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Eineinhalb Jahre nach seinem Tod erscheint ein neues Album von Michael Jackson – zusammengeflickt aus Demos. Wahre Fans werden auf „Michael“ wenige der Elemente vermissen, die sie lieben: Gekiekse, wütende hohe Schreie, Funk - alles da.

Die posthume Verwertungsmaschine des Erbes von Michael Jackson setzte schon in dem Moment ein, in dem der Sänger seinen letzten Atemzug tat. Böse Zungen behaupten: Zu der Zeit lief sie längst auf Hochtouren. Seit dem medikamentenbedingten Exitus des blassen Popkönigs wurde mit seiner Musik sehr viel Geld verdient. Man darf mutmaßen, mehr Geld als in den zehn, fünfzehn Jahren zuvor. Das Billboard-Magazine schätzt das Sümmchen auf über eine Milliarde Dollar. Ab kommenden Freitag dürfen die Buchhalter erneut zum Rechenschieber greifen, mit „Michael“ erscheint ein aus Demos, Rohaufnahmen und Skizzen zusammengeflicktes Album, das sich trotzdem nicht ganz so anhört wie das musikalische Gegenstück zu Frankensteins Monster.

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Im Prinzip sollte es für versierte Produzenten kein Problem sein, aus den nicht weggeworfenen Versatzstücken, von denen Michael Jackson reichlich zurückgelassen hat, genug neue Musik für zig Jahre zu schustern. Und genau das ist geschehen. Es besteht zwar kein Zweifel daran, dass Jackson ständig an neuen Songs arbeitete, und tatsächlich ist die im Radio zu hörende Single „Hold My Hand“, eine seichte R’n’B-Nummer, auf der man mehr von Rapper Akon als von Jackson hört, schon zu Lebzeiten inoffiziell im Internet aufgetaucht. Aber dann niemals veröffentlicht worden. Man darf annehmen, Jackson hatte seine Gründe.

Die letzten Alben von König Michael zeichneten sich dadurch aus, dass sie ein Destillat waren, das Beste aus bis zu 100 Songs. Es ist schwer vorzustellen, dass „Hold My Hand“ dazu gehört hätte.

Ebenso wäre die Nummer „Hollywood Tonight“ nie auf einem Studioalbum gelandet – zu deutlich die Ähnlichkeit zu „Billie Jean“. Auch „Behind The Mask“ klingt, als hätte Michael die 80er-Jahre-Coverversion von Eric Clapton abermals gecovert.

Echter als „Breaking News“ war bisher kein Song

Wo immer es ums Erbe geht, wird gestritten. Da sind die Jacksons wie jede Familie. So äußerte Michaels Schwester La Toya kürzlich Zweifel daran, dass jedes Mal tatsächlich ihr verstorbener Bruder zu hören sei – mit bizarren Folgen. Weil der Song „Breaking News“ klingt, als sei er eine später aufgenommene Abrechnung mit den Medien, entstanden bizarre Theorien um einen italienischen Jackson-Imitator. Im Gegenzug zog die Plattenfirma sechs Produzenten und Toningenieure aus Jacksons Umfeld hinzu. Und zwei Gerichts-Musikwissenschaftler. Sie alle bezeugen die Echtheit – echter war bisher kein Jackson-Song.

Wahre Fans werden auf „Michael“ wenige der Elemente vermissen, die sie lieben: sein Gekiekse, seine wütenden hohen Schreie, sein Funk, alles da. Nur der rote Faden fehlt. Darüber, dass dieses Album zu Lebzeiten eines Michael Jackson nie in dieser Form erschienen wäre, können aber nicht einmal die Songs hinwegtäuschen, die er gemeinsam mit 50 Cent („Monster“) und Lenny Kravitz („I Can’t Make It Another Day“) aufgenommen hat. Eines ist gewiss: Dies war noch nicht Jacksons letzter Schrei.