Gladbeck. . Zwei Rapper, eine Meinung: Auf ihrer neuen Platte „Talion II“, die im Mai auf den Markt kommt, thematisieren Fard und Snaga aus Gladbeck internationale Missstände. Im Interview sprechen sie über die Inspiration aus dem Ruhrgebiet, ihre Pläne und Wünsche und die Kritik zur neuen Single „Contraband“.
Diese beiden lassen sich ihre Meinung nicht verbieten: Die Gladbecker Rapper Fard und Snaga sind mit ihren kritischen Texten übers Ruhrgebiet hinaus bekannt. Fard stieg mit seinem Album „Bellum et Pax“ im vergangenen Jahr direkt auf Platz zwei der deutschen Album-Charts ein, Snaga landete mit Rapper-Kollege Pillath ebenfalls große Erfolge. Vor fünf Jahren erschien ihr erstes gemeinsames Album mit dem Titel „Talion“ – eine Platte über die Probleme in Deutschland. Nun haben sie sich wieder zusammengetan und ihr zweites Werk „Talion II: La Rabia“ fertig gestellt, das am 23. Mai auf den Markt kommt. Doch schon die erste Singleauskopplung, "Contraband" sorgt für heftige Debatten im Internet.
Diese steht nämlich in der Kritik, "Verschwörungstheorien mit Jihadismus und Nazi-Parolen" zu vermischen. In ihrem Text heißt es etwa „Kontra Atomar, Kontra USA“ oder auch „Kontra Peace, Kontra Tel Aviv“ und „Kontra Bilderberger, Volksverräter, Hintermänner“. Gleichzeitig loben die Musiker aber: „Pro Mujahedin, Pro Falestin“ und „Pro Todesstrafe für Kinderschänder“. Ernstzunehmende Worte, die die Hörer aufschaukeln könnten? Der deutsche Kinderschutzbund findet 'nein': "Problemfelder finden sich in unterschiedlicher Intensität in den verschiedenen Subgenres der deutschen Hip-Hop-Musik. Der Text in "Contraband" ist zwar provokant, polarisierend, gewalthaltig, aber auch einfältig", so Ekkehard Mutschler, Mitglied des Bundesvorstandes und Kinder- und Jugendschutzbeauftragter.
Weiterhin sagt er: "Unter Betracht des Artikel 5 im Grundgesetz zur Meinungsäußerungsfreiheit, genauer dem Absatz Kunstfreiheit, und des im Verfassungsrang stehenden Jugendschutzes kann unserer Meinung nach hier nicht von einer Jugendgefährdung ausgegangen werden. Der Song ist aller Wahrscheinlichkeit aus unserer Sicht nicht gewaltfördernd. Jedoch befürworten wir die Diskussion um den Song." Es sei erstaunlich, dass es entgegen eines hohen öffentlichen Interesses, gemessen an der medialen Berichterstattung, in Deutschland kaum Ergebnisse in der Medienwirkungsforschung zur deutschen Rap-Musik gibt, so Mutschler weiter.
Und was sagen die beiden Rapper selbst über die Kritik? "Wir wollen provozieren. Das muss man auch, damit es zu Diskussionen kommt und wichtige Themen nicht untergehen, sondern besprochen werden", finden Fard und Snaga. Sie wollen nicht zu Gewalt anheizen, sondern am Ende vielmehr versöhnen, sagen sie. Wir haben mit den Musikern außerdem über ihre Inspirationen, Pläne und weitere Absichten des neuen Albums gesprochen.
Wie lange leben Sie beide schon in Gladbeck?
Fard: Ich bin eigentlich ziemlich früh nach Gladbeck gezogen. Als ich mit meinen Eltern als kleines Kind aus dem Iran nach Deutschland kam, hat mein Vater kurz darauf einen Job in NRW bekommen und da sind wir nach Gladbeck gezogen. Und ich find’s wunderschön! (lacht)
Snaga: Geboren bin ich zwar in Bottrop, lebe aber schon immer in Gladbeck.
Holen Sie sich für Ihre Songs Inspiration aus dem Ruhrgebiet?
