200 Millionen verkaufte Tonträger, Welthits, Mega-Konzerte: Sir Rod Stewart ist an seinem 75. Geburtstag stolz – auch auf seine Modelleisenbahn.

Er ist endlich am Ziel. Nach 23 Jahren Bauzeit hat Rod Stewart das große Projekt seines Lebensherbstes vollendet: Die Eisenbahn ist fertig. In der Dezemberausgabe des britischen Fachmagazins „Railway Modeller“ präsentiert Stewart megastolz sein Werk. Auf dem Dachboden seiner Villa in Beverly Hills baute der Sänger offenbar in jeder Minute, die nicht durch Arbeit, seine Familie oder Fußballgucken belegt war, an seiner monumentalen Anlage, die auf dem Philadelphia der 1940er-Jahre basiert und neben Gleisen und Zügen auch noch jede Menge an Wolkenkratzern und weiteren Gebäuden zu bieten hat. „Ich habe auf jedes kleinste Detail geachtet“, verrät Baumeister Rod dem Magazin. „In den Straßen liegt Müll, die Fenster sind dreckig, alles ist so wie im richtigen Leben.“ Ein paar Freunde hätten ihm geholfen, die eher am „Fortnite“-Zocken interessierten jüngsten Söhne Alastair (14) und Aiden (8) wären nur mäßig interessiert gewesen, „das meiste habe ich jedenfalls tatsächlich selber gebaut.“

Rod Stewart mit seiner Frau Penny Lancaster auf dem Gelände des Buckinghampalasts, nachdem er zum Ritter geschlagen wurde.
Rod Stewart mit seiner Frau Penny Lancaster auf dem Gelände des Buckinghampalasts, nachdem er zum Ritter geschlagen wurde. © dpa | Gareth Fuller

Aufgewachsen als mit Abstand jüngstes von fünf Kindern eines Schotten und einer Engländerin im Nord-Londoner Viertel Highgate, habe er direkt neben den Gleisen gewohnt. Und als er acht war, drückte er sich im Familienurlaub an der südenglischen Küste die Nase am Schaufenster eines Modelleisenbahnladens platt. „Ich dachte, wie schön es wohl wäre, für den Bau einer solchen Bahn bezahlt werden zu können.“ Sein Geld verdiente Stewart bald auf andere Weise, der Modellbau blieb zeitlebens seine Leidenschaft. Auf Tourneen habe er während besonders intensiver Bauphasen mitunter gleich zwei Hotelzimmer gemietet, um an seinen aufwendigen Hochhäusern weiterbauen zu können. „Ich habe das Projekt aber nicht an die große Glocke gehängt, weil ich weiß, dass sich die Medien gern über solche Sachen lustig machen.“

Stewart: „Musiker dürfen bei der Arbeit saufen, Fußballer nicht. Also sattelte ich um.“

Dabei war der Modellbau nicht einmal das erste Hobby des Roderick David Stewart, der am 10. Januar 1945 in eine Familie von Fußballfanatikern hineingeboren wurde und nach eigenem Bekunden eine „superglückliche Kindheit“ verbrachte. „Meine Eltern betrieben einen Zeitungsladen. Sie waren nicht reich, und sie waren nicht arm. Wir waren ganz normale Leute.“ In der Schule glänzte der kleine Rod nicht wirklich, seine Leistungen waren allenfalls Durchschnitt, mit 15 schon beendete er das Abenteuer nach den neunten Klasse. Das Leben rief. Und zu jener Zeit ganz besonders der Fußball. „Mein Vater war Spieler und später Trainer von Amateur-Mannschaften. Ich erwies mich als der talentierteste Fußballer unserer Familie.“ Rod kickte, sobald es ihm seine seltsamen Jugendjobs – Zaunbauer, Schildermaler, Hilfskraft in einer Bestattungshalle – zeitlich gestatteten.

