Essen. Am Samstag ist wieder Record Store Day, auch der Rock Store in Essen macht mit. Diesmal im Angebot: Cindy & Bert in ihrer Heavy-Metal-Phase.

Jürgen Krause hat die Ruhe weg. Wenn ein Kunde Platten auf seine Theke legt, schreibt er erstmal jeden Titel auf seinen Rechnungsblock und addiert die Preise per Taschenrechner. EAN-Codes? Scanner? Braucht man im Rock Store in Essen-Steele nicht. Es geht wohl auch ohne, denn Krause betreibt sein Geschäft bereits seit 46 Jahren.

Plattenhändler seit 1976

Zwei Mal zog er um mit seinem Plattenladen, stets blieb er in Steele – und trotzte allen Aufs und Abs.. Die erste Krise? „Das war schon, als die CD-Rekorder aufkamen – noch bevor man mit dem PC brennen konnte“, erinnert sich der 67-Jährige. CDs wurden damals dann trotzdem noch gekauft – anders als Schallplatten, mit denen es in den 70ern im Rock Store mal losging.

Dass die gute alte LP inzwischen jedoch ein glanzvolles Comeback gefeiert hat, dürfte sich rumgesprochen haben – heute sagt man freilich „Vinyl“. Der Marktanteil des schwarzen Goldes wächst seit der Jahrtausendwende, weiß Jürgen Krause. „Die schwächste Vinylphase war so zwischen 1993 und 2000.“ Schallplatten gab’s trotzdem immer im Rock Store – und die Klientel dafür: „Ich hab Stammkunden, die all die Jahre nie was anderes als Vinyl gekauft haben“, so Krause, „die triumphieren jetzt natürlich.“

Spotify & Co. geben der CD den Rest

Denn die CD ist mittlerweile wohl besiegt, auch im Rock Store. Zwar gibt es dort noch CD-Regale, aber die Schallplatten bestimmen das Angebot – das war vor zwei, drei Jahren noch anders. Den Rest gaben der Silberscheibe Spotify & Co.: „Seitdem es die Streaming-Dienste gibt, kaufen meine Kunden kaum noch CDs“, erklärt der Rock-Store-Chef. „Unterwegs wird ge­streamt, und zu Hause legt man sich dann eine schöne LP auf.“

Mal reinhören? Geht natürlich im Rock Store.
Mal reinhören? Geht natürlich im Rock Store. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Und die holen sich viele Vinyl-Fans im Laden am Steeler Grendplatz – auch bei unserem Besuch am Samstag vor Ostern. Die meisten kennt Jürgen Krause persönlich – „Hi Tobias“, „Hallo Dirk“, „Michael, alles gut bei dir ...?“ Man duzt sich im Rock Store, logisch. Und vertraut dem Fachmann hinter der Theke: „Die neue Black Keys, tolle Platte – hast du noch nicht ...?“ Schnell ist der Kunde überzeugt und Jürgen Krause notiert auch diesen Titel auf seinem Rechnungsblock.

Viele der Kunden (Frauen sind in zwei Stunden nicht darunter) sagen beim Gehen: „Bis nächsten Samstag.“ Dann steht nämlich der „Record Store Day“ an. „Plattenladentag“ ist hier zwar eigentlich immer, doch an diesem erwartet die Kunden ein besonderes Angebot.

Exklusive Veröffentlichungen

Der „Record Store Day“ (kurz: RSD) wurde 2007 in den USA aus der Taufe gehoben, für die unabhängigen Plattenhändler jenseits großer Ketten. Ein Jahr später machten auch deutsche Läden mit und verkauften am RSD exklusive Veröffentlichungen. Das funktioniert bis heute. Beleg dafür sind die Schlangen, die sich am RSD regelmäßig auch vor dem Rock Store bilden.

