Mülheim. Die Broicher Schlossnacht in Mülheim zeigt einen Abend lang Theater, Tanz und Musik von Menschen mit und ohne Handicap.
Über Langeweile können sich die Mülheimer am ersten August-Wochenende nun wirklich nicht beklagen. In der Ruhrgebietsstadt ist so viel los, dass Nachbarn aus der ganzen Region herzlich eingeladen sind, die blühende Veranstaltungslandschaft zu genießen.
Auf den Ruhrwiesen lassen Dancehall- und Afrobeats die Grashalme beim Ruhr Reggae Summer zittern, feuchtfröhlich geht’s im Stadthallengarten bei der Bierbörse zu und der „Tag der Trinkhallen“ lockt sowieso das halbe Ruhrgebiet auf die Straßen.
Erfolgversprechend: Die Schlossnacht in Mülheim
Besonders wird es allerdings am Schloss Broich – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Broicher Schlossnacht am 6. August setzt nämlich auf eine besondere und – die Vergangenheit zeigt’s – erfolgversprechende Mischung: Künstlerinnen und Künstler mit und ohne Behinderung aus verschiedenen Städten und Ländern gestalten gemeinsam einen Abend vor der romantischen Kulisse der einstigen Festung.
„Kunst kennt keine Behinderung“, hat schon Joseph Beuys gesagt, heißt es in der Ankündigung. Live-Musik, Tanz und Theaterspiel, Klassisches, Poetik und Humor gestalten das Programm, das der Art Obscura e.V. zusammengestellt hat.
Show mit hohem Niveau
Der Verein setzt sich seit rund 20 Jahren für Integration und Inklusion ein. Initiator Gert Rudolph bringt das internationale Kunstprogramm nun schon zum 14. Mal auf die Bühne – und ist stolz auf seinen Erfolg, wie er bereits bei der letzten Ausgabe betonte. „Für viele war es vor der Show nicht vorstellbar, dass Künstler mit einer Behinderung in so einem Rahmen mit einem so hohen Niveau auftreten können.“
Hier solle Vielfalt gelebt und gezeigt werden. „Wir achten darauf, dass ca. 50-60 Prozent der Künstler eine Beeinträchtigung haben“, erklärt Rudolph. „Die Idee hinter der Schlossnacht ist, Künstlern mit einer Behinderung ein Forum zu bieten.“
Menschen eine Bühne bieten
Die Schlossnacht eröffne so vielen Menschen neue Welten – den Kulturschaffenden, aber auch dem Publikum. „Wir wollen eine Bühne bieten, auf der sich Menschen mit und ohne Handicap begegnen. Unser Ziel ist es, dass auf der Bühne und davor die Grenzen verschwimmen.“
Die Frage, ob jemand eine Behinderung hat oder nicht, soll in den Hintergrund treten, zweitrangig werden. „Im Mittelpunkt soll die Freude an der Kunst und der Performance stehen.“
Zu Gast: die dänische Band De Splittergale
Acht Programmpunkte füllen den Samstagabend. Den Anfang macht die dänische Band De Splittergale (18+21 Uhr). Die Orchestermitglieder setzen auf Theater, Clownerie und positiven Wahnsinn. Und beweisen mit der Ankündigung ordentlich Humor, schließlich hatten oder haben viele Orchestermitglieder Kontakt mit der Psychiatrie.
Verrückt ist allerdings höchstens die Wahl ihrer Musikinstrumente. Es tönen nicht nur Akkordeon, Gitarre und Banjo, sondern auch Säge, Gießkanne und Waschbrett. Ihr Repertoire besteht unter anderem aus alten dänischen Hinterhof- und Protestliedern sowie Musik der Sinti und Roma.
Audiovisuelle Installation „AnimaltronieK“
Die darauffolgenden Künstler haben einen nicht ganz so langen Anreiseweg: Elisa, Lucien und Tim kommen aus Bochum und bringen als Snow, Sky & Pines (18.30+21.30 Uhr) Musik zum Träumen und Erinnern mit, das klingt mal modern, mal nostalgisch. Visuell begleitet wird das Trio im Schlosshof von einem Stelzenläufer.
Auch hier ist was los: Knotfest in Oberhausen, Chrom & Flammen in Recklinghausen, Sommerkino in Dortmund
In der Ringmauer läuft parallel zum Konzert die audiovisuelle Installation „AnimaltronieK“ – drei per Funk gesteuerte Roboter, die Menschen und Tiere nachahmen, sollen zum Nachdenken anregen. So wird der Frage nachgegangen, die die stetig fortschreitende wissenschaftliche Forschung bezüglich der Künstlichen Intelligenz nach sich zieht: Was, wenn es zu weit geht?
Ein Circus geht in die Luft
Allerdings mischt sich darunter eine gehörige Portion Humor. Gleichzeitig will auch die Mülheimerin Eva Henning verzaubern, mit ihrer „Kunst und Zauberei“ präsentiert sie Magisches aus nächster Nähe spielt mit Sinn und Unsinn, Wahrheit und Täuschung, Wahrnehmung und Illusion.
Der Circus Unartiq geht schließlich in die Luft (19.30+22.30 Uhr) – und präsentiert Theater, Tanz, und Performance Art am Schwingenden Trapez, Chinesischen Mast, an der akrobatische Strickleiter und mit einem Sammelsurium anderer Requisiten.
Kraftvolle Äquilibristik und spielerische Artistik
Dabei erzählt das Duo, bestehend aus Andreas Bartl und Lisa Rinne, eine ganze Geschichte über den Köpfen der Zuschauer – die Geschichte zweier waghalsiger Märchenfiguren, zwischen einem Mann und einer Frau. Eines darf dabei schon mal verraten werden: Es gibt ein echtes Happy End – und dazwischen kraftvolle Äquilibristik und spielerische Artistik.
Das große Finale hat schon Tradition (19.55+22.55 Uhr): The Flying Wheelchair. Getragen von großen beigefarbenen Schwingen erhebt sich ein Rollstuhl an einem Kran hängend anmutig samt Fahrer in den Nachthimmel.
Schon Tradition: The Flying Wheelchair
Dabei steht für viele der Rollstuhl als Symbol für Unbeweglichkeit, Hilflosigkeit. „Der Rollstuhl [...] setzt sich mit dieser Performance über Grenzen hinweg. [...] Er setzt Vorurteile und Gesetze außer Kraft, indem er zeigt, wovon viele träumen: Fliegen können“, heißt es seitens des veranstaltenden Vereins Art Obscura.
Selbiger schickt auch seine weisen Frauen unter die Leute als „Art Obscura Orakel“, das mit verblüffenden Wahrheiten begeistern soll. Markus Zaja setzt dabei lieber auf Töne statt auf Worte, der Musiker will unaufdringlich mit seiner Klarinette einfühlsam verzaubern.
Programm weckt positive Emotionen
Für Gert Rudolph hat das alles ein Ziel: „Zeigen, dass man Inklusion leben kann, auch im Bereich der Kunst und Kultur“, sagt er. Eines steht für ihn fest: „Das Programm der Schlossnacht ruft auf allen Seiten, bei Publikum und Künstlern, positive Emotionen hervor.“
>>> Info: Broicher Schlossnacht, 6.8., ab 18 Uhr, Schloß Broich, Am Schloß Broich 28, Mülheim. Eintritt 9 €, erhältlich in der Mülheimer Touristinfo (Schollenstr. 1, freier Eintritt für ALG II-Empfänger, Menschen mit Behinderung und Kinder bis 16 Jahre).