Nürburg. .

Die Leichtigkeit des Sommers hat Einzug gehalten bei „Rock am Ring“. Besonders der softe Poprock der amerikanischen Band 30 Seconds to Mars begeisterte die Masse. Auch wenn sie das Publikum dazu animierte, zu skandieren: „Das ist Krieg.“

Die Sonne brennt unbarmherzig vom fast wolkenlosen Himmel hinab. Und auch die Bands sorgen für steigende Temperaturen im Publikum. Bei den Auftritten von 30 Seconds To Mars und Muse kennt die Hysterie schließlich keine Grenzen mehr, so dass bei Rock am Ring die Stimmung am Samstag überkocht.

US-Rapper Dizzie Rascal wollen nur wenige Zuschauer sehen. Hip Hop auf der großen Bühne zur frühen Stunde – das mag nicht zusammenzupassen. Wesentlich mehr Anziehungskraft entwickeln hingegen Gogol Bordello mit ihrer undefinierbaren Mischung aus Ethno-, Ska- und Fiddler-Musik. Dem bis dahin trägen Publikum verhelfen sie damit auf die Sprünge. Der fröhliche Sound aus Geige, Akkordeon und Brett-Gitarre ist ansteckend. Gute Laune macht sich breit.

Musik besser für Diskotanzflächen

Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg, links, und sein Sohn Andre Lieberberg bei einer Pressekonferenz.
Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg, links, und sein Sohn Andre Lieberberg bei einer Pressekonferenz. © APN

Die Leichtigkeit des Sommers hat Einzug gehalten und Gentleman sorgt dafür, dass das so bleibt. Statt Retro-Rock á la Wolfmother, die krankheitsbedingt absagten, verbreitet er den Vibe eines jamaikanischen Sommers. Eigentlich hinkt der Vergleich, aber der deutsche Reggae-Musiker rockt den Ring. Ähnliches hätte man auch von Gossip erwartet. Die Band um die charismatische und stimmgewaltige Frontfrau Beth Ditto hat auf der großen Bühne jedoch ein ebenso großes Problem. Ihre Musik ist nämlich auf Diskotanzflächen besser aufgehoben. An der Gossip-Performance lässt sich trotzdem nichts aussetzen. Live ist die Stimme der Sängerin genauso eine Wucht wie auf Platte.

Es wird Abend. Die Strahlkraft der Sonne lässt langsam nach, die Anziehungskraft der Hauptbühne wird dagegen größer und der Altersdurchschnitt jünger. Kein Wunder: Schließlich hat Jared Leto, Sänger und Gitarrist von 30 Seconds To Mars, gerade bei jungen Mädels einen dicken Stein im Brett. Auch wenn der einstige Schauspieler mittlerweile einen entstellenden Irokesen-Kamm und Schlabberhosse trägt – die Zuschauerinnen sind hin und weg. Der softe Poprock der amerikanischen Band begeistert die Masse. Leto selbst ist von dieser Zuneigung angetan und verrät, dass er Deutschland liebe. Kurzerhand animiert er das Publikum dazu zu skandieren: „Das ist Krieg.“ Die deutsche Übersetzung für den Titel seines aktuellen Albums. Der Sprechchor wirkt auf viele Zuschauer befremdlich, aber der breiten Masse gefällt’s. Leto hat das Publikum auf seine Seite gebracht und gibt sich volksnah. Ein Sprung in die Menge, VIP-Gäste zu beschimpfen, sich eine Deutschland-Fahne umzuhängen und dutzende Fans zum letzten Song auf die große Bühne zu bitten, machen aus Publikum und 30 Seconds To Mars eine Einheit.

Ufo schwebte zum Publikum

Die Band 30 Seconds to Mars um Sänger und Gitarrist Jared Leto (l.).
Die Band 30 Seconds to Mars um Sänger und Gitarrist Jared Leto (l.). © ddp

Nachdem der letzte Akkord der Teenie-Band verklungen ist, stehen erstmal Geburtstagsfeierlichkeiten an. Marek Lieberberg, Schöpfer von Rock am Ring, stimmt ein Happy Birthday an und das anschließende Prachtfeuerwerk leitet über zum herbeigesehnten Hauptact. Muse, das Trio aus England, wurde in Anfangszeiten vielfach als Teenie-Sensation gehandelt. Doch da, wo 30 Seconds To Mars, mit einfachen Songs viel erreicht haben, setzen die Briten auf künstlerische Klasse. So hat Mathew Bellamy, Kopf der Band, keine Anbiederung ans Publikum nötig. Stattdessen konzentriert er sich auf seine Instrumente. Auf seine Stimme, die er in ohrenschmerzende Höhen treiben kann, die alles in den Boden rammende Rockgitarre oder auf die fast schon symphonisch anmutende Piano-Spiel. Die Songs des neuen Albums „The Resistance“ haben sich offenbar in vielen Gehörgängen ihren Weg geebnet.

Das Publikum feiert „United States Of Eurasia“ genauso wie den Klassiker „Plug In Baby“. Dann ist kurz Zeit, um inne zu halten. Dann ungläubiges Staunen. Ein Ufo taucht plötzlich neben der Centerstage auf, schwebt zum Publikum und verharrt in 15 Metern Höhe. Der nächste Muse-Song setzt ein und unterhalb der Untertasse kommt plötzlich ein Akrobat hervor. An Seilen aufgehängt bewegt er sich zu der bombastischen Musik von Muse. Das ist der reine Wahnsinn. Inszenierte Überheblichkeit von Rockstars, die dabei trotzdem nicht übertrieben, sondern angemessen erscheint. Das Publikum ist wie entfesselt. Überall feiern sie zu den grandios inszenierten und lupenrein gespielten Songs der zurzeit wohl größten Rockband seit U2.