Essen. Die Sängerin lässt musikalisch von Franz Schubert und Annie Lennox inspirieren. Den Genre-Mix bringt sie via Livestream ins Wohnzimmer.
Für ihr aktuelles Album hatte sich Jasmin Tabatabai einen eher ungewöhnlichen Titel ausgesucht: „Jagd auf Rehe“, benannt nach einem persischen Volkslied. Ein trauriges, denn in „Shekare Ahoo“ – so der Original-Titel – geht es um das lyrische Ich, das durch den Blick eines Anderen oder einer Anderen so gekränkt wurde, dass es ins Gebirge zieht und auf Jagd gehen will. Der Sängerin, die in Teheran geboren wurde und dort auch aufgewachsen ist, bedeutet das Lied viel. Umso ärgerlicher, dass eine ausgedehnte Tour zum Album coronabedingt weiterhin auf sich warten lassen muss.
Jasmin Tabatabai in Dessau beim Kurt-Weill-Fest
Live kann man die 53-Jährige jetzt trotzdem erleben – online. Möglich macht’s das renommierte Kurt-Weill-Fest, das jährlich Anfang März in Dessau an gut zehn Tagen stattfindet. Weil das aber, wie so viele Events in diesem Jahr, keine Vor-Ort-Veranstaltungen anbieten kann, wurde das Kulturfest zu Ehren des Komponisten Kurt Weill vom 26.2. bis 2.3. ins Internet verlegt. Zumindest zum Teil. Die Veranstalter hoffen, den zweiten Teil der geplanten Inszenierungen im Sommer nachholen zu können.
Großer Vorteil der Digitalisierung: Für viele dürfte es das erste Mal sein, dass sie an dem Kulturfest teilhaben können, schließlich muss niemand erst dafür nach Sachsen-Anhalt reisen. Das Festival spielt sich in diesem Jahr ausnahmsweise via Livestream direkt in den eigenen vier Wänden ab. Fünf Konzerte gibt’s an fünf Tagen. Und Jasmin Tabatabai singt ihre neuesten Songs und Chansons am 28.2. beim virtuellen Happening.
Unterstützt wird die iranisch-deutsche Sängerin von ihrem langjährigen Begleiter, dem David Klein Quartett. Und so ungewöhnlich wie der Titel ihres aktuellen Albums ist dann auch die Songauswahl. Denn die Jazz-Echo-Gewinnerin kann nur ein Lied ihr eigenes nennen, bedient sich auf der dritten Kollaboration mit dem Schweizer Komponisten David Klein ansonsten bei berühmten Vorbildern. Angefangen bei Franz Schuberts „Ständchen“ über Reinhard Meys „Männer im Baumarkt“, Marlene Dietrichs „Mein Mann ist verhindert“, Nick Drakes „River Man“ bis hin zum Beatles-Hit „Hey Jude“ und Annie Lennox’ „Why“. Herzstück ist schließlich das titelgebende „Shekare Ahoo“.
Im Film "Bandits" hat Jasmin Tabatabai als Schauspielerin mitgewirkt
Mit dem selbst geschriebenem „Anymore“ über eine verloren gegangene Liebe steuert Tabatabai noch ein besonders melancholisches Stück bei. Und so vermischen sich nicht nur verschiedene Genre auf ihrer aktueller Platte, sondern auch Sprachen. Sie singt auf Deutsch, Englisch, Französisch und Persisch. Mit ihrer sanften, melodischen Stimme erschafft die Sängerin trotz ausschweifendem Genre-Mix Harmonie – Klassik, Chanson, Folk, Rock und Pop vereint im Jazz.
Viel Raum nehmen außerdem die Kompositionen von Chansonsängerin Hildegard Knef ein. Mit „Sei mal verliebt“, „Nichts haut mich um“ und „Lass mich bei dir sein“ huldigt sie der 2002 verstorbenen Ikone. Kein Wunder, hat Tabatabai doch so einiges gemeinsam mit der Knef.
Jasmin Tabatabai ist nicht nur erfolgreiche Sängerin, sondern eine ebenso bekannte Schauspielerin. Ihren Durchbruch feierte die Musikerin bereits 1997 mit dem Spielfilm „Bandits“, in dem sie die singende Ausbrecherin Luna mimte.
Den Spagat zwischen Musik und Schauspiel führt sie bis heute erfolgreich fort. Seit 2012 ist die Mimin als Kriminalhauptkommissarin Mina Amiri in „Letzte Spur Berlin“ zu sehen, blickt außerdem auf zahlreiche Spielfilm-Produktionen in den vergangenen Jahren zurück. Entscheiden muss sie sich nicht, schließlich widmet sie sich beidem augenscheinlich mit Passion. Vor allem die Musik lebt durch ihre ausdrucksstarken Auftritte.
Bis die wieder live und vor Publikum stattfinden können, wird es sicher noch einige Zeit dauern. Die Live-Übertragung im Rahmen des Kurt-Weill-Festes ist dabei zumindest ein kleines Trostpflaster. Im Anschluss geben Tabatabai und das David Klein Quartett noch ein Interview.
Weill & Tabatabai
Kurt-Weill-Fest: 26.2.-2.3., jeweils 19.30 Uhr, Konzerte stehen 24 Std. zur Verfügung. Mit dabei: Katharine Mehrling & Klaus Hoffmann (Fr), Frank Dupree & Simon Höfele (Sa), Frederike Haas & Ferdinand von Seebach (Mo), Vladimir Korneev & Band (Di). Infos www.kurt-weill-fest.de.
Jagd auf Rehe mit Jasmin Tabatabai & David Klein Quartett, 28.2., 19.30 Uhr. Zugänge ab 10 € auf www.ticketmaster.de.