt, wenn es ein Jahr lang mal nicht so läuft.“

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Was eine mögliche Ausgliederung der Bundesliga-Mannschaft aus dem Stammverein zur Generierung frischer Gelder angeht, gibt sich das Neu-Mitglied diplomatisch: „Wenn man irgendwann in der Bundesliga wieder europäisch spielen will, glaube ich nicht, dass wir um eine Ausgliederung noch herumkommen. Wenn der Charakter des Klubs so bleiben soll, wie er ist, dann ist es so – dann müssen wir aber damit leben, langfristig eher im unteren Tabellenbereich zu stehen.“

Lob für Tim Wiese

Eine ganz andere Verbindung zum Fußball ergab sich für den Österreicher im Oktober 2016. Er trainierte Tim Wiese, um „The Machine“, so der Ringname des Ex-Profitorwarts, fit für einen Kampf bei einem WWE-Event in München zu machen. Von etwaigen Starallüren des Ex-Bremers kann Walter nicht berichten: „Ich bin mit ihm super zurechtgekommen. Er war sehr motiviert, was das Lernen von Wrestling-Moves angeht.

Ex-Torwart Tim Wiese steigt in den Ring

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    Wiese sei ein Typ mit Ecken und Kanten, der sicher ein wenig eine Rolle in der Öffentlichkeit darstellt, aber nichtsdestotrotz ein absoluter Profisportler ist und sich auch so verhalten hat. Auch WWE hat davon profitiert. Tims Kampf war ja überall in den Medien.“

    Im Oktober 2016 machte Walter Hahn Ex-Profitorwart Tim Wiese fit für den Ring.
    Im Oktober 2016 machte Walter Hahn Ex-Profitorwart Tim Wiese fit für den Ring. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

    Der „Ring-General“ will dem Wrestling treu bleiben

    Für Wiese blieb es ein einmaliger Ausflug in die Welt des Catchens. Walter Hahn hingegen wird dem Wrestling wohl nie untreu: „Es gibt da noch ganz viele tolle Dinge für mich zu entdecken, die nichts mit dem ‘Im Ring stehen’ zu tun haben. Ich möchte aber abtreten, wenn es am Schönsten ist.“ Der Zeitpunkt lässt aber sicher noch einige Jahre auf sich warten.

    >>> INFO: Wo man Walters Matches sehen kann

    Aktuelle Matches von Walter Hahn finden Interessierte im WWE Network. Unter www.wwenetwork.com wird jeden Donnerstagabend eine neue, einstündige Folge der Show „NXT UK“ veröffentlicht. Nach der Erstausstrahlung sind alle Folgen auf Abruf verfügbar. Das Streamingportal kostet monatlich 9,99 Euro und umfasst fast alle aktuellen wie älteren Wrestlingshows, die WWE und die in Deutschland in den 90er-Jahren sehr populäre ehemalige Konkurrenzliga WCW produzierten.

    Ältere Matches aus Walters aktiver Zeit bei der deutschen Wrestling-Liga wXw gibt es auf deren Portal wXw Now. Auch hier kostet der Zugang zur Video-Datenbank 9,99 Euro pro Monat, diese ist abrufbar unter www.wxwnow.com.

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