Bochum. Kopfhörerpartys sind der Trend der Stunde. Auch auf Bochum Total tanzen nächtens Hunderte auf der Straße und bekommen dabei die Musik direkt auf die Ohren.
Immer dem Krach nach, dann kommt man zur Party. Klappt immer. Wirklich immer? Nein, bei Bochum Total gibt es jede Nacht angesagte Partys, die anders sind. Plötzlich sieht man tanzende Menschen, hört scharrende Füße und plötzlich fast entmenschtes Geheule. Ein Flashmob? Eine esoterische Religionsgemeinschaft beim Ritus?
Hemmungslos und falsch
Nein, es sind Kopfhörerpartys. Sie tanzen in den Straßen und tragen dabei Kopfhörer. Das zuweilen gespenstische Geheule sind mitgesungene Refrains. Manche erkennbar - „Bochum ich komm’ aus diir, Bochum ich häng an diiir“ - viele sehr unklar - „uaahschlallaalalalala“. Sicher ist, dass Menschen unterm Kopfhörer hemmungsloser und falscher singen als jene im heimischen Badezimmer.
Die Idee zur stillen Disco ist eigentlich simpel: Es sollen keine Nachbarn gestört werden durch nächtliche laute Musik, und die Party möge trotzdem bis in die frühen Morgenstunden andauern. Nach Bochum kam die Idee im Jahr 2009. Das Ordnungsamt hatte dem Zacher in der Brüderstraße die geplante große Burleske-Party im Rahmen von Bochum Total untersagt.
Statt sich hilflos dem Feierverbot zu fügen, haben die damaligen Chefs Thomas Kibilka und Rene Rosenkranz nach Alternativen gesucht. Und sind auf den frisch entstehenden Trend der „Silent Discos“ aufmerksam geworden. In einem finnischen Science-Fiction-Film der 60er waren, so die Popkultur-Historiker - erstmals Kopfhörer bei einer Partyszene zu sehen. Seither hatten die Goa-Szene in Indien und die Raver auf der britischen Insel schon mit der Technik gearbeitet.
Hoher Flirtfaktor
Der Import der Weltidee nach Bochum schlug wie eine Bombe ein, alle wollten plötzlich draußen mit gemeinsamer Mucke auf dem Ohr tanzen. Denn es gibt viele nette Aspekte bei diesem Treiben. Die Luft ist besser als in einem Rockschuppen. Will man sich unterhalten, reicht es, den Kopfhörer abzunehmen, niemand muss schreien. Und, das meint zumindest Rene Rosenkranz, der Flirtfaktor sei viel höher, weil der Augenkontakt viel intensiver sei.
Schon in der Nacht zum Freitag - eigentlich keine klassische Partynacht - wurden bei den beiden Partys bei Total gleich mehrere hundert Kopfhörer verliehen. Mit 5 Euro Mietgebühr und einem Pfand (Perso, Führerschein) ist man dabei. Kibilka und Rosenkranz bieten inzwischen an den vier totalen Tagen jeweils eigene Partys an. Kibilka ist federführend für die am Zacher in der Brüderstraße, Rosenkranz legt als DJ Renate von Rosen im Sound-in-Silence-DJ-Team vor dem Ullrich (Kortumstraße) auf. Keiner ist dem anderen böse, die Idee sorgt an beiden Spielstätten für Erfolg.
Mit dem Frachtflugzeug aus China
Dabei hatte Kibilka die größeren Schwierigkeiten im Vorfeld. Er konnte die Funkkopfhörer nicht leihen, der Markt war leer. „Ich habe 150 Emails mit einer chinesischen Managerin gewechselt, bin dann auf Risiko in Vorkasse gekommen, die 400 Kopfhörer sind dann erst am Mittwoch per Frachtflugzeug aus China angekommen.“ Die chinesische Technik funktioniert aber hübsch: drei Farben können an der Seite der Headphones aufleuchten - je nachdem welcher Kanal eingestellt ist. Das heißt, die Tanzenden sehen, wozu die anderen tanzen. Und die DJs sehen, wie viele Leute auf dem Floor ihren Kanal eingestellt haben. Die Battle kann beginnen! Dabei sind DJ Somali (Wave und Rock), DJ Said Saib (Funk) und DJ Klosterkatze (Rock).
Rosenkranz setzt am Ullrich dagegen auf zwei Kanäle, die beide Hits senden. Sein DJ-Credo orientiert sich mehr am Gemeinschaftsgefühl der Tanzenden. Mitsingbare Songs machen den Leuten am meisten Spaß, meint er. Dass die Kopfhörerpartys Spaß machen, das ist tatsächlich nicht zu übersehen.