Essen. Lebenslust, auf laut gedreht: Das neue Album der Düsseldorfer Punktband Broilers heißt „Puro Amor“ – und will aus dem Stimmungstief heraushelfen.

Die Hoffnung, dass er mit seinen Broilers in diesem Sommer auf irgendwelchen Konzert- oder Festivalbühnen die Rock’n’Roll-Sau wird rauslassen können, hat Sammy Amara weitgehend aufgegeben. Aber auf ihrem neuen Album „Puro Amor“ wollte die Punkband aus Düsseldorf dann doch nicht länger sitzenbleiben, es bringt ja auch nichts. „Ich glaube, unser Album kann den Leuten helfen, aus dem Stimmungsloch rauszufinden“, sagt der 41 Jahre alte Sänger, Texter und Hauptkomponist.

Denn die Broilers, die seit dem Mega-Album „Santa Muerte“ vor zehn Jahren kommerziell auf der obersten Etage des Deutsch-Punk angekommen sind (die letzten beiden Alben kamen auf Platz Eins), verströmen mit ihren neuen Liedern die Zuversicht nicht einfach nur, sie verspritzen die Aufbruchstimmung und Lebenslust vielmehr mit Hilfe eines ganz dicken Schlauchs und unter Hochdruck.

Sammy Amara: „Ich glaube wirklich, dass alles wieder okay wird.“

Bestes Beispiel: „Alles wird wieder OK!“, die neue Single. „Den Song habe ich geschrieben kurz bevor Corona greifbar wurde“, so Amara, der sich zum Interview in seinem neu eingerichteten Arbeitszimmer auf dem Dachboden hoch über der Düsseldorfer Innenstadt eingefunden hat (die Wohnung, die er eine Etage tiefer mit seiner Freundin teilt, hatte er am Ende einfach zu vollgerümpelt). „Der Text handelt eigentlich davon, wie die Menschen nach dem Krieg aus ihren Bunkern kommen und noch mitten im warmen Schutt der Zerstörung alles hinter sich lassen und wieder aufeinander zugehen. Doch es ist naheliegend, ihn jetzt vor allem in Bezug auf die Pandemie zu sehen. Ich glaube nämlich wirklich, dass alles wieder okay wird.“

Sammys Szenario: „Die erste Zeit nach Corona wird episch. Wir werden uns in den Armen liegen und ganz viel gemeinsam erleben. Danach wird sich das Hochgefühl langsam wieder ausschleichen, und wir werden die Menschen sein, die wir immer waren.“ Im Guten wie im Schlechten.

Musikalisch klingen die Broilers so wuchtig, vielschichtig und prall wie eh und je

Die Broilers sind und bleiben auch auf „Puro Amor“ eine politische Band mit klarster Kante gegen rechts, wenngleich dieses Mal auf verspieltere Weise und teilweise eher zwischen den Zeilen. Immer wieder geht es, etwa in „Gib das Schiff nicht auf!“ oder in „Porta MIseria“ um Zusammenhalt und Solidarität, um das Festhalten an einem europäischen Wertekodex, um die Selbstverständlichkeit, dass man Menschen in Not, auf See oder sonst wo, hilft und nach Möglichkeit rettet. „Ich kann meine politischen Empfindungen nicht von meiner übrigen Gefühlswelt abspalten“, so Sammy Amara, der mit „Alice und Sarah“ zudem ein herrlich nickeliges, die Lebenswidersprüche entlarvendes, Lied über die Führungspersönlichkeit einer rechtsextremistischen deutschen Partei (und deren Lebensgefährtin) geschrieben hat.

Das Zwischenmenschliche in all seinen Schattierungen ist ohnehin so etwas wie der ungeplante rote Faden auf „Puro Amor“, das fängt ja schon beim Titel an. Musikalisch klingen die Broilers so wuchtig, vielschichtig und prall wie eh und je, die Bläser sorgen für beste Laune und einen Sound, der ganz schön nah am Soul ist. Und auch inhaltlich dominiert – selbst in dem bittersüß-schmerzhaften, vom Tod zweier enger Freunde von Sammy inspiriertem, Trauersong „An allen anderen Tagen nicht (Lebe, du stirbst!)“ - das Positive und Lebensbejubelnde.

Keine Frage: Die Broilers, schon 1992 gegründet, haben immer noch richtig Bock. „Als Jugendlicher hätte ich nicht gedacht, mit Anfang 40 so ein geiles Leben und so einen lustigen Beruf zu haben“, sagt Sammy, Sohn einer Deutschen und eines Augenarztes aus dem Irak. Sehr stolz seien die Eltern auf ihn, und auch seine Tätowierungen hätten sie längst akzeptiert. „Mein Papa sagt, das ist halt meine Berufsbekleidung.“