Dortmund. .

Zwei Größen der elektronischen Musik haben dieser Tage ihre Fans mit Live-DVDs versorgt: Depeche Mode und Schiller. DerWesten hat sich die Werke angesehen und gehört. Das Ergebnis: Beide setzen Maßstäbe.

Noch bevor die Tinte auf den ersten Wunschzettel getrocknet ist, verzücken die Elektro-Giganten Depeche Mode und Schiller ihre Fans mit Live-DVDs. Hier die zu Rockstars gewandelten Ex-Elektropopper, dort Sound-Tüftler und Perfektionist Christopher von Deylen, alias Schiller. Beide haben ihre DVDs in verschiedenen Versionen herausgebracht. Depeche Mode präsentieren ihre Tour of the Universe als Standard Edition (eine DVD, zwei CDs, 19,95 Euro), Limited Edition Deluxe (zwei DVDs, zwei CDs, 25,95 Euro) sowie als Blue-Ray (zwei Blue-Rays, keine CD, 26,95 Euro).

Schiller verwirrt ebenfalls mit verschiedenen Fassungen von „Lichtblick“. Da wäre die Limited Super Deluxe Edition (zwei DVDs, eine CD, ein Hardcover-Buch, 29,95 Euro) sowie die Limited Ultra Deluxe Edition (zwei DVDs, drei CDs, ein signierter Leinwanddruck, 159,90 Euro). Wer nur die Musik der Live-Auftritte von Schiller hören will, ist bei der CD „Atemlos live“ (16,99 Euro) richtig oder holt sich die gleichnamige DVD für 17,99 Euro.

Deluxe gegen Deluxe

Nach dem Versions-Wirrwarr kann der Seh- und Hörgenuss kommen. DerWesten hat Depeche Mode in der Limited Edition Deluxe und Schiller in der Limited Super Deluxe Edition gegeneinander antreten lassen.

Christopher von Deylen, alias Schiller, überzeugt dabei vom ersten Ton an. Der Sound ist satt, rund, glasklar und perfekt. Das Bild ein Augenschmaus. Selbst die DVD bietet gestochen scharfe Konzertbilder, kaum vorstellbar, was die Blue-Ray-Version hier auf den Bildschirm zaubern würde.

Die Atmosphäre von Schillers Auftritt in Hamburg kommt haargenau rüber – das ist zugleich ein kleines Manko. Denn Konzert-Atmosphäre will nicht aufkommen. Hier steht das Bühnenspektakel im Vordergrund. Grandiose Vokalisten wie Anggun oder Midge Ure, gute Musiker, eine überragende Lichtshow – alles ist ganz groß und perfekt.

DVD dokumentiert das Geschehen

Schillers DVD ist ein klassisches Werk. Das Video dokumentiert das Live-Geschehen und setzt die großartige Musik perfekt in Szene. Was Schiller auf seinen CDs schon in bester Manier vorlebt – sauberen, ausgefeilten Klang –, das findet auf der Live-DVD seine Fortsetzung. In Punkto Qualität gibt es absolut nichts zu mäkeln.

Dave Gahan von Depeche Mode verausgabt sich auf der Bühne. Foto: ddp
Dave Gahan von Depeche Mode verausgabt sich auf der Bühne. Foto: ddp © ddp

Die zweite DVD in der Schiller-Box enthält unter anderem den Mitschnitt eines Konzerts im Berliner „Heimathafen“. Auch hier sind Ton und Bild kritiklos gut umgesetzt. Die Inszenierung erinnert indes ein wenig an die Videos, die Herbert von Karajan Mitte der 80er einspielte, um seine Interpretationen von Beethovens neun Symphonien in bester Bild- und Tonqualität für die Nachwelt zu bewahren. Christopher von Deylen steht im Mittelpunkt als großer Maestro dieses Elektro-Konzerts.

Das einzige Manko der Schiller-DVD: Es gibt kaum Atmosphäre. Die Konzerte sind nun mal keine Rock-Konzerte mit Massenekstase und kreischenden Mädchen.

Giganten auf der Bühne

Diese netten Nebenerscheinungen des Rock- und Pop-Geschäfts bleiben Depeche Mode vorbehalten. Und die Live-DVD ist purer Rock. Besonders beeindruckend sind die häufigen Perspektivwechsel, die mal den Blick von der Bühne ins Publikum, mal umgekehrt zeigen. Der Zuschauer ist mitten im Geschehen. Arme und Kamera-Display versperren den Blick auf die Bühne – das ist Konzert-Atmosphäre. Schnell wird klar: Hier stehen Giganten auf der Bühne.

Umso enttäuschender ist der Klang des Depeche-Mode-Mitschnitts, ganz besonders bei der CD. Dave Gahans Stimme säuft ab, alles ist Brei. Gut, auch das unterscheidet die DVD nicht von vielen übel abgemischten Konzerten der letzten Tour der Briten. Und dass Gahan inzwischen drei Lieder braucht, um sich die Stimmbänder freizusingen, ist den Fans auch bekannt. Aber so saft- und kraftlos wie bei einigen Songs auf dieser Scheibe dürften Depeche bei keinem ihrer Auftritte geklungen haben. Da erscheinen selbst die zu dumpf geratenen Mitschnitte von „live here now“ besser.

Perfekter Konzert-Eindruck

Die indonesische Sängerin Anggun beim Schiller-Konzert. Foto: Imago
Die indonesische Sängerin Anggun beim Schiller-Konzert. Foto: Imago © imago stock&people

Doch ansonsten liefert die DVD einen perfekten Eindruck dessen, was ein Konzert von Depeche Mode bietet: Stadion-Rock, Schweiß, verrückte Fans, eine große Bühnenshow, einen Dave Gahan, der wie ein Irrwisch über die Bühne fegt – und diese ganz spezielle Form der Interaktion zwischen Band und Publikum, die es wohl nur bei dieser Band und ihren Fans gibt. Da bekommt sogar der schwache Bühnensound einen Pluspunkt, weil so der Wechselgesang zwischen Fans und Band umso deutlicher wird. Die Fans sind längst aktiver Teil des Geschehens – und genau das wird von diesem Live-Mitschnitt erstmals in einem herausragenden Maße gewürdigt.

Wenn es um Atmosphäre geht, schlagen Depeche Mode Schiller haushoch. Die Regie der Depeche-Mode-DVD ist wohl das Beste, was jemals als Live-Mitschnitt veröffentlicht wurde. Die Faszination dieser Band kommt wunderbar rüber. Allerdings wäre in Punkto Bild- und Tonqualität noch ein Tick mehr drin gewesen. Dennoch: Die Fans werden sich beim Ansehen der Scheibe an ihren Konzertbesuch erinnern und sich auf den nächsten freuen.

Wer jedoch auf Purismus und Qualität pocht, ist bei Schiller richtig. Die Fans in der Halle spielen eine Nebenrolle, sind Zuschauer und nicht aktiver Teil des Geschehens. Im Mittelpunkt steht die perfekte Inszenierung aus Bild und Ton, die auch bei der DVD-Umsetzung Maßstäbe setzt. Fans von Pink Floyd weinen noch heute, dass es keinen angemessenen Mitschnitt der „Division Bell“-Tour gibt. Schiller wäre eine Alternative.