Düsseldorf. .

Depeche Mode zeigten sich in Düsseldorf schön düster, Dave Gahan und Band elektrisierten die Massen in der Esprit-Arena. Schon beim Opener „In Chains“, der sich faszinierend quälend dahinzieht, wird deutlich – der Spaß bei Depeche Mode kommt mit dem Schmerz.

Stadionkonzerte, da zuckt der ein oder andere Musikfreund schon mal zusammen. Seelenlose Gigantomanie, absurde Bühnenbilder, schlechter Sound. Dass es auch anders geht, zugegeben, im Unterrang war der Klang gerade so akzeptabel, bewiesen Depeche Mode beim ersten ihrer beiden Konzerten in der Esprit-Arena in Düsseldorf. Dass die nun am Ende ihrer Welttournee liegen, war dem Gallenblasentumor von Sänger Dave Gahan geschuldet, der scheint jedoch genesen, auch wenn er hager und sehnig wirkt, die Pirouetten mit dem Mikroständer absolviert er wie ein Derwisch, der sich in Trance tanzt.

Dass er sich zu einer Musik bewegt, die für ein solche gigantische Bespaßungsveranstaltung eigentlich denkbar ungeeignet scheint, ist eines der großen Mysterien der Band aus der „new town“ Basildon, England, die nun schon dreißig Jahre Elektropop spielt. Denn von den Anfängen als recht leichtgewichtige, aber stets sympathische Synthie-Combo haben sich Gahan, Martin L. Gore und David Fletcher zu einem düsteren Kraftwerk entwickelt, haben das Unbehagen an der Welt in brillante Melodien gegossen.

Karge Bühne und eine geschickte Videodramaturgie

Schon beim Opener „In Chains“, der sich faszinierend quälend dahinzieht, wird deutlich – der Spaß bei Depeche Mode kommt mit dem Schmerz. Dazu passt die karge Bühne und eine geschickte Videodramaturgie, die Gahan und seine Freunde oft in Pixel und hart getönte Bilder zerlegt. Eine überdimensionale Linse wird zur Discokugel oder auch, wunderbar retro, zum textenden Kugelkopf jener Schreibmaschinen, die vor dem Computer als state of the art galten.

Ein Rabe fliegt im Takt, inszeniert von Hausfotograf Anton Corbijn, der zuletzt den englischen Meistern der Pop-Depression, Joy Divison, ein filmisches Denkmal setzte. Und vielleicht sind Depeche Mode heute die angepassteren Nachfahren dieser Band, auch weil Gahan dem Drogentod entkommen ist und sich auch nicht das Leben genommen hat wie Ian Curtis.

Rau, verzerrt und primitiv

Gahans Pop-Gesten sind es, die den Sound aus dem Dunkel reißen, das Herumwirbeln, das „Yeah“ und das „That´s right“ und vor allem dieser Ruf nach „Martin“ bevor der Songschreiber Gore ein erstes fulminantes Gitarrensolo spielt, rau, verzerrt und primitiv. Ein großer Rock-Moment, einstudiert, aber dennoch wirksam. Gore hat seine eigenen Momente in den scheinbar simplen Songs, die er zu behutsamen Keyboardklängen singt. Erlösung in dieser düsteren Messe gibt es auch, wenn 50.000 mit den Armen wedeln, wenn sie „I´m taking a ride with my best friend“ singen, wer oder was auch immer dieser Freund sein mag, und natürlich auch den Satz darüber, dass Worte so viel Unheil anrichten.

Die Hits sind die Atempausen in diesem Konzert, der nun auch schon zwanzig Jahre alte Electro-Blues vom „Personal Jesus“ oder „I Feel You“ wirken dennoch abstrakter als früher. Depeche Mode sind schon lange erwachsen und jetzt vielleicht in ihrer „reifen“ Phase angelangt. Es dürfte interessant sein zu beobachten, wohin sie noch gehen. „Music for the Masses“ für die Fans zwischen zwanzig und fünfzig wird es bleiben, es sei denn, ihre Klangfarben werden noch düsterer. Am Ende sieht man die drei Masterminds im Video in Raumanzügen, lost in space, auf einer Odyssee. Denn vor 50.000 muss man sich auch einsam fühlen.