Düsseldorf. 90 Minuten Vollgas: Die Band Billy Talent begeistert in der ausverkauften Düsseldorf Mitsubishi Electric Halle mit alten wie neuen Hits.

Ben Kowalewicz flüstert, ziemlich genau zehn Sekunden lang. Einmal wiederholt er die Zeilen „Whisper, whisper, don’t make a sound. Your bed is made, it’s in the ground“ – um sie dann nach Einsetzen des Schlagzeugs nochmal inbrünstig herauszuschreien. „Devil In A Midnight Mass“ heißt der erste Song, der die Fans in der ausverkauften Mitsubishi Electric Halle direkt in Euphorie versetzt. 2006, zur letzten Hochphase von VIVA und MTV, gelang Billy Talent mit eben jenem Stück der Durchbruch. Mit „Fallen Leaves“ und allen voran „Red Flag“ folgten zwei Singles, deren Videos aus den Musik-TV-Rotationen nicht mehr wegzudenken waren und die Kanadier in Deutschland hinter Nickelback zur zweitbeliebtesten Rockband ihres Landes machten.

Die bekanntesten Hits stehen natürlich in Düsseldorf auf dem Programm und werden vom größtenteils aus Endzwanzigern bis -dreißigern bestehenden Publikum frenetisch gefeiert. Wobei neue Songs wie „Reckless Paradise“ ihren 16 Jahren alten Vorgängern in nichts nachstehen, die Energie im Saal bleibt durchweg hoch. Musikalisch trauen sich Billy Talent auf dem aktuellen Album „Crisis Of Faith“ (dt.: „Glaubenskrise“), erschienen im Januar, kaum aus ihrer Komfortzone aus schnörkellosem Punk- und Alternative-Rock mit Emo-Einflüssen.

Billy Talent verzichten live auf große Experimente

Nur konsequent ist es, dass „Forgiveness“, mit sechseinhalb Minuten Länge und Saxofon-Klängen das überraschendste Stück der Platte, um die Hälfte gekürzt wird. Der zweite Teil mitsamt des Bläser-Solos fällt live der Limitierung durch das klassische Rock-Aufgebot aus Bass, Schlagzeug und Gitarre zum Opfer.

Billy-Talent-Gitarrist Ian D’Sa in Aktion.
Billy-Talent-Gitarrist Ian D’Sa in Aktion. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Mit Songs, die den „Glauben daran stärken sollen, dass irgendwann wieder bessere Tage kommen als die mit Pandemie und Krieg“, wie es Kowalewicz formuliert, beschert das Quartett den knapp 7000 Anwesenden schon mal einen gelungenen Abend. Der Frontmann, passend zum Spielort in ein Shirt der befreundeten Toten Hosen gekleidet, erinnert zwischendurch an die 2007 an Ort und Stelle aufgenommene Live-DVD „666“. Damals wie heute endet das Konzert mit „Red Flag“, auf eine Zugabe verzichten Billy Talent. Was bleibt, sind Schweißperlen und glückliche Gesichter.

Sammeln für Kinder in Not und MS-Kranke

Abseits der Bühne zeigte sich die Band von ihrer philantrophischen Seite. Ein Euro pro verkauftem Ticket spenden Billy Talent der gemeinnützigen Organisation „War Child“, die sich um psychologische Betreuung Minderjähriger in Kriegsgebieten kümmert. Zudem verkaufte die Formation aus Toronto individuell angefertigte Konzertplakat-Kunstdrucke des Hamburger Designteams Spiegelsaal, ein Teil der Einnahmen geht ebenfalls an „War Child“.

Und wie schon auf früheren Touren wurde wieder für die Organisation „F.U.MS“, kurz für „Fuck U Multiple Sclerosis“, gesammelt – T-Shirts, Jutebeutel, Buttons und Sticker wechselten für eine Spende den Besitzer. Die Stiftung gehört Billy-Talent-Gründungsmitglied Aaron Solowoniuk, der selbst seit 1997 an der Nervenkrankheit leidet und deswegen schon lange keine vollständigen Konzerte mehr spielen kann. Auf der laufenden Tour sitzt Loel Campbell von der befreundeten Band Wintersleep hinter den Fellen – in Düsseldorf erledigte er seinen Job ohne Fehl und Tadel.

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