Essen. Papst Benedikts erste Gesangs-CD ist da. Er singt (ein bisschen) und betet (mehr) zu zeitgenössischer Musik. Das Urteil eines Kirchenmusik-Profis ist kritisch; er spricht von "Klangsauce und Schlager-Ästhetik". Die Platte ist im Handel erhältlich - in einer „Spezial Edition” bei Aldi Nord.

Bei einem gewöhnlichen 82-Jährigen würde man es kühn nennen, begegnete er im hohen Alter den nicht zu unterschätzenden Anforderungen, vor die der Klassikmarkt Debütanten stellt. Da es sich in diesem Fall jedoch um den Papst handelt, ist gesundes Gottvertrauen nicht auszuschließen. Kurz: Benedikts erste Gesangs-CD ist da.

Am Donnerstag sah man sie schon in einer „Spezial Edition” bei Aldi Nord. Ab Freitag gibt es sie überall – urbi et orbi. Der Papst singt (ein bisschen) und betet (mehr) – und dann gibt es, wie der Untertitel von „Alma Mater” verrät: „Musik aus dem Vatikan”.

Es ist eine CD der Marienverehrung. Wo der Papst zu hören ist, handelt es sich um Mitschnitte von Audienzen, Wallfahrten („Frohlocke Jungfrau”). Um die Papst-Worte hat man Neues herum komponiert. Das geschah (ohne Papst) in den Abbey Road-Studios von London (Beatles) mit den Philharmonikern des englischen Königshauses. Das Komponistentrio ist schillernd. Simon Boswell etwa begann seine Filmmusik-Karriere im Horror-Genre (in „Phenomenon” hilft erst eine verständige Schimpansin namens Inge, das Böse zu vernichten). Aber sind wir nicht alle Sünder? So nimmt der Papst auch Simon auf in seine Stunde leichter Musik. Dazu Nour Eddine und Stefano Mainetti. Es dirigiert Pablo Colino.

„Colino?”, fragt der Redaktionsgast, an dessen Profi-Seite wir die Papst-CD hören. „Ist der immer noch Musikdirektor im Petersdom?” Für Raimund Wippermann, Professor für Chorleitung, ist die Welt ein Dorf, selbst die der Kirchenmusik. Mit Colino saß er mal irgendwo in der Jury.

Die Papst-Platte läuft. Raimund Wippermann presst die Lippen etwas fester zusammen, senkt den Blick, atmet tief und sagt: „Es erstaunt mich!” Wippermann lauscht weiter. Lauscht breiten Streicherteppichen und Litaneien. „Die werden eigentlich mit der Gemeinde gesungen”. Wippermann rutscht ein „Krass!” heraus, dann schweigt er, neigt den Kopf und sagt vorsichtig: „Die Texte sind gut!”

Das Projekt irritiert den Experten

Der Fachmann, mindestens einmal monatlich im Essener Dom als Chordirigent bei der Sonntagsmesse musikalischer Gestalter, bremst sich. Aber das Projekt irritiert ihn. „Schon als Kardinal hat Benedikt gesagt, Musik soll in den Geist gehen, nicht in die Füße. Was ich da höre, entspricht nicht ganz dem, was dieser kluge Mann über Kirchenmusik geschrieben hat. Die Musik ist leider oberflächlich.” Im Hintergrund setzt muntere Percussion ein. „Das jetzt ist wenigstens volkstümlich und in sich stimmig”, sagt er.

Wie er singt, der Papst (sagt Raimund Wippermann, als das „Regina Coeli” aus Benedikts Mund erklingt), dazu wolle er nicht viel sagen, darauf komme es ja nicht an. Denn erstens sei Experten das Wort Altersstimmbruch durchaus vertraut und zweitens habe das „etwas sehr Authentisches, weil man spürt, dass er dahinter steht”. Außerdem, sagt Wippermann, „ist das Stück in Lourdes aufgenommen worden. Ich weiß, wie einem der Weihrauch auf die Stimme schlagen kann.”

„Einstiegsniveau leicht”

Weniger wohlwollend fällt das Urteil über die Musik aus. „Klangsauce, Schlager-Ästhetik”, sagt Wippermann leise und zeigt sich traurig darüber, dass ein einmaliges Projekt so gar nicht auf die kompositorischen Schätze der Kirchenmusik zurückgreife, was Tiefe, Qualität und Aussage angehe. Wippermann hört wieder hin und sagt: „Es könnte ein Versuch sein, Leute zu erreichen, die nicht mehr zur Kirche gehen. Mit Sicherheit hat sie ein leichtes Einstiegsniveau.”

Ob er glaube, Benedikt selbst habe die Kompositionen kritisch geprüft und für gut befunden? „Ich mache ein Fragezeichen”, sagt Raimund Wippermann und fragt, ob er die CD mal seinen Studenten vorspielen dürfe. Wippermanns Fragezeichen beantwortet das ihr beigefügte Büchlein so: „Der Papst hat den Beteiligten vertraut.”

Alma Mater (Universal), in verschiedenen Editionen, darunter „Jewel Case” und „Deluxe Book Edition”. Ein Euro pro CD geht an „Ein Herz für Kinder”