Im Sommer 1960 lud ihn der Drittligist Brentford F.C. zum Probetraining ein, der 15-jährige Stewart fiel jedoch durch. Das war es mit seinen Profi-Ambitionen. „Ich habe mir dann gedacht, dass so ein Leben als Musiker sowieso viel einfacher ist als das eines Sportlers. Denn Musiker dürfen bei der Arbeit saufen, Fußballer nicht. Also sattelte ich um und konzentrierte mich auf das zweite Talent, das ich hatte.“

Knapp 200 Millionen Tonträger soll Rod Stewart bis heute verkauft haben

Die Entscheidung erwies sich als goldrichtig. 60 Jahre später ist Rod Stewart, der nun seinen 75. Geburtstag feiert, nach wie vor einer berühmtesten, markantesten und auf lange Sicht erfolgreichsten Musiker der Welt. Knapp 200 Millionen Tonträger soll er bis heute verkauft, etwa ebenso viele Pfund Vermögen angesammelt haben. 1994 spielt er das größte Open-Air-Konzert der Menschheitsgeschichte, vor dreieinhalb Millionen Besuchern am Copacabana-Strand in Rio de Janeiro, und ganz aktuell ist er auch schon wieder weit oben. Mit „You’re In My Heart“, einem Album, auf dem viele seiner größten Hits vom Royal Philharmonic Orchestra zuckersüß veredelt wurden, war er in Großbritannien vor wenigen Wochen der älteste männliche Künstler aller Zeiten an der Spitze der Albumcharts, und zwar vor den gleichaltrigen Rockern von The Who, was ihn sehr amüsierte.

Und in näherer Zukunft plant er nicht nur, ein Country-Album aufzunehmen, sondern will auch wieder verstärkt neue Songs schreiben – schließlich hat er nach der langen Bauphase jetzt endlich wieder richtig Luft. Praktisch sein komplettes Erwachsenenleben hat Rod Stewart als Rockstar verbracht. Zerstört hat ihn der Ruhm nicht mal im Ansatz, ganz im Gegenteil: Kaum ein Superstar scheint so locker und vergänglich mit seinem Superstarsein umzugehen wie er.

„Ich bin ein ziemlich normaler Typ, der Riesenglück hatte und irre viel Geld verdient hat.“

Sicherlich: Ein Rod Stewart kann äußerst launisch und auch ziemlich zickig sein. Jeder Journalist, der schon einmal mit ihm zu schaffen hatte, weiß von erquicklichen und weniger erquicklichen Begegnungen zu berichten. Trotzdem: Im Grunde ist er ein patenter Kerl geblieben, eine Diva zwar, aber keine abgehobene oder unnahbare. Er behauptet: „Mich hat das Berühmtsein nicht groß verdorben, ich bin immer noch gar nicht so viel anders als früher. Meine Brüder und meine Schwester bringen mich immer wieder auf den Boden zurück, sobald ich ein wenig spinne. Aber sonst? Ich bin ein ziemlich normaler Typ, der Riesenglück hatte und irre viel Geld verdient hat. Und der nichts gemacht hätte, was jeder andere Junge in seiner Situation auch getan hätte.“

Auf dem Feld: Stewart bei einem Promi-Fußballspiel 1999  anlässlich der Eröffnung des Hampden Park Stadions in Glasgow.
Auf dem Feld: Stewart bei einem Promi-Fußballspiel 1999 anlässlich der Eröffnung des Hampden Park Stadions in Glasgow. © dpa | Ben Curtis

Man kennt Stewart tatsächlich in jedem Winkel der Welt, nicht zuletzt dank seiner legendären blonden Zottelstachelfrisur, die er seit „Rod the Mod“-Zeiten Mitte der Sechziger weitestgehend unverändert trägt, und mit der er von allen Seiten aus sogleich zu identifizieren ist. „Ich wasche die Haare meistens nur mit Wasser“, verrät er eines seiner Geheimnisse, das andere behält er für sich. „Natürlich kommt auch was rein in die Haare. Aber was, das verrate ich niemandem“ Die Pflege von Rods Matte ist also etwa so mythenumrankt wie das Geheimrezept von Coca-Cola.

