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Irgendwann landen alle großen Sänger(innen) offenbar beim großen amerikanischen Songbook. Was das Arrangement angeht, schreiten sie dann meistens die große Showtreppe hinab, lassen sich von opulent besetzten Bigbands begleiten. Das machen manche gut, manche scheitern.

Annie Lennox, die inzwischen ebenfalls in den Lied-Klassikern der 1930er- bis 1960er-Jahre geschmökert hat, macht es auf ihrem sechsten Soloalbum „Nostalgia“ (Island Records) anders. Es ist keine reine Swing/Jazz-CD geworden. Diese Platte klingt deutlich mehr nach Pop. Ohne die Färbung beispielsweise durch alterierte Jazzakkorde, zudem häufig geradezu asketisch arrangiert.

Die an Weihnachten runde 60 Jahre alt werdende Sängerin, die besonders mit den „Eurythmics“ Millionenerfolge sammelte, wählte eine ganz eigene Herangehensweise: Sie suchte sich die zwölf Stücke aus, aber die großen, beispielgebenden Einspielungen der Vergangenheit studierte sie nicht. Lennox ließ lieber den Song auf sich wirken, und weil sie nun mal aus dem Pop-Fach kommt, bleibt auch die Interpretation oft auf dieser Schiene.

Sicherlich, es schimmern die Einflüsse von Gospel (großartig: „God Bless The Child“) oder bläsergestütztem New Orleans-Stil (Ellingtons „Mood Indigo“) durch. Aber eben stets sachte.

Lennox’ Stimme ist immer noch ein Erlebnis: zwar nicht mehr ganz so strahlend klar wie in den 1980er-Jahren, aber sie berührt. Und sie hat Kraft.

Die schönste Kostprobe ihrer Kunst gibt die androgyne Schottin beim Gershwin-Klassiker „Summertime“. Anfang erklingen lediglich ein Klavier und ihre Stimme. Doch diese zarte Inszenierung reicht, um zu fesseln, da hätte es gar nicht der später einsetzenden Streichertruppen bedurft...