Düsseldorf. Die Toten Hosen drückten beim Heimspiel im Düsseldorfer Stadion aufs Tempo. Und nach dem Freitagskonzert gab es am Samstag eine Überraschung.

Schnell wird am Freitag klar, wer in Düsseldorf die Hosen an hat: Es sind 45.000 Fans in der Merkur-Spiel-Arena, die beim ersten von zwei aufeinanderfolgenden Konzerten der Toten Hosen die Dramaturgie selbst in die Hand nehmen.

Kaum hat Campino mit seinen Mannen die Bühnenbretter nach einem launigen Western-Intro zum Wanken gebracht, schallt ein „Happy Birthday“ durch das voll besetzte Stadion. 60 Jahre Campino, der Geburtstag des Frontmanns ist noch fühlbar. Dazu: 40 Jahre Die Toten Hosen. All die ganzen Jahre, wo sind sie geblieben? Bei zweieinhalb Stunden Gig-Glückseligkeit gibt es aber keine Zeit für Wehmut.

Toten Hosen in Düsseldorf: An Tagen wie diesen zählt der Jubel

„Wo können wir unseren Geburtstag nur besser und härter feiern als hier?“, fragt Campino selbsterklärend, um gleich von liebgewonnenen Fahrrad-Touren am Rhein zu erzählen - und anschließend Kölner Dom und Berliner Spree in einem Düsseldorfer Liebesbekenntnis gleichermaßen zu versenken. Es lebe das Metropolen-Monopol in Reinkultur.

Es ist die Stunde der Patrioten bei der unkaputtbaren Jahrzehnt-Band zwischen Punk und Rock, die sich für manchen Geschmack zuletzt aber zu sehr in kantenloser Beliebigkeit ausruhte. An Tagen wie diesen bleibt von tosenden Rängen bis tobendem Innenraum aber einzig die Feiertagsstimmung. Die heutige Fünfer-Formation hat als Band mit den meisten Nummer-eins-Alben in Deutschland sowieso tiefe Spuren hinterlassen.

Entzündete Bengalo-Fackeln flackern neben den Boxentürmen wie Geburtstagskerzen, wenn die wütende Widerstands-Hymne „Pushed again“ die Zähne fletscht. Überhaupt wirkt es wie entfesselter Jubel, wenn Zehntausende nach all den Corona-Beschränkungen gemeinsam eskalieren - auch wenn die kletternde Inzidenz-Kurve momentan nicht gerade für frohe Kunde steht.

Toten Hosen in Düsseldorf: Bengalo-Fackeln und Winter-Video

Vielleicht feiert Campino mitten im Konzert deshalb schon ein wenig die Weihnachtsfeier vor - und filmt einen Video-Clip für den Winter als eingefrorene Erinnerung eines perfekten Moments der Euphorie.

Dass sich Fußball-Fan Campino passend zu „You’ll never walk alone“ ein Liverpool-Trikot überstreift, überrascht wenig. Sehr wohl aber verdutzt zunächst die getragene Einsatz-Jacke eines Feuerwehrmanns, die der Neu-60er als Geschenk erhält und den Fans am eigenen Körper präsentiert. Als Anerkennung für einen wichtigen Beruf voller Freiwilliger.

Ihr Pflichtprogramm meistern die Hosen im Hexenkessel tadellos. „Hier kommt Alex“, „Opelgang“, „Liebeslied“, „Wünsch dir was“, „Paradies“ - die Fans lassen längst die Arme kreisen, schwenken Flaggen und verabreden sich am Bühnengraben zum strudelartigen Mosh-Pit. Tempo, Tempo, Tempo. Auch die Olé-Hymne „Auswärtsspiel“ wird beim Heimspiel gearbeitet.

Im unteren Stadionring betreiben Fans unterdessen ganz anderen Aufwand. „Altbier ist an vielen Ständen ausverkauft!“, hört man im Zuschauerbereich und sieht Verkäufer mit den Schultern zucken. Wo die Besucher fündig werden, stapeln sich mit historischen Band-Motiven bedruckte Becher bis unter das Kinn.

Toten Hosen in Düsseldorf: Erstes Konzert unter Oberkasseler Brücke

Zwischendurch wird der Hosen-Hirte doch noch nostalgisch: 76 eigene Konzerte zählt Campino allein in Düsseldorf. Den ersten Auftritt improvisierten die Punk-Rocker 1982 noch vor gerade einmal 50 Leuten unter der Oberkasseler Brücke. „Da haben wir den Strom-Generator selbst mitgebracht. Weil kein Club in der Stadt uns auftreten lassen wollte."

Das hat sich hurtig geändert. Doch Campino mimt auch heute noch gerne den Halbstarken - gesungen wie gefühlt. Er beugt sich weit zu den stets agilen Anhängern in der ersten Bühnenreihe hinunter und lässt Auserwählte in nicht abreißender Laune an seinem Mikrofon mitsingen. „Weil du nur einmal lebst. Oho…“

Treibend, voller Energie - die Toten Hosen lassen in Düsseldorf bei tadellosem Open-Air-Wetter ohne Hitze und Gewitter nichts anbrennen.

Dass die Band das einsetzende Konzert-Ende nach der vierten Zugabe mit gewohntem Schabernack lange offen lässt, kennen Campino-Jünger. Dass der erste hastig angekündigte Abschied, beinah eine Stunde vor dem tatsächlichen Feierabend, keinen Edel-Fan mehr schocken kann, dürfte ebenfalls klar sein.

Düsseldorf vs. Berlin: Ständchen von den Ärzten

Nach der ersten Riesensause am Freitag traten die Hosen am Samstag zum zweiten Konzert an. Dabei erlebten die Fans eine Berliner Überraschung: Als nach einer kleinen Pause das Licht wieder anging, standen plötzlich Die Ärzte auf der Bühne.

Bela B., Farin Urlaub und Rod spielten erst zwei Stücke alleine und dann gemeinsam mit den Hosen den Ärzte-Klassiker „Schrei nach Liebe“ und „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones. Und das nach 40 Jahren Düsseldorf-Berliner-Hassliebe!