Stewarts Stimme ist schlicht atemberaubend und bis heute bestens in Schuss

Chemisch überhaupt nicht zu erfassen ist freilich die Stimme dieses Mannes. Sie ist schlicht atemberaubend und einzigartig, bis heute dazu bestens in Schuss. Irgendwie denkt man an eine besonders sanfte Sorte Schmirgelpapier. Rod singt rau, aber auch mit einer warmen Klangfarbe. Man fühlt sich geborgen, wenn man ihn hört. Die ersten, die außerhalb seiner Familie in den Genuss dieses Ausnahmeorgans kamen, waren 1962 die Passanten am Leicester Square, auch damals, kurz bevor die Swinging Sixties so richtig losgingen, Londons führende Ausgehmeile. Rod hing hier gern ab, sang auf der Straße, spielte Mundharmonika, all das, weil es ihm Spaß machte und weil es ihm mit den Mädchen weiterhalf. Stewart war noch längst keine 18, da hatte er schon die Kunststudentin Susannah Boffey geschwängert. Tochter Sarah wurde zur Adoption freigegeben, heute hat Stewart zu der Mittfünfzigerin ein gutes Verhältnis – wie zu jedem seiner Kinder.

Selbst Problemsohn Sean (39, aus der Ehe mit Alana) habe sich nach querulantischen Drogen- und Flegeljahren längst gefangen. „Die Kids machen mich wirklich glücklich. Ich liebe jedes meiner Kinder sehr. Für jedes trage ich einen anderen Vater-Hut. Alle acht sind total unterschiedlich, was natürlich auch an den Müttern liegt.“ Insgesamt hat Rod Stewart acht Kinder von fünf Frauen, das älteste und das jüngste Kind trennen 48 Jahre. „Wenn du mit über 60 nochmal Vater wirst, dann ist das so, als bekämest du ein neues Leben geschenkt. Von einigen meiner älteren Kinder habe ich lange Zeit nicht viel gehabt, weil ich immer unterwegs war oder mich von ihren Müttern trennte. Heute hole ich vieles nach.“

Im Sommer 1964 unterschreibt Rod Stewart seinen ersten Solovertrag

Doch zunächst lässt der junge Rod sich im Stile eines Bohemians treiben, lebt in Paris und in Barcelona, begeistert sich für die Musik von Bob Dylan und bekommt schließlich einen festen Job an der Seite des Bluesmusikers Long John Baldry, unter dem Namen Steampacket tritt die Gruppe bald wöchentlich in Londons trendigem „Marquee Club“ auf. Stewart ist anfangs ganz schön schüchtern auf der Bühne, doch das legt sich bald.

Im Sommer 1964 unterschreibt er seinen ersten Solovertrag. Die Single mit dem schönen Titel „Good Morning Little Schoolgirl“ wird kein Hit, Stewart wird vom tyrannischen Gitarristen Jeff Beck für dessen Jeff Beck Group angeworben, zwei Jahre später folgt er seinem (bis heute) engen Freund Ron Wood zu der Rockband Faces, deren Sänger er wird. Stewart ist nun längst ein Star, sein erstes Soloalbum „Every Picture Tells A Story“ macht ihn dann jedoch so richtig groß, der Hit heißt „Maggie May“ und ist bis heute einer seiner populärsten Songs.

Mit „Sailing“ landet Rod Stewart 1975 auf dem ersten Platz der englischen Singlecharts

Stewart bleibt bis 1975 bei den Faces, nach seinem Ausstieg widmet er sich zu hundert Prozent der Sololaufbahn, zieht nach Los Angeles und landet mit „Sailing“ 1975 auf dem ersten Platz der englischen Singlecharts. Rod Stewart – zwischen Mitte der Siebziger und Ende der Neunziger nacheinander liiert mit Britt Ekland, Alana Stewart (seine erste Ehe), Kelly Emberg und Rachel Hunter (zweite Ehe) – gelingt musikalisch so gut wie alles. Den Disco-Boom übersteht er, immer schon flexibel in Genrefragen, indem er einfach auch Disco macht. Die größten Erfolge aus den späten Siebzigern heißen „Hot Legs“ und „Da Ya Think I’m Sexy?“ (beides keine erklärten Lieblingslieder von ihm selbst). Rod Stewart ist nun Sexsymbol und (wie er später auch in seiner Autobiographie „Rod“ einräumt) selten treu, „Baby Jane“ und „Some Guys Have All The Luck“ stechen aus dieser Playboy-Phase Mitte der Achtziger hervor.

