Köln. Die „California Dreams“-Tour pendelt zwischen Disneyland, Anime und B-Movie, Schlaraffenland, Hello-Kitty-Kitsch - und nimmt ihre Fans mit in ihr Wunderland

Am Anfang wird es richtig eklig. Da fordert ein bulliger, schwitzender Metzger, der irre grinsend seine kariösen Zähne bleckt, ein zartes, kleines Mädchen mit angstvoll aufgerissenen „Bitte-tu´-Bambi-nichts“-Augen auf, ihm beim Fleisch-Hacken behilflich zu sein. Und weil die Kleine sich so dusselig anstellt, macht er ihr vor, wie das geht. Igitt, wie das klatscht und matscht und schlabbert und spritzt!

Das sieht man zwar nicht, aber man hört es. Akustischer Splatter. Da sind die pädagogischen Talente all der Mamis und Papis im Publikum gefordert, die ihre kaum dem Kindergarten entwachsenen Töchter begleiten. „Keine Angst, Julia, das ist nur Film!“ Die Hauptrolle in diesem Film spielt Katheryn Elizabeth Brand, geborene Hudson, besser bekannt als Katy Perry. Der Film dauert gute anderthalb Stunden und wäre im Kino wohl erst ab zwölf freigegeben worden. Wobei er, stellenweise, durchaus kindertaugliche Disney-Qualität hat. Er heißt „The California Dreams“ und tourt derzeit durch Deutschland, wo er, exklusiv, nur in fünf Städten läuft. Freitagabend war das Palladium in Köln vierte Station. Katy Perrys „The California Dreams“-Tour ist, wie erwartet, eine bonbonbunte Inszenierung. Der Fokus liegt irgendwo zwischen Disneyland, Anime und B-Movie, Schlaraffenland, Hello-Kitty-Kitsch und DC-Comic, Willy Wonka-Welt, Las-Vegas-Glamour und Ausflug ins Land hinter den Spiegeln. Versatzstücke sind possierliche Zeichentricktiere, die über die von rosa Zuckerwattewolken gerahmte Leinwand hoppeln, ein Erzähler, der im besten „British English“ die Geschichte der kleinen Katy erzählt, die dem bösen Metzger in die Fänge gerät, um hernach, auf der Suche nach ihrer kleinen Katze, durch Drops-Büsche und Zuckerstangenwälder zu stolpern, Riesenlollis und schokotriefende Muffins als Bühnendekoration.

Katy Perry in Köln

1/54

Mit Glitzerherz und im Schneewittchenlook

Und mitten drin Katy. Die mit Glitzerherz auf dem Busen und Erdbeersahne-Tüll-Tutu aus einer überdimensionalen Torte springt, sich mal im rotweißen Schneewittchenlook, mal mit knallblauer Perücke und mal als Catwoman in hautengem Lederdress präsentiert, eine Mischung aus Pin-Up-Girl und Pop-Aschenbrödel, das am Ende doch noch zum Ball gehen darf. Die „Kitty Cats“, wie sie ihre Fans nennt, sind im Wunderland.

Nur dass die Julias, Annas und Hannas im Publikum nicht das Meiste davon mitbekommen. Sie sind zwar schon groß genug, um die Kassen zu füllen, aber zu klein, um im ausverkauften Palladium etwas zu sehen. Da werden Väter zu menschlichen Hebebühnen und Mütter zum verlängerten Arm der Digital-Kameras, die zumindest ein kleines Stück vom Glück erhaschen können. Viele stehen auch im Foyer und versuchen, durch die offen stehenden Türen zu lugen. Zumindest hören können sie das, was die 26-Jährige aus Santa Barbara zusammen mit ihrer fünfköpfigen Band bietet. Und das kann man auch ohne all den Karneval, das Konfetti und die Kostüme genießen. Mitunter sogar besser, weil man weniger abgelenkt ist.

Aha: Cinderella kann deutlich mehr als nur Kleider wechseln

Nach der Metzger-Ouvertüre steigt Perry mit dem Titelstück ihrer 2010 erschienenen dritten CD „Teenage Dream“ kraftvoll ein. Die Frau kann wirklich singen. Das merkt man nicht nur bei Knallern wie „Circle The Drain“ oder „Hot´N´Cold“, sondern besonders dann, wenn es leiser wird und die kalifornische Glitzerfee zur Gitarre greift. „Thinking Of You“ gehört zu den berührendsten Momenten eines Konzerts, das mitunter droht, in all dem Bonbon-Bombast zu versinken. Auch aufs Covern versteht sich Perry und erweist Willow Smith („Whip My Hair“) und Rhihanna („Only Girl (In The World)“) eine überzeugende Referenz. Und Whitney Houstons „I Wanna Dance With Somebody“ nehmen alle wörtlich. Nicht nur die zuckersüße Cinderella, die viel mehr kann als bei “Hot´N´Cold“ sieben Mal die Garderobe zu wechseln, und ihre hyperaktive Sechs-Tänzer-Compagnie. Sondern die ganze Halle. In der sich, und das muss der Fairness halber gesagt werden, nicht nur kleine Mädchen und ihre Eltern drängeln, sondern auch Männer und Frauen (fast) jeden Alters ohne Aufsichtspflicht. Nur einer tanzt nicht. Der Metzger. Er hat Karies. Zuviel Zucker.