Essen. Die Doku „Neue Deutsche Welle“ setzt eine einmalige musikalische Ära bunt ins Bild – lässt dabei aber manchmal ein wenig Tiefe vermissen.

Die Welle schaukelt sich Ende der 70er-Jahre langsam auf: RAF-Terror, Friedensbewegung und der Kalte Krieg prägen den Zeitgeist, Schlager-Muff, Disco-Groove und Rock-Bombast taugen nicht mehr als Antworten darauf. Im Windschatten der englischen Punk-Revolte entwickelt sich nun auch in Deutschland etwas Eigenes: Die Neue Deutsche Welle, der das ZDF in einer dreiteiligen Dokumentation (Ostersonntag ab 20.15 Uhr und schon jetzt in der Mediathek) nachspürt, gibt der Jugend zwischen Avantgarde und Pop in ihrer Muttersprache eine Stimme.

Die erste Folge ist gleich die interessanteste, weil sie die Pioniere in den Blick nimmt, die der NDW bis circa 1980 den Boden bereiten. Nina Hagen ist der logische Einstiegspunkt: Wie die einheimische „Godmother of Punk“ emanzipatorische Ideen in deutsche Sprache und exaltiertes Auftreten kleidet, steht sinnbildlich dafür, wie eine ganze Generation raus will aus eng gesteckten Grenzen.

Aufbruchsgeist zwischen Punk und Pop

Aber auch die zahllosen Archiv-Schnipsel um Bands wie Ideal, Abwärts und Einstürzende Neubauten, um den Ratinger Hof in Düsseldorf und Alfred Hilsbergs Zickzack-Label in Hamburg deuten an, welcher Aufbruchsgeist zwischen Punk-Eigensinn, neuen Pop-Ideen, elektronischer Musik und Kunstanspruch herrscht. Kronzeugen wie Fehlfarben-Sänger Peter Hein und DAF-Schlagzeuger Robert Görl („Wir hatten so ein Selbstbewusstsein: Wir erobern die Welt!“) ordnen das Geschehen zusätzlich in neuen Interviews ein. Dass relevante Schlagworte wie „Post-Punk“ oder „New Wave“ ausbleiben, kann man hier noch verschmerzen.

Ab den zweiten 45 Minuten jedoch verflacht die Dokumentation öfter zu einer Clip-Show, die die NDW auf gut präsentierbare Anekdoten und Bilder verengt. Die Hintergrundgeschichten zu Songs wie „Ich will Spaß“ von Markus oder „Skandal im Sperrbezirk“ von der Spider Murphy Gang unterhalten zwar ebenso gut wie die vielen alten TV-, Interview- und Konzert-Ausschnitte von Bekanntheiten wie Joachim Witt, Spliff, Extrabreit, Andreas Dorau, Trio oder Hubert Kah. Doch es regiert Breite statt Tiefe: Was das alles bedeutet, das reißt der Off-Kommentar allenfalls grob an. Nur selten fallen prägnante Einordnungen wie die von Musikmanager Thomas Stein, die NDW sei zügig der „verlängerte Arm des deutschen Schlagers“ geworden.

„Neue Deutsche Welle“ blickt auch auf die Szene der DDR

Gut gelungen ist dagegen, wie die Macher ab Teil zwei ihr NDW-Porträt auf die DDR ausweiten, wo die Szene von der Stasi verfolgt wird. Dass es den Staatswächtern damals mehr um Punk- als um NDW-Bands ging: geschenkt.

Der Titel der dritten Folge, „Der Overkill“, nimmt es dann vorweg: Schon 1983 wird die NDW von der Musikindustrie derart ausgeschlachtet, dass das Publikum übersättigt ist – vom subversiven Potenzial von einst bleibt nur „spaßbetontes Lebensgefühl für konsumfreudige Jugendliche“. Entsprechend widmet sich der Film hier verstärkt der ungekrönten NDW-Königin und -Überlebenden Nena, die bis heute offenbar kaum jemand satt hat.

Gute Momente, aber etwas unkritisch

Als vielstimmige Zusammenfassung mit hohen Schauwerten hat das alles seine Momente. Der Dreiteiler tappt aber immer wieder etwas zu bereitwillig in die Nostalgie-Falle, „völlig losgelöst“ von kritischer Auseinandersetzung. Und gibt sich nach hinten raus arg versöhnlich: Auch musikalische Eintagsfliegen dürfen sich nun wieder als vermeintliche Klassiker mit treuen Fans präsentieren.

Drei von fünf Sternen.