Essen. Die Broilers spielen wieder live, am 9.7. z.B. im Stadion Essen. Sammy Amara über große Emotionen, dunkle Depressionen – und Karten für den Boss.

Die Broilers sind so ziemlich das Gegenteil aktueller Castingshow-Stars. In den 90ern gegründet, haben sich die Düsseldorfer Punkrocker aus kleinen Clubs zielstrebig bis ganz nach oben gespielt. Vorläufiger Höhepunkt der Bandkarriere: das Konzert als Headliner im Stadion Essen am nächsten Wochenende. Punk-Hymnen von u.a. drei Nummer-eins-Alben stimmt das Quintett morgen aber auch auf dem „Ruhrpott Rodeo“ an – denn inzwischen ist das Geheimnis hinter dem „Surprise Act“ im Line-up des Festivals gelüftet. Sänger und Songwriter Sammy Amara erklärte Stefan Moutty im Interview unter anderem, wie es dazu kam.

Nächste Woche (9.7.) steht in Essen das größte Konzert eurer Karriere an. Wie groß ist die Angst, dass sich einer von euch kurz vorher noch Corona einfängt?

Sammy Amara: Die Angst ist total präsent. Wir sind sehr, sehr vorsichtig. Wir testen uns täglich, wenn wir uns sehen, wir testen die Crew. Und die Backstagepartys haben wir runtergefahren auf das absolut nötigste – auf das Minimum, mit dem man als kleiner Punker noch leben kann. Es ist einfach nervig – und in unserem Fall wäre das auch eine richtig teure Angelegenheit, wenn noch was passiert.

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An diesem Wochenende (3.7.) spielt ihr aber erstmal als Surprise Act auf dem Ruhrpott Rodeo. Wie kam’s dazu?

Das ist eine alte Freundschaft. Alex, der Veranstalter, ist ein guter Kerl. Der reißt sich, auf Deutsch gesagt, seit Jahren den Arsch auf, um das Festival möglich zu machen. Es war immer ein Wunsch von ihm, dass wir da spielen. Und weil wir selbst Fans des Ruhrpott Rodeo sind, haben wir gesagt, das ziehen wir jetzt einfach mal durch. Weil wir aber eine Woche später unsere eigene Stadionshow in der Nachbarstadt haben, wollten wir den Rodeo-Aufritt natürlich bis zum Schluss geheim halten.

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Tränen, als der Vorhang fiel

Die erste Festivalsaison nach zwei Jahren hat begonnen. Wie ist es wieder auf der Bühne zu stehen?

Es ist heftig. Wir haben im letzten Dezember schon eine bestuhlte Tour zu unserem Weihnachtsalbum gespielt. Davor hatte ich mir immer schon ausgemalt, wie es sein wird, wenn zum ersten Mal wieder der Vorhang fällt – wir haben ja vor der Bühne tatsächlich immer einen Vorhang, der zum ersten Lied fällt. Ich hab’ mich gefragt, ob ich überhaupt singen kann, wenn ich vielleicht heulen muss. Bei den Proben war ich mir aber sicher, das wird schon klappen.

Wo fand dann die erste Show der Tour statt?

Das war in Frankfurt – ein kleiner Laden, 1500 Leute. Unmittelbar vor der Show war Ines, unsere Bassistin, äußerst aufgeregt und angespannt, ich war aber überraschend cool. Wir sind auf die Bühne, der Vorhang fiel – und dann konnte ich vom ersten Lied nicht eine Zeile singen, weil ich heulen musste. Es hat mich einfach umgehauen. Diese Emotionen, nach vier Jahren wieder vor den Fans zu stehen – so lange war unser letztes Konzert her –, haben mich einfach überrollt.

„Die Hosen hab’ ich mir mit einer dicken Träne im Knopfloch gekniffen“

Warst du am letzten Wochenende eigentlich bei den Toten Hosen, als sie in Düsseldorf aufgetreten sind?

Nein, war ich nicht. Ich war am Freitag noch für Promotermine in Berlin – da spielen wir ja auch an zwei Abenden auf der Waldbühne, eine riesige Venue. Die Hosen hab’ ich mir am Samstag echt mit einer dicken Träne im Knopfloch gekniffen, weil ich jetzt einfach aufpassen muss – wir müssen uns im Moment einfach alle ein bisschen isolieren, um nicht Gefahr zu laufen, dass unsere eigenen Dinger abschmieren.

Könntest du dich bei Festivals wie dem Ruhrpott Rodeo noch unters Volk mischen oder gibt’s dann einen riesigen Starrummel?

Ich mach das normalerweise immer. Irgendwann kommen die ersten, wir machen Fotos, labern ein bisschen. Das mach’ ich eine Weile, bis der Moment kommt, wo es einfach zu viel wird. Dann brauche ich eine Pause und zieh’ mich wieder raus. Aber das gehört eben auch dazu, das ist ein Teil meines „Jobs“ und da muss man halt durch.

Beim Konzert bei „Rock am Ring“ konnte Sammy Amara bereits musikalisch die Muskeln spielen lassen. Nun freuen sich Frontmann und Band auf das erste eigene Stadionkonzert in Essen.
Beim Konzert bei „Rock am Ring“ konnte Sammy Amara bereits musikalisch die Muskeln spielen lassen. Nun freuen sich Frontmann und Band auf das erste eigene Stadionkonzert in Essen. © dpa | Thomas Frey

Du hast neulich in einem Podcast über deine Winterdepression geredet. Jetzt haben wir Sommer – also alles gut?

