Schwerte. .
Als der Rock noch jung war, stand eine seiner Wiegen auch in Schwerte – lokal begrenzt, gewiss, aber deshalb kaum weniger intensiv. Zwischen „Whole Lotta Love“ und „I was made for loving you baby“, zwischen „West, Bruce & Laing“ und „Rainbow“, im Schlepptau von „Lynyrd Skynyrd“ und der „Allman Brothers Band“ hatte sich in Schwerte eine Musikkultur entwickelt, in der Bands auf den Bühnen standen, die damals denselben Kultstatus genossen wie heute K.R.A.S.S. oder die Soulfingers.
Peter Grünebaum, Theo Spanke, Fede Wulf, Doc Nowak, Ulrich Ohm, Werner Fangmeier, Christian Tyron, „Knappi“ Zastrow, „Lack“ Weber, Holger Goratzka, Ernst Altenkemper, Klaus Besser, Caddy Weber – sie alle gehörten zu den Männern dieser Zeit, die sich in Bands wie Alabama, Playhouse Gang, Maggie’s Farm, Faktor II, Thundercraaft oder Chabo wiederfanden. Schwerte hatte sogar so etwas wie seinen eigenen Neil Young. Reinhard Schnelle hieß er und war eigentlich immer dabei, wenn Schwertes Rockgrößen die Bühnen in den Saalbauten der Gaststätten Haus Kreinberg oder Haus Maifeld betraten. So auch am 30. August 1975, als sich auf einer Wiese in Lichtendorf die „Crème de la Crème“ der Schwerter Musikszene vereinte und, organisiert von Fede Wulf, in die Saiten griff und Schlagfelle malträtierte.
Reinhard Schnelle erhielt damals nach dem „Mini-Woodstock-Festival“ beste Kritiken – im Gegensatz zu Faktor II. Dabei war es gerade diese Band um den heute noch aktiven Gitarristen Christian Tyron („Not Bad“), die normalerweise Begeisterungsstürme entfachte und einen festen Fanstamm hatte, der die Band sogar begleitete, wenn es mal über die Stadtgrenzen hinaus ging. „Jumpin’ Jack Flash“, dieser Klassiker der Rolling Stones, war über Jahre hinweg der Programmhöhepunkt von Faktor II. Und die Fangemeinde war festen Glaubens, dass es diese Version mit dem Original jederzeit aufnehmen konnte. Nach personellen Veränderungen standen am Ende drei Gitarristen auf der Bühne: neben Christian Tyron noch Rolf Wittling und Achim Henkel. Fede Wulf war Sänger geworden, Rolf Hösterey hatte die Nachfolge von Klaus Besser und Andy Schürmann übernommen.
Christian Tyron steht in einer Reihe mit den großen Gitarristen dieser Stadt. Davon gab und gibt es eine Menge. Werner Fangmeier zum Beispiel war ein Idol seiner Zeit. Wenn er spielte, wusste so manch anderer um seinen persönlichen Nachholbedarf. Fangmeier war in seiner Zeit das, was heute Dirk Edelhoff ist: unbestritten die Nummer 1! Er verlieh der „Playhouse Gang“ eine unverwechselbare Note. Aber nicht nur er. In dieser Band, die stets mehrere Hundert Menschen anlockte, hatten sich Könner wie Theo Spanke oder Peter Grünebaum vereint.
Ohrwürmer und eigene Kompositionen
In der ersten Reihe stand mit Holger Goratzka ein charismatischer Sänger. Skynyrd-Klassiker wie „Sweet home Alabama“ oder „Gimme three Stepps“ wurden zu Ohrwürmern. Zudem präsentierte die Band eigene Kompositionen.
Vor der Playhouse Gang hatte Alabama Aufsehen erregende Zeiten. Diese Band hatte sich nicht nur mit zwei Schlagzeugern präsentiert, sondern professionelle Musiker wie Ulli Bichmann (b.) oder den Keyboarder Peter Grosche aus der seinerzeit namhaften Band „Kin Ping Meh“ gewinnen können. „Long train running“ von den Doobie Brothers oder der Eagles-Hit „One of these nights“ standen auf der Playlist dieser Band um Holger Goratzka, Caddy Weber oder Peter Grünebaum. „Chabo“ (Fangmeier, Schnelle, Spanke, Besser) betrat die Bretter, die die Welt bedeuten. Am Bass Friedrich Kuhlmann, heute bekannt als Kapellmeister des Bohème-Orchesters. Nicht zu vergessen „Maggie’s Farm“. Wenn Fede Wulf, Ulrich Ohm, Doc Nowak und Klaus Besser aufspielten, wurde es laut. Und gut.
Vorbilder wie „Humble Pie“ oder „Taste“ zogen damals mit ihrer Musik. Besser galt seinerzeit als der beste Schlagzeuger weit und breit. Als die amerikanische Band „Grand Funk Railroad“ ihr Live-Album mit einem gut 20-minütigem Schlagzeugsolo auf den Markt warf, spielte Klaus Besser genau dieses Solo nach – und hatte eine Kiste Bier gewonnen.
Und es gibt noch ein Anekdötchen, das sich um „Knappi“ Zastrow dreht. Der Klassiker „Gloria“ gehörte zu den Lieblingssongs des Sängers der richtigen Rockband „Thundercraaft“. Des Spielens müde, wollte die Band diesen Song von der Playliste streichen. Mit Biermarken soll Knappi dann Teile des Publikums vor einem Auftritt in der Aula des Friedrich-Bährens-Gymnasiums bestochen haben. „Gloria, Gloria“ skandierten die Zuschauer, als die Band die Bühne betrat. „Hört ihr Jungs, die Leute wollen das hören“, wird Zastrow zitiert.
Ob’s wahr ist? Egal! War auf jeden Fall eine geile Zeit damals, als der Rock noch jung war.
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