Essen. Bonnie Tyler präsentiert sich auf ihrem neuen Album „The Best Is Yet To Come“ musikalisch wie in ihrem erfolgreichsten Jahrzehnt.

Wenn in einer Musikrezension der Begriff „Reibeisenstimme“ fällt, ist entweder von Rod Stewart oder Bonnie Tyler die Rede. Die beiden Briten sind gewissermaßen Herr und Frau Reibeisen der Rockwelt – und ihr Duett „Battle Of The Sexes“ vor zwei Jahren deshalb unausweichlich. Nun geht Bonnie Tyler aber wieder alleine an den Start – mit gewohnter blonder Mähne und natürlich ihrer einzigartigen Reibeisenstimme.
Am vergangenen Freitag erschien das neue Album der Waliserin, und damit – coronabedingt – fast ein Jahr später als geplant. „Das Beste kommt erst noch“ („The Best Is Yet To Come“) lautet der Titel, und man darf vermuten, er ist ein bisschen augenzwinkernd gemeint – zumindest wenn man ihn auf Bonnie Tylers musikalisches Schaffen bezieht. Denn dass es nach Hits wie „Total Eclipse Of The Heart“ und „Holding Out For A Hero“, die sich millionenfach verkauften wurden, noch besser gehen soll, mutet schwierig an.
Zumindest geht es musikalisch zurück in jene so erfolgreiche Ära, wie der erste Blick auf das CD-Cover verrät– in seiner pastellfarbenen 80er-Jahre-Glorie hätte es wahrhaftig eine große LP-Plattenhülle verdient. Noch authentischer wäre die Coverkunst nur ausgefallen, wenn sich Bonnie Tyler für die Porträtsitzung ihr blondes Haar zur patentierten Powerfrise wie anno 1983 auftoupiert hätte.

Meat Loaf verschenkte einen Hit

Genau in jenem Jahr war es nämlich, als das Management von Meat Loaf geizte, Songwriter Jim Steinmans neueste Komposition für ihren Star entsprechend zu honorieren. So bot Steinman „Total Eclipse Of The Heart“ stattdessen Bonnie Tyler an, die damit den größten ihrer Hit ihrer Karriere hatte.
Wahrlich nicht den einzigen, denn letztere begann schon in den 70ern mit „Lost In France“ und „It’s A Heartache“ hoch oben in den Charts. Dann blieben ein paar Jahre lang die großen Hits aus, so dass der Erfolg von „Total Eclipse Of The Heart“ für die damals 31-Jährige schon ein Comeback war. Und was für eines: Bis heute verkaufte sich die Power-Ballade weltweit über neun Millionen Mal und stand auch in den USA auf Platz eins. Ein weiterer 80er-Jahre-Klassiker gelang Bonnie Tyler ein Jahr später mit „Holding Out For Hero“, damals Teil des Soundtracks zum Tanzfilm „Footloose“.
Anfang der 90er Jahre nahm sich dann Poptitan Dieter Bohlen den künstlerischen Geschicken der ­Pathos-Queen an – unter dem Pseudonym Howard Houston und mit solidem Erfolg. Vergessen war Bonnie Tyler angesichts ihrer Evergreens im Radio auch danach nie, aber ab Mitte der 00er-Jahre wurden neue Veröffentlichungen zur Seltenheit.
Inzwischen geht die Softrock-Ikone aus Wales stramm auf die 70 zu (ihr Geburtstag ist am 8. Juni), aber ihre Stimme hat an Ausdruckskraft nichts verloren. Das bewies sie vor zwei Jahren auf ihrem Duett-Album „Between The Earth And The Stars”, nun tut sie es erneut.

Bonnie Tylers Refrains mit Ohrwurmpotenzial

Wer seine Bonnie am liebsten so hat wie zu ihrer größten Zeit, dem dürften sich bei „The Best Is Yet To Come“ gefühlt die Schultern auspolstern. Gleich mit dem Titelsong zum Auftakt prescht der Retrozug kraftvoll zurück in die 80er. Synthiefanfaren, sanfte Rockgitarren und ein Ohrwurm-Refrain prädestinieren den Song für die Playlist zur nächsten 80er-Party. Die Elemente sind bekannt, aber stimmig neu zusammengesetzt.
Gleich fünf Songs, darunter die Vorabsingle „When The Lights Go Down“ hat sich Tyler von Songwriter Steve Womack aufs Reibeisenorgan maßschneidern lassen. „Steve schreibt die besten Refrains, sie sind einfach ansteckend. Man kann nicht anders als mitsingen,“ lobte Tyler den Komponisten im Interview mit dem britischen „Rock Cella Magazine“.
Auch Desmond Child – immerhin für Bon Jovis „Livin’ On A Prayer“ und „I Was Made For Lovin’ You“ von KISS verantwortlich – bat Sängerin um einen Song. Nur wenige Tage nach ihrem Anruf war er fertig – und mit „Stronger Than A Man“ lieferte der Profi den nächsten perfekten Neo-80er-Hit. Dass ihr Album retro klingt, ficht die Grade Dame des Pop dabei nicht an: „Mir egal, dass es zurück in die 80er geht – die Songs sind einfach gut.“
Und zumindest mit der Wahl der beiden Coversongs auf „The Best Is Yet To Come“ bedient sich Bonnie Tyler in anderen Dekaden. Mit Donovans „Catch The Wind“ und „I’m Not In Love“ von 10cc legt sie sich zwei Klassiker aus den 60er- bzw. 70er-Jahren auf die Stimmreibe.

Info:

Termine: 17.2.22 Düsseldorf (Mitsubishi Electric Halle), 29.3.22 Frankfurt (Alte Oper), 30.3.22 Bochum (RuhrCongress).
Karten ab ca. 56 € gibt’s unter es auf www.ruhrticket.de.