Fard: Ich versuche, immer über den Tellerrand zu schauen, würde aber sagen, dass meine Textideen zu 70 bis 75 Prozent aus Gladbeck oder dem Ruhrgebiet allgemein kommen. Der Rest entsteht dann eben aus Erfahrung.
Snaga: Inspiration kommt daher, wo man sie sucht. Natürlich auch aus dem Umfeld. Ich selbst komme aus einer typischen Arbeiterfamilie, ich bin der einzige Künstler. Ich habe aber einen offenen Horizont. Es ist ja traditionell in der Rapmusik so, dass man sein Umfeld repräsentiert und für die Leute spricht, die eine nicht so laute Stimme haben.
Transportieren Ihre Texte in gewisser Weise Ihr Lebensgefühl?
Große Erfolge in den deutschen Charts
Fard wurde 1985 in Isfahan im Iran geboren. Sein bürgerlicher Name ist Fahad Nazarinejad.
Er hat schon früh mit dem Rappen begonnen und brachte 2006 sein erstes Mixtape ‘’Blut, Schweiß, Tränen und Triumphe’’ heraus. Ein Jahr später wurde Fard deutschlandweit bekannt. Sein Album „Bellum et Pax“ stieg 2013 direkt auf Platz zwei der deutschen Albumcharts ein.
Sein bisher größter Hit auf Youtube ist der Song „Peter Pan“. Dieser hat bereits über acht Millionen Klicks. Er rappt darin über seine glückliche Kindheit im Ruhrgebiet
Fard: Klar. Zum Lebensgefühl im Ruhrgebiet gehört ja auch die Zechenschließung, durch die viele unserer Väter in die Arbeitslosigkeit gefallen sind. Das hat uns im großen Stil geprägt. Dadurch kam’s dann auch, dass viele von uns im Sommer zu Hause geblieben sind und nicht in Urlaub fahren konnten, so wie die anderen. Das soll alles kein Grund zum Heulen sein, aber zum Thematisieren.
Snaga: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist Rap etwas sehr Persönliches, auf der anderen Seite, wie ich eben schon erwähnte, auch eine Stimme des Umfeldes. Somit transportiert man auch das Lebensgefühl der Menschen um einen herum.
Haben Sie Vorbilder?
Fard: Musikalisch habe ich ehrlich gesagt keine. Vielleicht aus Sport und Gesellschaft, aber da könnte ich jetzt keinen Namen nennen.
Snaga: Jeder, der es schafft, sich persönlich weiterzuentwickeln, ist in gewisser Weise ein Vorbild. Es ist schwer, da jetzt zwei, drei rauszunehmen. Ich selbst eigne mir vieles an und bin sehr wissbegierig. Ich hatte früher einen engen Horizont, habe aber gemerkt, dass die Welt viel zu bieten hat.
Vor fünf Jahren ist Ihr erstes gemeinsames Album „Talion“ erschienen. Wie kommt’s, dass Sie noch ein zweites Album zusammen gemacht haben?
Snaga: Ich kenne Fard ja schon seit meiner Jugend. Er war es dann, der mich wieder an den Spaß zur Musik gebracht hat. Ich habe mich nämlich vor einigen Jahren von der Rapmusik zurückgezogen. Musik mag ich gerne, das Geschäft eher nicht so gerne. (lacht) Ich war einfach nicht mehr zufrieden mit dem, was in der Branche abging. Als dann Fard mit seiner Idee kam, haben wir das ganze unter der Prämisse gemacht, es größer aufzuziehen und nicht im Nichts unterzugehen. Ich sag mal so: Es gibt momentan zwei Richtungen im deutschen Hip-Hop: die Straßen-Gangster-Rap-Ecke und das, was gut runter geht, so wie Cros Musik. Beides ist völlig legitim. Aber unser künstlerischer Anspruch ist etwas Anderes, was eben nur wir beide zusammen können.
Fard: Wir wollen einfach ein Statement setzen. Es geht uns nicht darum, wie es mit dem Album läuft, sondern wir wollen Probleme aufzeigen. Nicht mehr nur in Deutschland wie beim ersten Album, sondern universell. Uns ist es ein Anliegen, ein politisches Statement an unsere Leute weiterzugeben.
