Köln. Sie ist erst 19, doch Anja Plaschg singt so abgrundtief traurig, als wäre sie schon an mehreren Leben verzweifelt. Als Soap & Skin gab die Österreicherin am Mittwoch in der Kulturkirche Köln ein Konzert. Und das ging so unter die Haut, dass alle darüber das Handyfilmen vergaßen.
Ausgerechnet in einer Kirche. Soap & Skin hier auftreten zu lassen ist ungefähr so originell wie ein Konzert von AC/DC im Unspannwerk. Oder so genial. Denn wenn man ehrlich ist, kann es ja kaum einen besseren Ort für eine Künstlerin geben, die so schauderhaft schön mit Todes- und Erlösungsfantasien spielt wie die 19-jährige Österreicherin Anja Plaschg alias Soap & Skin.
Es fängt schon damit an, dass bestenfalls die ersten beiden Reihen eine Chance haben, ihr Gesicht zu erkennen. Dort, wo sonst ein Altar steht, ist jetzt ein Flügel. Da sitzt sie im kurzen Kleid, natürlich schwarz, vor einem Notebook, natürlich ein Mac, und lässt sich beim Verzweifeln beobachten. Eigentlich ist ihr das unangenehm, das sieht man bis hinten. Und es wirkt nicht gespielt, wenn sie kaum hörbar ein „Dankeschön“ flüstert. Bei ihrem ersten Auftritt hat sich die „dunkle Prinzessin“ (Spiegel) gar hinter einem Schutzwall aus Toilettenpapier versteckt.
Inzwischen scheint „die Schmerzensfrau“ (Tagesspiegel) aber gelernt zu haben, damit umzugehen. Ihre spärliche Bühne ist eine Fundgrube für jeden Semiotik-Kurs. Das Glas mit Rotwein (Blut!), das sie kein einziges Mal berührt, die Lilien (Todesblumen!) in einer Vase unterm Flügel. Und dann diese zierliche Frau, die Samara aus „The Ring“ noch ein bisschen näher ist als Alice im Wunderland.
Es duftet nach süßem Weltschmerz
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Mit einem Goth, wie wir ihn üblicherweise kennen, hat Soap & Skin nichts gemein. Es riecht nicht nach Patschuli, es duftet nach süßem Weltschmerz.
Anja Plaschg feiert diese Tristesse Royale mit gefälligen Klaviermelodien und elektronischen Blutgrätschen. Das klingt dann manchmal so, als würde Aphex Twin zufällig zur Tür hereinstolpern, während Norah Jones ein neues Album aufnimmt. Wie der ganze Auftritt, ist auch das irgendwo zwischen Mainstream und Kunstperformance. Wen das nicht nervt, kann ein paar sehr erhabene Momente daraus ziehen.
Das Publikum in der Kulturkirche entscheidet sich mehrheitlich fürs Zweite. Wenn Soap & Skin sirenenhaft singt und spielt, schreit und ein einziges Mal über die Bühne rennt, ist es da, wo mal Kirchenbänke standen, unfassbar still. Überraschenderweise traut sich niemand, das Handy in die Luft zu strecken und zu filmen. Ungewöhnlich für ein Konzert, dessen Hauptperson durchaus in die Kategorie Internet-Phänomen fällt.
Schon nach einer Stunde ist das Schaudern vorbei. Ein Ausflug in die Kirche der Angst einer erstaunlichen jungen Frau.
- Am 16. Dezember spielt „Soap & Skin“ im Savoy Theater Düsseldorf mit einem Ensemble.