Köln. .

Bei Neil Young und seiner Band „Crazy Horse“werden Lieder zu Epen. Zum Beispiel bei „Walk like a Giant“, das symbolisch für diesen Konzertabend stand. „Ich stapfte über die Erde wie ein Riese, doch jetzt fühle ich mich wie ein Blatt im Strom“, singt Young. Und der Strom wird zum gewaltigen Fluss, wenn Young und Sampredo sich Duelle liefern, sich mit kreischenden Gitarren umkreisen, wie Boxer, die Hiebe austeilen. Und was für Hiebe.

Das fast 30-minütige Stück wird zum Inferno, zu einem Rückkopplungsorkan mit Donnerschlägen und Regengüssen. Dazu bläst ein Mann im Südwester Papierfetzen über die Bühne. Ein Hurrikan tobt sich aus. Und man ist sich nicht ganz sicher, dass sich in den tosenden Applaus am Ende nicht auch Erleichterung mischt, es überstanden zu haben.

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Dieser eine Song war so etwas wie das Kernstück des Konzerts des quicklebendigen 67-Jährigen, der auf der Gitarre durchbuchstabiert, was Stéphane Hessel in seiner Schrift „Empört euch!“ fordert. Da glaubt einer noch immer, dass im Rock’n’Roll die Kraft der Revolte lebt. Und er tut alles, um diese Kräfte zu beschwören – und gewinnt so die Glaubwürdigkeit, auch Dylans tausend mal zersungenes „Blowin in the wind“ mit der Akustikgitarre zu spielen. So, dass es wieder ganz und heil klingt und 13000 Menschen ironiefrei mitsingen.

Eine Bühne, gebaut wie für einen Giganten

Die Bühne, die anfangs von Bauarbeitern und verrückten Professoren in weißen Kitteln bevölkert wird, ist für einen Giganten gebaut: die Verstärkertürme ragen vier Meter hoch in die Luft, in ähnlicher Größe steht am Bühnenrand ein Mikrofon.

Neil Young scheint sich in die Rolle einer Vorgruppe zu begeben. Ein Johannes der Täufer, der mit einem Hirn-Aneurysma schon mal fast über den Jordan gegangen ist. Doch jetzt spielt er seine Version von „Der alte Mann und das Riff“, scheint zu sagen: Ich spiele hier nur meine kleinen Hymnen, aber nach mir kommt der Messias des Rock’n’Roll, dem die Gitarre zu stimmen ich nicht würdig bin.

Ob der Erlöser im Rock’n’Roll je kommen wird, sei dahingestellt, Neil Young zumindest -- als Großvater des Grunge von vielen Jungmusikern verehrt -- ist weit mehr als einer, der die Wartezeit verkürzt. Wer für fast zweieinhalb Stunden so gewaltig aufspielt, mit schier endlos mäandernden Soli wortlose Predigt en hält, ist ein gewaltiger Prophet. Auch, wenn er erst vor der allerletzten Zugabe kurz zum Publikum spricht und fast so etwas wie einen rührenden Segenswunsch spricht, etwa in dem Tonfall: „Mögen eure Kinder ruhig schlafen, gehet hin in Frieden und fahrt vorsichtig, bis wir uns eines Tages wiedersehen.“

Zuvor hat er unter anderem „Cinnamon Girl“, „Heart of Gold“, „Powderfinger“ und das großartigen „Ramada Inn“ aus der neuesten CD für sich sprechen lassen,. Und er schließt den Abend natürlich mit „Hey, hey, my, my“. Denn darin ist das Versprechen enthalten, dass Rock’n’Roll unsterblich ist. 13000 Menschen werden nach diesem Abend nie wieder daran zweifeln.