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Cat Stevens, Ozzy Osbourne, Bon Jovi, Take That – das Konzertjahr 2011 gleicht einer Zeitreise im Rückwärtsgang. Noch nie wurde soviel Geld mit Nostalgie verdient. Für junge Bands bleibt nicht mehr viel vom Kuchen.
Wer die Plakate an Deutschlands Arenen studiert, kann etwas lernen: Konsensmusiker sind in der Regel unter 20 oder über 40. Das Gleiche gilt für ihre Fans. Ein bisschen überspitzt könnte man sagen, wer große Konzerthallen füllen will, bucht entweder Bands im Zahnspangen- oder Zahnprothesenalter. Beispiel Arena Oberhausen. 21 Pop-Konzerte sind für dieses Jahr angekündigt (inklusive Schlager). Mehr als die Hälfte aller Künstler ist über 40, manche – Cat Stevens oder Ozzy Osbourne – sind sogar über 60 Jahre alt. Mit Taylor Swift und Justin Bieber treten ganze zwei Acts unter 30 auf.
Stellt sich die Frage, was eigentlich mit den ganzen Bands in ihren 20ern ist. Ist das nicht die Blütezeit des Pop? Hat Noel Gallagher nicht mal die These aufgestellt, dass Musiker über 30 nur noch unbedeutendes Material produzieren? Das ist übertrieben, und natürlich könnt man leicht Gegenbeispiele finden. Und doch hat Gallagher nicht ganz Unrecht. Denn, seien wir ehrlich – wenn die Fans zu Steven Georgiou gehen, dann wollen sie die Stücke hören, die er als junger Mann geschrieben hat. Sie wollen Cat Stevens, nicht Yusuf Islam. Kein Wunder, dass er inzwischen unter beiden Namen tourt. Für Ozzy Osbourne, Iron Maiden, Kim Wilde und viele andere Künstler, die dieses Jahr in NRW gastieren, gilt das Gleiche. Es gibt neue Songs; die Leute kommen wegen der alten.
Noch nie war mit dem Blick zurück soviel Geld zu machen. An manchen Tagen erinnern die Konzertarenen des Landes an große Nostalgiekraftwerke. Das verwundert einerseits nicht. Mit den 68ern nähert sich die erste voll popsozialisierte Generation dem Ruhestand. Und warum soll sie die Idole ihrer Jugend nicht noch mal sehen? Den Konzertveranstaltern kann es nur Recht sein. Die Hallen sind voll, und auf studentengerechte Eintrittspreise braucht niemand Rücksicht zu nehmen.
Ein Problem haben junge Bands, die nur (noch) kleine und mittlere Hallen füllen. Früher konnten sie das durch Plattenverkäufe kompensieren, heute bezahlen diese nicht mal mehr den Roadie. Bleibt nur das vermehrte Touren. Die Taktung ist inzwischen irrwitzig. 87 Auftritte auf vier Kontinenten absolvierte beispielsweise die schwedische Indie-Band Shout Out Louds im letzten Jahr, die englische Konkurrenz von den Editors kam auf 71. Wer wollte, konnte die Bands allein in Deutschland 23 (!) bzw. siebenmal sehen. Dass die Shows unterschiedlich gut ausfielen – wen wundert’s? Die hohe Auftrittsfrequenz sorgt für Routine, Rockstar ist inzwischen ein hochdisziplinierter Job.
Das heißt noch nicht, dass man sich um den Nachwuchs Sorgen machen müsste. Und doch – manchmal wundert man sich, wie die Plakate an der Arena Oberhausen wohl in dreißig Jahren aussehen werden. „Lady Gaga – Botox Tour 2040“? „Die Fantastischen Vier – Greisen-Rap“? „Justin Bieber – Forever Young“? So unwahrscheinlich ist diese Vorstellung nicht.