Essen. Wie uns die Alten sungen - der Tenor Roberto Alagna ist ein Sizilianer aus Paris. Seine neue Platte ist ein folkloristisches Bekenntnisalbum.

Auf welche Weise man sich dereinst an den italienischen Tenor Roberto Alagna erinnern wird, wer vermag das heute schon zu sagen? Aber diesen Auftritt hat er wohl für sich: Als er 2006 im berühmtesten Opernhaus Italiens im ersten Aida-Akt ausgebuht wurde, stapfte Radames Roberto wütend von der Bühne der Scala. Und kehrte (anders als die Handlung bei Verdi es vorsieht) nicht zurück.

Später hat Alagna im Rückblick auf diesen Abend nicht nur von einer Verschwörung gesprochen („Dort warteten drei Männer vor dem Künstlereingang auf mich, die mir mit einer Art Karatezeichen bedeuteten: Wir hacken dich in Stücke”), sondern auch seine Seelenlage geschildert. Er tat es mit den Worten: „Ich fühlte mich, als müsste ich auf der Stelle sterben!” Sie merken schon, der Mann ist Sizilianer.

Ein Bekenntnisalbum zu dieser ganz eigenen Nationalität im gefühlten Vielvölkerstaat Italien war nur eine Frage der Zeit. 2009 ist sie beantwortet. „The Sicilian” ist soeben erschienen. Das wundert zunächst, weil man den schönen Alagna, der am 14. Juli 2005 auf der „Place de la Concorde” so stolz die Marseillaise sang, doch immer für einen Franzosen gehalten hatte.

Album für Opernfreunde

Doch ist er der erste seiner Familie, der in Frankreich zur Welt kam. Um ihn herum: Gitarre spielende Onkel und ein Vater, der am Ende des Sonntagsessens Lieder der alten Heimat sang. Sizilien war nah im Clichy-sous-Bois der späten 60er.

Die akustische Rückehr zu seinen Wurzeln (nostalgiesatt in Sepiatönen fotografiert) ist kein Album für Opernfreunde. Puristen werden Dinge wie die Liedfassung des Hauptthemas von Nino Rothas „Paten”-Musik ein bisschen schlagerig finden. Aber Spaß macht die Platte doch. Erstens weil Alagna nicht (wie so viele seiner Art) die Opernstimme bemüht, wenn er Wiegenlied, Tarantella etc. anstimmt. Zweitens weil die orchestrale Besetzung zwar etwas zu opulent fürs Liedgut kleiner Leute ist, aber mit Mandoline und munteren Holzbläsern doch hübsch authentisch klingt.

Nicht zuletzt ist „The Sicilian” auch eine Weltmusikplatte der anderen Art. Die wechselvolle Historie, die von Griechen über Vandalen bis Bourbonen die unterschiedlichsten Kulturen hier Duftmarken setzen ließ, ist Musik geworden. Aus manchen der 14 Titel spricht zweifelsfrei der Orient, andere deuten im Dreivierteltakt die Geschichte Siziliens als Spielball der Mächte an.

Alagna, der Sizilianer also. „All dieses Magma in mir”, sagt Roberto Alagna über seine musikalischen Gene. Ein Vulkan! Kein Wunder, dass er in Mailand explodiert ist.

Roberto Alagna, The Sicilian, DG/Universal