Essen. Das neue Album von Billy Talent ist erschienen. Gitarrist Ian D’Sa sprach mit uns über „Crisis Of Faith“, den Klimawandel und Tourpläne.

Drei Nummer-eins-Alben, vier Platin-Schallplatten, ausverkaufte Multifunktionsarenen – die Mitglieder von Billy Talent können sich auf ihre deutschen Fans verlassen. Bevor die Kanadier zur kommenden Festivalsaison erstmals nach vier Jahren wieder über den großen Teich kommen, veröffentlichen sie am Freitag ihr sechstes Album „Crisis Of Faith“. Über die Zusammenarbeit mit einem Jugendhelden, das Tourleben in Deutschland und fragwürdige Hauptdarsteller in Musikvideos sprach Patrick Friedland mit Gitarrist und Songwriter Ian D’Sa (46).

Herr D’Sa, genießt man als ständig tourender Rockstar nicht auch mal so eine Zwangspause?

Ian D’Sa: Es war mal ganz nett, sich mehr Zeit für ein Album lassen und bestimmte Dinge aufschieben zu können, anstatt innerhalb von vier Monaten alles fertig machen zu müssen. Aber ich vermisse das Touren sehr, vor allem die Reisen nach Europa und da insbesondere Deutschland.

Womit haben Sie die vergangenen zwei Jahren mit all den Lockdowns verbracht?

Ich habe ein Album fertiggemacht – und ansonsten absolut nichts (lacht). Natürlich hatte ich viel mehr Kontakt mit der Familie als sonst, weil wir nicht raus konnten.

Im Februar steht erstmal eine Tour durch Kanada an.

Ja, es wird unsere erste seit vier Jahren. Wir sind sehr aufgeregt und hoffen, dass alles wie geplant stattfinden wird.

Bekamen Kunstschaffende in Kanada eigentlich staatliche Hilfen während der Lockdowns?

Tatsächlich bekam jeder Kanadier, egal ob Künstler oder nicht, für einige Monate kleine staatliche finanzielle Hilfen. Aber ich bekam mit, dass es in Deutschland wohl mehr gab. Speziell für Künstler gab es nur sehr wenig und das auch erst nach mehreren Monaten.

Einige Songs der neuen Platte erschienen ja bereits vor dem Ausbruch der Pandemie. Wie viel „Corona-Frust“ steckt denn überhaupt in „Crisis Of Faith“?

In der zweiten Hälfte sehr viel. Die Pandemie beeinflusste die Texte und das hört und liest man auch. Die Songs der ersten Albumhälfte stammen größtenteils aus 2019, wir haben nie länger für ein Album gebraucht.

Auch in das Cover, das ein Motorrad fahrendes Skelett vor einem ausgebrochenen Vulkan zeigt, lässt sich viel reininterpretieren.

Das Motiv stammt tatsächlich aus der Zeit vor der Pandemie. Ryan Quickfall, ein britischer Illustrator, zeichnete die Figur für die „Reckless Paradise“-Single, die ja schon 2019 veröffentlicht wurde. Da hat er einen fantastischen Job gemacht, sodass wir auch das Albumcover von ihm wollten. Wir wollten Elemente darauf haben, die die Situation der Welt widerspiegeln, das Feuer steht zum Beispiel für die schlimmen Buschfeuer in Australien, die Katastrophensituation für die Tatsache, dass Politiker wie Donald Trump an die Macht gewählt werden. Jetzt, nach zwei Jahren Pandemie, fühlt sich das Cover natürlich ziemlich prophetisch an.

Ist das besungene Paradies seit Corona noch mehr „reckless“, also rücksichtloser geworden?

Definitiv. Wobei „Reckless Paradise“ ein Song darüber ist, dass Menschen in der modernen westlichen Welt nicht dankbar dafür sind, was sie haben und ihr Paradies zunehmend zerstören.

Das Cover des Albums
Das Cover des Albums "Crisis of Faith". © dpa | Warner Music

Was können wir tun, um das Paradies weniger rücksichtlos zu gestalten?

Ich weiß nicht, ob wir das Ganze nochmal umdrehen können oder ob es nicht schon zu spät dafür ist. Der Klimawandel ist das große Thema. Und es dürfen keine Politiker an die Macht kommen, die eine Politik wie vor 20, 30 Jahren durchsetzen wollen, wir brauchen progressivere Regierungen. Auch wir in Kanada haben zu viele Regierungen in den Provinzen, die den Klimawandel nicht so ernst nehmen wie sie es müssten.

Wieder war Chris Lord-Alge der Mixer. Was macht er besser als andere?

Er hat alle unsere Platten gemischt außer die dritte. Sein Mix bringt exakt das, was ich mir für unsere Platten vorstelle. Er kennt die Band seit dem Debüt, fühlt sie richtig und es wird immer besser. Chris bringt die feinen Details und weiß, welche Songteile noch ein wenig Veränderung brauchen.

Aber er ist nicht verantwortlich für das Saxofon-Solo in „Forgiveness I + II, oder?(lacht)

Nein, aber er hat das super abgemischt. Wir wollten was Progressives machen, etwas, das wir noch nie gemacht haben, uns herausfordern. Ich habe noch versucht, das Solo auf Gitarre nachzuspielen, aber das klang echt zu angeberisch und protzig. Und ich bin kein Gitarrist, der gerne solche Protz-Solos spielt. Tatsächlich habe ich für diesen Part mehrere für Billy Talent ungewöhnliche Instrumente mit ProTools programmiert und das Saxofon klang am besten. Die Aufnahme hat dann Dennis Passley, ein guter Freund der Band, eingespielt.