Rod Stewart im Jahr 2006 bei
Rod Stewart im Jahr 2006 bei "Wetten, dass..?". © dpa | Jörg Carstensen

Rod Stewart ist nun Mitte 40, und die Karriere fängt an, in etwas gemächlicheren Bahnen zu verlaufen. Er ist immer irgendwie da, aber nur noch selten ganz oben. Sein letzter richtiger Hit ist 1990 das im Original von Tom Waits geraspelte „Downtown Train“, danach kommt noch „All For Love“ mit Sting und Bryan Adams sowie 1994 die Aufnahme in die „Rock and Roll Hall of Fame“. Kreativ hingegen trocknet er aus, bis Plattenfirmenmogul Clive Davis die rettende Idee hat: Rod Stewart erfindet sich ab 2002 als Sänger des „Great American Songbook“ mit Klassikern von Cole Porter oder George Gershwin noch einmal neu. Vor allem in den USA lieben sie diese Reihe, die am Ende aus fünf Alben besteht.

„Ich war immer super schlecht darin, eine Liebesbeziehung sauber und fair zu beenden“

Auch sein Privatleben strukturiert er nach der Trennung von Rachel Hunter noch einmal um. „Ich war immer super schlecht darin, eine Liebesbeziehung zu beenden, also sauber und fair zu beenden. Meine Vorgehensweise, wenn ich keine Lust mehr hatte, war nicht nett: Ich verwandelte mich in einen Geist, meldete mich nicht mehr und verschwand einfach. Das ist eine der Sachen in meinem Leben, die ich bereue. Mit Rachel ist es leider so gelaufen, und danach hatte ich überhaupt nicht geglaubt, mich wieder zu verlieben.“ Doch es kommt, wie es kommt. 1999 lernt Stewart Penny Lancaster kennen. Sie haben zwei Söhne, heiraten 2007 auf einer Yacht in Portofino und scheinen tatsächlich immer noch vollständig vernarrt ineinander zu sein.

„Insgesamt ist es so, dass ich auf meinem Lebensweg mit vielen schönen Frauen gesegnet war und bin. Penny jedoch führt die Rangliste in vielen Disziplinen an: Man kann wunderbar mit ihr reden, man kann mit ihr über sich selbst lachen, wir beide können das. Und Penny ist kein abgehobenes Mädel, sie ist sehr verbunden mit dem Weltgeschehen, sehr bodenständig. Nichts wird uns auseinanderbringen können.“ Eine phantastische Liebhaberin sei Penny noch dazu. „Allerdings werden in meinem Alter andere Dinge wichtiger als Sex.“

Dennoch ist Rod Stewart für sein Alter recht agil. 2000 erkrankte er an Schilddrüsenkrebs, 2017 an Prostatakrebs, beide Male bezwang er die Krankheit. Und Anfang 2020 bekommt er ein neues Knie, weil es mit dem alten einfach immer mühsamer werde. Und mit dem Alkohol habe er zwar nicht direkt ein Problem, er trinke ihn aber schon sehr regelmäßig und mitunter, vor allem früher, auch in Mengen. „Ich bin aber nie unter die Räder gekommen. Heute gucke ich abends meist die Fernsehnachrichten und trinke dabei zwei mittelkleine Gläser Weißwein. Um dann zu verarbeiten, was ich wieder Schlimmes gesehen habe, gönne ich mir danach noch ein großes Glas Rotwein.“ Aber von den harten Drogen, die viele seiner Alters- und Berufsgenossen verwüsteten und zum Teil auch umbrachten, hat er sich immer tunlichst ferngehalten. „Ich war Fußballer. Und Fußballer koksen nicht“.

Vor drei Jahren wurde Rod Stewart zum Ritter geschlagen – „richtig schön“

So hat sich Rod Stewart auch mit 75 etwas Schelmisches und Jungenhaftes behalten. Richtig alt kann dieser Mann wohl gar nicht werden, dafür ist er einfach zu verschmitzt. Aber als er vor drei Jahren im Buckingham Palast von Prinz William zum Ritter geschlagen wurde, war auch dieser stets leicht ironische Mann gerührt. „Schade, dass meine Eltern das nicht mehr erleben durften. Mein Leben hat sich dadurch nicht geändert – aber „Sir Rod“, also irgendwie finde ich das richtig schön.“