Ich weiß nicht, ob man bei mir wirklich von einer manischen Depression sprechen kann. Es gibt Tage, da habe ich ausgesprochen gute Laune, und die hinterfrage ich auch nicht, das ist ja was Schönes. Genauso gibt’s aber auch das Gegenteil, Tage an denen ich aufstehe, alles ist grau bei mir in der Birne und es gibt auch keine richtige Erklärung dafür. Das ist eben eine Erkrankung. Der Sommer ist einfach meine Jahreszeit – ich hab das Gefühl, den Menschen geht’s da besser. Also im Zweifel immer: Lieber schwitzen als frieren.

In Essen spielt ihr euer erstes eigenes Stadionkonzert – hab ihr euch dafür was Besonderes einfallen lassen?

Da wäre ich ja schön doof, wenn ich das jetzt verrate (lacht). Natürlich versuchen wir, dass Essen wirklich was Besonderes wird. Diese Band gibt es bald 30 Jahre. Wir haben in ganz kleinen Läden angefangen, wird sind mit einem 9-Sitzer-Bus und sogar mit dem Regionalverkehr in den Osten der Republik gefahren. Und jetzt sind wir im Stadion Essen mit 25.000 Leuten angekommen – da wollen wir auf jeden Fall sehr deutlich machen, wie dankbar und stolz wir sind.

Gin Tonic hinter der Bühne

Habt ihr ein Ritual, bevor ihr auf die Bühne geht?

Diverse. Erstmal verkrümelt sich die Band, macht ihr Zeug, und ich sing’ mich ein. Dann ziehen wir unsere Klamotten an, kommen hinter der Bühne zusammen, singen ein Lied zusammen und stoßen mit Gin Tonic an. Unmittelbar bevor wir auf die Bühne gehen, gibt es Küsschen – immer an einer bestimmten Stelle unseres Introliedes. Wir nehmen uns alle in den Arm, Küsschen links, Küsschen rechts – dann geht’s auf die Bühne und wir machen über zwei Stunden Party.

Ihr habt für Essen die US-Kultpunkrocker Social Distortion als Support gebucht. Wie ist das, wenn man auf einmal der größere Star ist als sein Idol aus Jugendtagen?

Ich weiß nicht, ob wir das so wahrnehmen. Social Distortion sind eine Band, die überall auf der Welt abgefeiert werden, und wir sind ein Phänomen im deutschsprachigen Bereich. Ich bin einfach froh, dass wir uns diesen Luxus leisten konnten, die Band im Vorprogramm zu haben. Und ich bin mir auch sicher, dass es ihr Schaden nicht sein wird – weil wahrscheinlich ganz viele bei uns im Publikum Social Distortion noch gar nicht so gut kennen, wie man die Band eigentlich kennen sollte.

Hast du Sänger Mike Ness vorher schon mal kennengelernt?

Nein. Ich bin auch ein bisschen aufgeregt und freu’ mich sehr drauf. Wir werden nicht viel Zeit haben hinter der Bühne, da ist alles eng getaktet. Aber ich wünsche mir einfach, dass Mike Ness ein cooler Typ ist – das kann ich mir aber gut vorstellen.

(K)ein Treffen mit Bruce Springsteen

Ihr seid als Band jetzt auf Stadionniveau angekommen. Was kommt als Nächstes? Du hast in einem Interview auch mal ein englischsprachiges Album erwähnt ...

Wir haben für unser Weihnachtsalbum ja schon viele englischsprachige Songs aufgenommen, alles Coverversionen klar. Es ist jetzt nicht Top-1, dass wir an einem englischsprachigen Album arbeiten. Vielleicht machen wir das irgendwann mal, aber am Ende des Tages ist Deutsch meine Muttersprache. Texte sind mir sehr, sehr wichtig, und ich fürchte, dass ich mich in Englisch nicht so gut ausdrücken kann wie im Deutschen.

Du bist Bruce-Springsteen-Fan – nächstes Jahr kommt der Boss sogar in deine Heimatstadt. Hast du schon Karten?

Ja, ich hab’ sie zum Geburtstag geschenkt bekommen.

Für den Bereich direkt vor der Bühne?

Es sind auf jeden Fall Stehplätze, ich glaube, das ist hinter der ersten Welle. Aber auf jeden Fall nah an der Bühne – da stehen wir immer, wenn wir den Boss sehen.

Wirst du versuchen, Springsteen zu treffen?

Ich weiß es nicht. Ich kenne es ja, wenn es hinter der Bühne hektisch ist – gerade bei so großen Shows vor Zigtausenden von Leuten. Da ist man sehr fokussiert, und eigentlich will ich den Leuten da nicht auf die Nuss gehen. Vielleicht ergibt es sich ja irgendwann mal. Aber so bin ich erstmal happy, in der Masse zu stehen und mit allen „The River“ zu hören – da freue ich mich drauf.

>>> Die Broiler live – die Termine:

Festivalauftritte: 2.7. Münster (Vainstream Rockfest), 3.7. Hünxe (Ruhrpott Rodeo). Karten jew. ca. 81 €. Stadionshow: 9.7. Stadion Essen (Hafenstr. 97a). Karten ca. 54 €.