Die Rapper über aktuelle Kritik und ihre Zukunft
Zum Thema Politik: Was sagen Sie denn zur Kritik zur ersten Single „Contraband“? Es wurden ja einige politische Textaussagen heftig diskutiert.
Fard: Es gibt immer Kritik. Solange die Kritik aber konstruktiv ist, besteht auch Relevanz. Es ist immer gut, wenn man eine Debatte führen kann und Themen ausspricht, die einem auf dem Herzen liegen. So können offene Fragen beantwortet werden.
Snaga: Die Intro ist ja schon sehr wütend, fast schon eine aggressive Stimmung. Aber die Leute verstehen noch nicht, dass sie nicht nur die erste Single sehen sollten, sondern das Album im Ganzen. Dann verstehen sie auch unsere Beweggründe. Wir wollen keine Randale - ganz im Gegenteil. Am Ende wollen wir eine Versöhnung. Und bis eine Versöhnung erreicht wird, gibt es vorher eben manchmal Streit. (lacht)
Was erwartet die Hörer im neuen Album?
Früher als Duo mit Pillath unterwegs
Snaga oder auch „Pretty Snaga“ heißt mit bürgerlichem Namen Timm Zumbrägel. Er wurde 1979 in Bottrop geboren.
Er begann auf Englisch zu rappen, bis er 2003 seinen Kollegen Pillath (re.) kennenlernte, mit dem er dann als das Duo „Snaga & Pillath“ auftrat. Sein erstes Mixtape kam 2004 heraus.
Nach dem Abitur gründete Snaga die Filmfirma „Timaxx Entertainment GbR“ in Dortmund, bei der als Geschäftsführer tätig war. Die Firma gibt es mittlerweile aber nicht mehr.
Fard: Musikalisch erwartet die Hörer ein richtiger Rap-Sound und gute Beats. Außerdem Themen, die nicht nur von Problemen im eigenen Land berichten, sondern weltweit. So etwa Flüchtlinge, Armut, aber auch die eigene Dekadenz. Ich will aber deutlich sagen, dass es viele Vorteile hat, in Deutschland zu leben, mehr als auf vielen anderen Teilen der Welt. Ich weiß als Halbiraner auch zu schätzen, dass ich meine Meinung frei äußern und es so zu Debatten kommen kann. Das haben wir uns auf dem Album eben zunutze gemacht.
Snaga: Wie gesagt, es sind wütende, aber auch versöhnliche Töne zu hören. Das Album ist ein Aufschrei. Es soll ein Alarm sein und eine Kontroverse auslösen. Man muss ja mal seine Wut aussprechen und nicht alles in sich reinfressen. Die Leute sollen dem Album einfach eine Chance geben, es als ganzheitliches Werk ansehen. Wir haben einfach einen Blick hinter die Kulissen gewagt, das war unser Anliegen.
Fard, Ihr Album „Bellum et Pax“ ist im vergangenen Jahr auf dem zweiten Platz der deutschen Albumcharts eingestiegen. Wohin soll es nach so einem Erfolg noch gehen?
Fard: Im Rap-Ding geht es immer um den Competetion-Gedanken, man will die Leute mit seiner Musik überzeugen. Wenn ich aus geschäftlicher Sicht spreche, dann kann ich nur den Spruch „der Himmel ist die Grenze“ nennen (lacht). Musikalisch gesehen, will ich einfach gute Songs machen.
Was sind Ihre Pläne, Snaga?
Snaga: Ich will einfach nicht mehr langfristig planen, weil sich die Bedingungen so schnell verändern können. Mir macht es nach der Pause aber wieder richtig Spaß, ich gehe frisch an die Sache ran. Hip-Hop wird ja nun auch besser angenommen. Mal sehen, nach dem Projekt kommt sicherlich ein Solo-Album, aber was danach kommt: keine Ahnung.
Ist denn eventuell schon ein drittes gemeinsames Album im Gespräch?
Fard: Das steht noch alles in den Sternen. Es gibt zwar viele interessante Thematiken, geplant ist aber noch nichts. Erst mal bin ich gespannt auf die Reaktionen zum neuen Album.