Dortmund. Ein vierköpfiges Team aus Kultur und Kunst trifft sich regelmäßig zum „Dortmunder Comic-Streit“. Die Diskussionen sind jederzeit online abrufbar.

Ende Oktober war es mal wieder soweit: Ein neuer „Asterix“-Band von Didier Conrad und Jean-Yves Ferri kam auf den Markt. Die frische Ausgabe rund um den Kult-Gallier schaute sich Alexander Braun, Kurator des Dortmunder „Schauraum: Comic + Cartoon“-Museums, natürlich ganz genau an: „Das Artwork ist hervorragend gelungen, inhaltlich ist es besser als das, was Uderzo (Albert, der erste Asterix-Zeichner und Co-Autor; d. Red.) zuletzt von sich gab.“

Zustimmendes Nicken in der Runde. Gemeinsam mit drei weiteren in Dortmund tätigen Kolleginnen und Kollegen vom Fach bewertet Braun seit dem Debüt im November 2019 regelmäßig Comicbücher im Rahmen des „Dortmunder Comic-Streits“. Wie beim legendären „Literarischen Quartett“ gibt es hier konstruktive und meinungsfreudige Diskussionen – nur eben über Bilderzählungen statt Romane und ohne Marcel Reich-Ranicki und dessen berühmt-berüchtigte Polemik.

Beim „Dortmunder Comic-Streit“ gibt es bis zu 40 Punkte zu holen

Wobei Sophia Paplowski von der Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek entgegenhält: „Wir haben keine Vorbilder. Die Idee ist bei uns vieren gemeinsamen entstanden, das Konzept haben wir so ausgestaltet, wie wir wollten. Nur den Namen habe ich ein wenig vom Dortmunder Bücherstreit entliehen.“ Nassrin Sadeghi vom Museum für Kunst und Kulturgeschichte sowie Stefan Mühlhofer, Direktor der städtischen Kulturbetriebe, komplettieren die Runde.

Die Werke werden von allen Beteiligten auf einer Punkteskala von eins bis zehn (Höchstwertung) eingeordnet. Pro Folge bespricht das Quartett innerhalb von gut zwei Stunden acht Neuveröffentlichungen und zeigt Ausschnitte aus allen Comics. Vorgestellt werden aktuelle Titel.

Manchmal vor Publikum, manchmal im Home Office

Je nach pandemischer Lage findet die Veranstaltung mit Publikumspräsenz oder als aufgezeichnete Online-Variante statt, aktuell trifft sich das Quartett dementsprechend nur im Rahmen von Videokonferenzen. Sophia Paplowski ist beides recht: „Die Varianten haben Vor- und Nachteile. Zuhause hat man eben seine Spickzettel und kann noch mal schnell etwas nachschlagen. Vor Publikum ist es aber persönlicher, man kann aus den Gesichtern ablesen, ob das, was wir vorstellen, ankommt und unterhaltsam ist.“ Fragen stellt das Publikum grundsätzlich aber erst nach dem Ende der Diskussion. Die Folgen drei bis neun stehen im Internet auf Abruf bereit (siehe Info unten), die beiden ersten Comic-Streits wurden noch nicht aufgezeichnet.

Vier Plätze, vier Mikros, im Hintergrund gibt’s Ausschnitte für interessierte Zuschauer: So sieht ein Comic-Streit vor Publikum aus.
Vier Plätze, vier Mikros, im Hintergrund gibt’s Ausschnitte für interessierte Zuschauer: So sieht ein Comic-Streit vor Publikum aus. © Sophia Paplowski | Dr. Jens Stöcker

Zurück zum Gallier: Vollends begeistert war Comic-Experte Braun von „Asterix und der Greif“ dann doch nicht, was gerade am Text von Jean-Yves Ferri liegt: „René Goscinny (erster „Asterix“-Texter; d. Red.) kann scheinbar niemand das Wasser reichen. Seine Texte waren so süffig – und Goscinny hatte viele Beilagen in seiner Suppe.“ Überwiegende Zustimmung in der Gruppe: Ein gutes, aber nicht überragendes Werk, das insgesamt 26 von 40 möglichen Punkten erreicht. Was genau einen guten Comic ausmacht, darüber ist sich das Experten-Quartett nicht einig: „Das hängt von der Person ab. Manche legen mehr Wert auf die Zeichnungen, andere mehr auf die Geschichte“, erklärt Sophia Paplowski.

Kontroverser Meinungsaustausch

Demzufolge gibt es immer wieder Fälle, bei denen die Meinungen komplett auseinander gehen. Bei der Besprechung von „Sweet Tooth“ von Jeff Lemire, eine vor kurzem für Netflix verfilmte Apokalypse-Dystopie, findet Alexander Braun dann doch seinen inneren Reich-Ranicki: „Landschaften kann er nicht zeichnen, er macht da irgendwelche Tuschestriche, die so aussehen sollen wie ein Zaun aus Bäumen. Es tat mir weh, meine Augen haben getränt, ich brauchte Tropfen. Ich bin entsetzt von den Zeichnungen, es hat mir körperliche Beschwerden bereitet, das lesen zu müssen.“

Sophia Paplowski hält dagegen: „Mich hat der Zeichenstil nicht gestört, der passt einfach zur Story.“ Die überzeugte sie sehr, verständnisloses Kopfschütteln ist die Folge bei Braun: „Comics bestehen doch aus Wort und Bild. Und Bild scheint einigen völlig egal zu sein.“ Das Resultat: Wertungen zwischen eins und acht Punkten, eher unterdurchschnittliche 18 Zähler sammelt „Sweet Tooth“. Der „Dortmunder Comic-Streit“ trägt seinen Namen eben mit Recht.

>>>INFO: Der „Dortmunder Comic-Streit“

Die aktuelle Folge sowie weitere ältere Comic-Streits stehen im Vimeo-Portal des Sponsors Dortmunder Stadtwerke kostenlos auf Abruf bereit: vimeo.com/einundzwanzig.

Über die kommenden Ausgaben informiert der „Schauraum“ auf seiner Facebook-Seite: www.facebook.com/schauraumcomiccartoon. Der 10. Dortmunder Comic-Streit ist für das Frühjahr geplant.