Kommt es irgendwann zu einer Billy-Talent-Orchestertournee?

Mal sehen. Ich würde das echt gerne mal machen. Beim Song „The Wolf“ haben wir ja diesmal schon ein Orchester auf Platte, das hatten wir noch nie. Das Arrangement kam von David Campbell, der schon mit Metallica und vielen anderen Weltstars arbeitete. Ziemlich kurios: Er saß in Nashville, das Orchester in Los Angeles und wir in Toronto, so war das eben im Lockdown. Eine total neue Art für uns, einen Song aufzunehmen.

Wer kam auf die Idee, die UFC-Stars Donald Cerrone und Rose Namajunas in dem cineastischen Musikvideo mitspielen zu lassen?

Auch interessant

Das war Regisseur Michael Maxxis. Er hatte für uns schon die Videos zu „Saint Veronika“ und „Viking Death March“ gedreht, ein supertalentierter Typ. Er ist mit Cerrone befreundet, fragte ihn und er und Rose hatten Lust. Uns war halt klar, dass es in dem Video viele Kampfszenen zu sehen gibt, das passt dann eben.

Dass Cerrone Trump-Supporter ist und in der Öffentlichkeit schon mehrfach wegen diskriminierender Sprache auffiel, war kein Thema?

Oh. Das höre ich gerade zum ersten Mal. Und das ist nicht gut, da werden wir nochmal drüber reden. Ich kenne ihn persönlich überhaupt nicht, er ist halt mit dem Regisseur befreundet.

Zurück zur Platte: Es gibt einen Song mit Weezer-Frontmann Rivers Cuomo. Wie kam es dazu?

Als ich den Song fast fertig hatte, spielte ich Ben das Demo vor und er meinte, dass das wie Weezer in den 90ern klingt. Und dass es doch cool wäre, wenn Rivers den Song singen würde. Und ich entgegnete, dass das niemals passieren würde. Dann wurde der Song fertig und wir baten unseren Manager, ihn zum Manager von Weezer zu schicken. Und Rivers mochte, was er hörte und schickte uns schnell seine Vocals. Sehr cool. Leider konnten wir uns wegen Corona nicht persönlich treffen, das lief alles digital.

Er kannte Billy Talent schon?

Billy Talent

.
. © Unbekannt | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
.
. © Lars Heidrich / WAZ FotoPool | Unbekannt
1/48

Wahrscheinlich. Sein Manager auf jeden Fall, wir hatten uns vor Jahren mal irgendwo gesehen. Für uns schloss sich damit ein Kreis. Wir sind in den 90ern groß geworden und haben als Teenager ganz viel Weezer gehört. Das „Blue Album“ und „Pinkerton“ waren unsere Lieblingsplatten. 1995 sah ich sie live, sie spielten das „Blue Album“ in voller Länge. Eines der besten Live-Erlebnisse aller Zeiten.

Tolle Live-Erlebnisse hatten Billy Talent auch schon zahlreich in Deutschland. Haben Sie einen Lieblingsort hier?

Hamburg ist fast für die ganze Band der Lieblingsort. Eine der ersten Städte außerhalb Kanadas, wo wir großartige Erinnerungen sammeln konnten. Zwei enge Freunde vom Label wohnen zudem da. Ansonsten: München, Dortmund, Düsseldorf, Köln sind auch großartig.

Schon mal auf der Reeperbahn gewesen?

Ich trinke da gerne mal was. Aber das war es dann auch. (lacht)

Wenn Sie endlich wieder touren können, was dürfen die Fans erwarten?

Jetzt, nach sechs Alben, können wir uns bei den Shows wohl mehr trauen als früher, die Planung nimmt auch mehr Zeit ein. In Kanada spielen wir bald unsere größte Tour, in den riesigen Eishockeyarenen mit fast 20.000 Zuschauern. Wie viel wir von der Show aber mit nach Deutschland rüberbringen, müssen wir abwarten. Da werden wir, sehr wahrscheinlich im November und Dezember, ähnliche Hallen und Konzerte spielen wie früher.

Letzte Frage: Wie geht es Drummer Aaron Solowoniuk, der ja an Multipler Sklerose leidet?

Soweit körperlich wie mental richtig gut. Wir proben tatsächlich gerade ein paar Songs für eine Weihnachts-Benefiz-Show in Kanada. Zwei, drei Lieder schafft er hintereinander. Aber er spielt immer noch überragend. Es reicht nicht nur nicht für eine Tour oder ein ganzes Konzert. Die Aufnahmen für das neue Album hat Jordan Hastings eingespielt, auf der kommenden Tour wird uns aber ein anderer Drummer begleiten, weil Jordan Verpflichtungen mit seiner Hauptband Alexisonfire hat.

>>> INFO: „Crisis Of Faith“

„Crisis Of Faith“ ist gestern in verschiedenen Formaten erschienen. Beinharte Fans können sich auf store.billytalent.com ein limitiertes Paket mit der LP auf Vinyl, Kapuzenpullover und fünf 7“-Singles für ca. 100 € sichern.

Am ersten Juni-Wochenende spielen Billy Talent bei den Festivals Rock am Ring und Rock im Park. Eine Deutschland-Tournee ist für den Spätherbst 2022 geplant, genaue Daten folgen.