Essen. Das „Stone Techno Festival“ auf Zeche Zollverein in Essen zeigt, wie aus Mineralien und Gesteinen ein elektronisches Musikfest entsteht.

Manch einer erinnert sich vielleicht noch an Heinz Barth, der in einer MDR-Sendung einen faustgroßen Brocken zum Klingen bringen wollte – und damit für Lacher sorgte. Mit der Aktion beherrschte der Thüringer 150 Wochen die O-Ton-Charts des Radiosenders 1Live, ein Ranking lustiger und skurriler Hörschnipsel aus Funk und Fernsehen. Dabei hat Barth gar nicht unrecht, weiß Dr. Achim Reisdorf. Der Geologe kann der Radio-Berühmtheit nur zustimmen: Steinen könne man die erstaunlichsten Klänge entlocken.

Wie das genau klingen kann, zeigt das „Stone Techno Festival“ im Juli auf Zeche Zollverein. Renommierte Künstlerinnen und Künstler legen Musik auf – die aus den Klängen von Mineralien, Kristallen und Gesteinen besteht. Dafür wurden der Sammlungsschatz des Ruhr Museums in Essen sowie Baustoffe aus dem Ruhrgebiet angezapft.

Fundus aus dem Museum

Dass die glitzernden, funkelnden Rohstoffe nicht nur nett anzusehen sind, erklärt der Kurator der naturwissenschaftlichen Sammlung der Stiftung Ruhr Museum, Dr. Achim Reisdorf, mit Inbrunst. „Es ist weit mehr als das. Das hier ist der Nukleus für ein Techno-Festival“, erzählt Reisdorf mit Blick auf den Fundus im Mineralienmuseum Essen-Kupferdreh. „Man kann aus den Klängen von Gestein eine Sample Library erstellen und das Techno-Künstlern in die Hand geben.“

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Und das haben Dr. Achim Reisdorf und Ahmet Sisman vom Kooperationspartner The Third Room (Veranstalter und Plattenlabel) dann auch getan – das Ergebnis gab es bereits im vergangenen Jahr als Stream auf Arte Concert zu sehen und zu hören: Dabei spielten international hochkarätige Künstlerinnen und Künstler aus der Techno- und Electro-Szene beim Projekt „Stone Techno X Zeche Zollverein“ Tracks, zusammengemischt aus besagter Sound-Bibliothek. Ein fünfstündiges Konzerterlebnis mitten in der Pandemie – ein Rave in den eigenen vier Wänden.

Richie Hawtin prägte das Techno-Genre mit zahlreichen Produktionen, gerade auch unter dem Alias Plastikman.
Richie Hawtin prägte das Techno-Genre mit zahlreichen Produktionen, gerade auch unter dem Alias Plastikman. © From Our Minds | From Our Minds

„Weit mehr als ein Techno-Festival“

Und es mutet tatsächlich so an: Renommierte DJs und Musikproduzenten wie Colin Benders, Rødhåd und Jamaica Suk ließen das verdunkelte Schaudepot und die Kohlenwäsche auf Zollverein erbeben, sorgten mit stimmungsvoll leuchtenden Neonröhren für die passende Atmosphäre. Jetzt sollen die mitunter tanzbaren Beats live auf die Bühne gebracht werden, als multidisziplinäres elektronisches Musikfestival.

„Dieses Festival soll weit mehr sein als ‘nur’ ein Techno-Festival, wir docken unter anderem an das Mineralienmuseum, die Universität Köln mit dem musikwissenschaftlichen Institut, die Universität Bochum mit dem mineralologischen Institut und die Fossilienfreunde Essen an“, erklärt Reisdorf.

Das Projekt möchte damit „den fortwährenden Transformationsprozess von Naturkultur der Ruhrmetropole generationsübergreifend hör-, begreif- und vermittelbar“ machen, heißt es. Schließlich sollte das Event nicht nur bei Techno-Liebhabern Gehör finden, sondern auch bei Naturbegeisterten, so hoffen die Macher.

Stücke zum Anhören und Anschauen

Das Festival, zu dem die Macher zwischen 10.000 bis 13.000 Besucher erwarten, will mit dem Aufeinandertreffen von Industrie, Wissenschaft und moderner Musik Kulturgeschichte schreiben – mit vier Open-Air-Floors, Klanginstallationen auf dem Areal von Zeche Zollverein, Infoständen u.a. zur Energiewende und einer nächtlichen Indoor-Tanzfläche.

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Das Festival-Logo zeigt im Übrigen die Skizze eines Fundstücks aus der Steinkohlezeche in Gelsenkirchen: Zwei Schwerspate, die miteinander verwachsen sind und mit etwas Phantasie eine menschliche Gestalt bilden. Das Anschauungsstück liegt im Mineralienmuseum in Essen-Kupferdreh aus.

Reisdorf selber hat sich mit dem Projekt, das 2020 ins Rollen kam, den Traum erfüllt, zwei seiner Leidenschaft zu verbinden: die Geologie und die Musik. Nach dem Streaming-Erfolg im vergangenen Jahr, der sogar international Anerkennung fand, folgt nun das vielversprechende Live-Event – und das klingt sicherlich besser als Heinz Barths Versuch, einen faustgroßen Brocken zum Klingen zu bringen.

>>> INFO: Stone Techno Festival 2022

9.+10.7., 12-24 Uhr (Outdoor) und 24-8 Uhr (Indoor), UNESCO-Welterbe Zollverein, Gelsenkirchener Str. 181, Essen. Tickets gibt’s ab 18 € für einzelne Locations/Zeiten bis 105 € für das gesamte Festival. Mehr Infos und das Arte-Konzert gibt’s auf stone-techno.com. Line-up: Richie Hawtin, Ellen Allien, Oscar Mulero, Adiel, FJAAK, Kink, I Hate Models, Héctor Oaks, Lady Starlight, Luke Slater uvm.