Essen. Die Zeit als Teenie-Idol haben Spuren hinterlassen, deshalb ging Michael Patrick Kelly ins Kloster – bis er die Liebe zur Musik wiederentdeckte.

Kinder-Star, Teenie-Idol, Mönch, Jury-Mitglied – Michael Patrick Kelly hatte schon viele Rollen inne. Aber am besten steht ihm die des Sängers und Liedermachers, schließlich hat sich das drittjüngste Mitglied der Kelly-Family mittlerweile als erfolgreicher Solokünstler etabliert. Mit seinem aktuellen Album „B•O•A•T•S“ füllt der 44-Jährige die Arenen des Landes, seine Singles wie „Beautiful Madness“ oder „Blurry Eyes“ landen zuverlässig in den Charts. Mit Maxi Strauch sprach der Ire über Freundschaft, seine Kindheit und den Weg zurück zum Erfolg.

Sie haben gerade eine gemeinsame Single mit Rea Garvey rausgebracht: „Best Bad Friend“. Was ist denn ein „Best Bad Friend“?

Das ist die Person in deinem Kontakt-Verzeichnis, die man anruft, wenn man in Schwierigkeiten steckt. Das kann alles Mögliche sein: Man hat einen Platten oder ist vielleicht verhaftet worden, oder man hat Geldnot oder ist total betrunken mitten in der Nacht. Das ist jemand, der für einen da ist, wenn man sich in einer „bad” Situation befindet.

Wie haben Sie und Rea sich denn angefreundet?

Rea hat den ersten Schritt gemacht und mich vor drei oder vier Jahren angerufen und mir das Signal gegeben: „Hey, ich habe Lust mit dir Musik zu machen.“ Terminlich hat es aber nicht immer so einfach geklappt. Letztes Jahr hat er mich dann zu seiner YouTube-Show „Yellowjacket“-Session eingeladen. Da haben wir uns super verstanden, das war so als würde man sich seit Jugendtagen kennen. Wir haben so viele Parallelen: Wir sind Iren, kommen beide aus Großfamilien, waren beide in erfolgreichen Bands und haben uns dann als Soloartist emanzipiert.

Im Video zur Single nehmen Sie sich aber auch ganz schön auf den Arm …

Rapper dissen sich oft in ihren eigenen Songs gegenseitig und wir dissen uns in einem gemeinsamen Song (lacht). Es gibt in den Strophen Duell-Momente und im Chorus Duett-Momente. Uns war es einfach wichtig, einen Song zu veröffentlichen, in dem Freundschaft und Zusammenhalt gefeiert werden, und wo auch Humor eine Rolle spielt. In der aktuellen Zeit tut das ganz gut, weil alles so ernst, so beängstigend und deprimierend ist. Mal was Positives und Lustiges zu machen, war uns wichtig, damit wir das Lachen nicht verlieren.

Sind Sie denn ein guter Freund?

Ich bin in den kleinen Dingen des Lebens kein guter Freund. Ich vergesse ganz oft Geburtstage und ich bin auch oft unpünktlich. Aber wenn jemand wirklich in Not ist und Hilfe braucht, dann bin ich da. Dann bin ich häufig die Person, die angerufen wird.

Sie waren als Kind und Jugendlicher ständig auf Tour. Hatten Sie überhaupt Zeit für Freunde?

Eigentlich nicht, nein. Es wurden bis zu 200 Konzerte im Jahr gegeben, man war ständig auf Reisen, in TV-Shows oder im Tonstudio. Freunde waren eher Menschen, mit denen man arbeitsbedingt zu tun hatte – z.b. die Bodyguards. Es gab einfach keine Zeit, mit Leuten abzuhängen. Ich bin ja auch nicht zur Schule gegangen, deswegen habe ich keine Freunde aus Schultagen. Meine ersten Freundschaften sind mit Anfang 20 entstanden.

Immer wieder ein neues Zuhause haben – wie war das für Sie?

Es war größtenteils positiv und ein Abenteuer, aber natürlich gab es auch Schattenseiten. Als Teenager auf der Bühne zu stehen und von Tausenden anderen Teenagern angekreischt zu werden – das war schon crazy.

Sie waren sehr jung und es wurde nicht nur positiv über ihre Familie berichtet. Wie sind Sie damit umgegangen?

Der Vorteil war, dass man in diesem familiären Umfeld relativ geschützt war. Mein Vater hat mir verboten, Autogramme zu geben, bis ich 16 oder 18 war. Er wollte nicht, dass mir der Erfolg zu Kopf steigt. Ich durfte auch kaum Interviews geben. Wir waren wie eine Gang, die sehr stark zusammenhielt. So konnte man diese Erwartungen und diesen Druck auf eine ganze Gruppe ausbreiten.

Und Ihre Eltern?

Mein Vater und meine Mutter hatten diesen Traum, als Familie Menschen mit Musik happy zu machen und rumzureisen, einen Hippie-Lifestyle zu führen. Mein Vater hat konservative Werte mit liberalen Ideen kombiniert, das war ein spannender Cocktail. Und so aufzuwachsen, fand ich schon geil. Wir haben auf einem Hausboot gelebt, im Doppeldeckerbus, später dann noch auf einem Schloss.