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Jürgen Krause war vom RSD sofort begeistert: „Ich stehe total hinter der Idee. Das kam ja in einer Zeit, als die großen Ketten von den Labels exklusive Sonderauflagen bekommen haben und der Fachhändler, der sich für die Branche immer den A… aufgerissen hat, auf der Strecke blieb.“ Die „Record Store Day“-Veröffentlichungen bekommen die Kunden dagegen nur in den teilnehmenden Läden. Naja, fast. Was am RSD übrig bleibt – und nur das – dürfen die Händler anschließend auch in ihren Online-Shops verkaufen. So die Regelung – und an die hält sich nur fast jeder.

Schwarz Schafe beim Record Store Day

„Natürlich gibt’s schwarze Schafe“, weiß Jan Köpke, Koordinator des RSD in Deutschland. „Letztes Jahr haben sich zwei Händler einige der limitierten Bee-Gees-Tribute­alben der Foo Fighters zur Seite gelegt, um sie für einen frechen Betrag bei Discogs oder Ebay zu verkloppen. Wenn wir auf so ein grobes Fehlverhalten hingewiesen werden, greifen wir natürlich ein.“

Das „Dee Gees“-Album der Dave-Grohl-Truppe zählte 2021 zu den gesuchtesten RSD-Releases. Rund 400 sollen in diesem Jahr die Kunden in die Läden locken. Die Liste auf www.recordstoredaygermany.de reicht von einer Ace-of-Base-LP bis zum Live-Album von ZZ Top.

RSD-Highlights 2022: Pete Townshend’s Deep End, Art Pepper – und Stars der 80er

Das Doppelalbum „Face The Face“ von Pete Townshends Supergroup Deep End auf gelbem Vinyl und die Jazz-Scheibe „Art Pepper meets the Rhythm Section“ zählen für Jürgen Krause zu den Top-Favoriten des RSD 2022. Aber auch Platten von Ultravox und Frankie Goes To Hollywood interessieren seine Kundschaft. „Die 80er sind angesagt. Man merkt, dass die Generation der 50- bis 60-Jährigen die Musik kauft, mit der sie aufgewachsen ist.“

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Cindy & Bert singen Black Sabbath

Die skurrilste RSD-Platte kommt in diesem Jahr von Cindy & Bert – tatsächlich. Das Schlagerduo coverte vor 50 Jahren den Black-Sabbath-Klassiker „Paranoid“, und zwar auf Deutsch. Ihren Party-Geheimtipp „Der Hund von Baskerville“ legt ein deutsches Label nun nochmal als Single auf – in einer Auflage von nur 1000 Stück.

Im letzten Jahr wurde der RSD coronabedingt entzerrt und fand an vier Tagen statt. Dieses Jahr sollte es wieder nur einer sein. Zum offiziellen RSD an diesem Samstag gibt’s aber einen Nachschlag am 18.6. Grund ist nicht Corona, sondern der aktuelle Vinylboom. Jan Köpke: „Die Presswerke sind überlastet, deswegen wurden einfach nicht alle Platten zum 23.4. fertig.“

Hinter der Rock-Store-Theke, so lange Keith Richards auf der Bühne steht

Ob irgendwann auch wieder die CD ein Comeback feiert? Gut möglich – schließlich soll die ja nicht knistern. Dauert aber sicher noch etwas. Ob auch Jürgen Krause im Rock Store dann wieder umräumen muss, hängt von einem prominenten Rolling Stone ab: „Wenn die Kunden fragen, wie lange ich den Job noch machen will, sage ich immer, so lange, wie Keith Richards auf der Bühne noch seine Klampfe halten kann“, sagt der 67-Jährige schmunzelnd. Und dann zückt er wieder den Rechnungsblock, um die nächsten Titel zu addieren.

>>> RSD trifft Rock Store – die Infos:

Termin: 23.4. (weiterer „RSD-Drop“: 18.6.). Infos zu den RSD-Veröffentlichungen sowie alle teilnehmenden Läden auf: recordstoredaygermany.de Rock Store, Grendplatz 7, Essen. Öffnungszeiten am RSD: 10-17 Uhr. Info: rockstore-essen.de