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Für Nadja Benaissa wird es sicher der schwerste Auftritt. Die Sängerin der „No Angels“ steht ab Montag vor Gericht. Die 28-Jährige soll einen Mann mit dem Aids-Virus angesteckt haben.

Auf der Bühne hat sie schon lange nicht mehr gestanden, am kommenden Montag aber hat Nadja Benaissa einen großen Auftritt. Einen, für den sie allerdings kaum Applaus ernten wird: Die 28-jährige Sängerin der Mädchenband „No Angels“ steht vor Gericht, angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung. Ein ungewöhnlicher Fall: Die Frau mit der lockigen Löwenmähne soll in mindestens fünf Fällen Sex mit Männern gehabt haben, denen sie ihre HIV-Infektion verschwieg. Einen soll sie dabei angesteckt haben.

Es ist am Tag vor Ostern vergangenen Jahres, als Polizisten in Frankfurt am Main in die Disco gehen. Kurz vor ihrem Auftritt im Club „Nachtleben“ nehmen sie die Künstlerin des Abends fest. „Eine Sängerin“ meldet die Staatsanwaltschaft später, aber es haben ja alle gesehen: Es ist Nadja Benaissa, die da wie so oft im Scheinwerferlicht steht. Das aber wirft plötzlich lange Schatten auf ihr Leben. Über die Justizbehörden erfahren die Öffentlichkeit und auch die damals neunjährige Tochter, dass der „No Angels“-Star mit dem Aids-Virus infiziert ist. Dass Benaissa diesen Umstand bewusst verschwiegen haben soll, einen von drei Partnern beim ungeschützten Verkehr womöglich ansteckte.

„Zwangs-Outing“





Die Sängerin wehrt sich; ihr Anwalt erwirkt sogar ein Berichterstattungsverbot. Der „Fall Nadja Benaissa“ wird zum Politikum, zum Thema im hessischen Landtag. Es geht, lange vor Kachelmann, um den Umgang von Staatsanwälten mit Prominenten und die Freiheit der Medien. Aber die Geschichte ist in der Welt, von „Zwangs-Outing“ wird die Tochter eines Marokkaners und einer Deutschen später reden und „mittelalterlichen“ Diskriminierungen. Nach zehn Tagen in Untersuchungshaft versucht die damals 26-Jährige zunächst vergeblich, sich zu verstecken.

Monate später aber wagt sie sich wieder vor die Kameras. Bei Günther Jauch, dem sie schon früher von ihrer Drogensucht berichtet hatte, redet sie nun über ihre Infektion, die noch keine Krankheit ist: „HIV-positiv sein heißt nicht krank sein.“ Zum Welt-Aids-Tag sagt sie einem Jugendsender: „Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass ich negativ wäre.“

Die Öffentlichkeit aber will nun auch wissen, was die Beschuldigte zu den Vorwürfen zu sagen hat: Den Prozess, angesetzt auf zunächst fünf Tage, verlegte das Amtsgericht Darmstadt wegen des großen Interesses in den größten Saal des örtlichen Justizzentrums.

Ob Nadja Benaissa zu Verhandlungsbeginn tatsächlich redet, ist allerdings offen. Verteidiger Oliver Wallasch, der kürzlich auch die Familie der in Dresden erschossenen Ägypterin Marwa El-Sherbini sowie einen somalischen Piraten vertreten hat, will sich dazu noch nicht äußern. Erwartet wird die Aussage des angeblich infizierten Mannes, der als Nebenkläger auftritt. Auch die Kolleginnen von den „No Angels“ sind zu einem späteren Zeitpunkt als Zeuginnen geladen.

Erster Fall im Jahr 2000

Sie sollen helfen zu beweisen – oder zu widerlegen –, dass die Angeklagte das Aids-Virus tatsächlich weitergetragen hat und dass sie ihre Infektion wider besseres Wissen verschwieg. Es wird also öffentlich über das Sexualverhalten einer bekannten Sängerin zu reden sein. Verhandelt wird allerdings vor einem Jugendschöffengericht, da der erste von vier angeklagten Fällen versuchter gefährlicher Körperverletzung in das Jahr 2000 fällt – da war die Angeklagte erst 17. Es muss das Jahr gewesen sein, in dem ihre Tochter geboren wurde.

Sollte Nadja Benaissa verurteilt werden, drohen ihr zwischen sechs Monate und zehn Jahre Haft. Zwar ist sie gegen Auflagen seit Ende April 2009 wieder auf freiem Fuß, die geplante Tournee mit den anderen drei „Nicht-Engeln“ musste sie aber absagen. Krankheitsbedingt, hieß es im Mai. Ob und wann sie wieder singt, darüber schweigt ihr Management. Im Oktober allerdings soll eine Biographie erscheinen. Der hoffnungsvolle Titel: „Alles wird gut.“