Sie haben der Musik dann aber doch den Rücken gekehrt …

Mit Anfang 20 hatte ich eine Krise und musste das alles irgendwie sortieren und mich selbst finden. Das hat dann nach einer Psychotherapie und durch mein Interesse für Spiritualität und Religion dazu geführt, dass ich ins Kloster gegangen bin. Ich brauchte einen Neustart. Als junger Mann, der schon so viel erlebt hatte, wollte ich mal selber die Dinge in die Hand nehmen und entscheiden.

Es waren sechs Jahre – dann haben Sie sich doch wieder für die Musik entschieden. Warum?

Da hat mein Körper ziemlich klar zu mir gesprochen. In den letzten zwei Jahren in der Klosterzeit bin ich immer öfter krank geworden. Erst war es eine Erkältung, dann eine Grippe, dann chronische Erschöpfung. Einer der älteren Mönche hat dann zu mir gesagt: „In der Regel spricht Gott über die Realität und die Realität ist, dass dein Körper hier nicht mitmacht. Also schnapp‘ dir ein schönes Mädchen, mach‘ Musik und gehe mit Gott“ – ganz kurzgefasst.

Das haben Sie dann auch gemacht. Und Sie konnten an alte Erfolge anknüpfen …

Ich musste schon von null wieder anfangen und habe zum Einstieg vor 300 Menschen Konzerte gegeben. Als Soloartist war ich noch nicht etabliert. Erfolg ist meistens mit harter Arbeit verknüpft. Über zwei, drei Jahre, als ich dann anfing neue Musik zu veröffentlichen, kam das ganz gut an, aber es war nicht sofort der Riesenerfolg. Ich bin sehr dankbar, dass die Leute meine neue Musik so feiern. Ich kriege immer Gänsehaut, wenn ich bei Konzerten merke, dass die Leute nicht nur den Refrain, sondern auch die Strophen der Songs auswendig kennen. Dann weiß man, dass sie die Lieder wirklich schon etliche Male gehört haben.

Sie haben ein sehr schönes Ritual in Ihren Konzerten: die Friedensglocke. Was hat es damit auf sich?

Bei all meinen Konzerten gibt es eine Schweigeminute für den Frieden. Das wird auch im September bei der Tour so sein. Und diese Schweigeminute wird durch das Läuten einer „PeaceBell“ eingeleitet. Für die Tour, bei der wir in großen Arenen spielen, bin ich gerade dabei, eine 840 kg schwere Glocke aus Kriegsschrott zu schmieden. Die Geschichte ist die: Im ersten und zweiten Weltkrieg wurden über 150.000 Kirchenglocken beschlagnahmt, um Waffen daraus herzustellen. Und ich habe diesen Prozess umgekehrt und eine PeaceBell aus alten Waffen und Granathülsen geschmiedet.

An Material mangelt es traurigerweise nicht …

Vor ein paar Tagen waren Freunde von mir in der Ukraine. Sie haben Trucks voller Nahrungsmittel, Kleidung, Medizin zu den Menschen gebracht. Und auf dem Rückweg haben sie mir Kriegsschrott aus Kiew und Butscha mitgebracht und das wollen wir jetzt im Sommer in der Gießerei einschmelzen lassen. Und damit wird im September diese Friedensminute eingeläutet.

Bekommt das in diesen Tagen noch mehr Bedeutung für Sie?

Als ich vor drei oder vier Jahren mit diesem Projekt gestartet bin, fanden das viele zwar toll, aber dachten auch: Ja, okay, Künstler halt. Aber ich glaube, wir merken gerade alle, wie unsicher unsere vermeintliche Sicherheit ist und wie sehr alle diesen Wunsch nach Frieden haben. Da tut dieses Stillsein, Innehalten einfach gut. Manchmal merkt man, wie viel Unruhe in einem selber ist. Und da mal anzufangen ist nicht verkehrt, in der Arbeit, in der Familie, in den Beziehungen …

Oder eben im Konzert?

Ja, in meinen Konzerten gibt’s alles – von der Schweigeminute bis hin zu Hard Rock mit verzerrten E-Gitarren und lauten Drums. Ich werde im September natürlich auch viele Songs aus meinem Album B•O•A•T•S singen. Aber auch die Hits, die die Leute gerne hören wollen.

Singen Sie noch „An Angel“?

So weit zurück gehe ich dann auch nicht (lacht). Manchmal gibt es noch so Wünsche. Wenn, ist es eher spontan, aber die ganz alten Sachen sind nicht Teil des Programms. Manchmal habe ich dann doch Spaß daran, alte Nummern rauszuholen. Mal sehen …

Michael Patrick Kelly – Boats-Tour, 17.9. Oberhausen (Rudolf Weber-Arena), 18.9. Köln (Lanxess), 4.2. Dortmund (Westfalenhalle). Karten: ab ca. 52 € gibt’s hier.