Der amerikanische Schriftsteller James Salter legt im Alter von 88 Jahren einen neuen Roman vor, sein erster nach über 30 Jahren. Ein großer Wurf. Den man, ob seiner Radikalität und Sprachmacht, kaum ein Alterswerk nennen mag. „Alles, was ist“ beweist, dass er zu den ganz Großen seiner Zunft gehört.
Der amerikanische Schriftsteller James Salter ist 88 Jahre alt, seinen letzten Roman hatte er 1979 veröffentlicht. Seither schrieb er Short Stories, Essays, eine Autobiografie. Nun aber überrascht er die Welt noch einmal mit einem großen Wurf. Den man, ob seiner Radikalität und Sprachmacht, kaum ein Alterswerk nennen mag.
Salters Held Philip Bowman teilt mit ihm das Geburtsjahr 1925, er lebt wie Salter in den literarischen Zirkeln New Yorks. Und er hat – wie Salter, der bis 1957 als Kampfpilot der US Air Force diente – eine militärische Vergangenheit. Das Wesentliche passiert gleich zu Beginn, auf den ersten zwanzig Seiten. Bowman erlebt 1945 als Marinesoldat die letzte Schlacht des Pazifikkrieges, er sieht – wir sehen – das japanische Kriegsschiff Yamato sinken. Bowman kehrt heim, „die Welt war scheinbar noch dieselbe, vertraut und unbedeutend“, aber in seinen Träumen herrscht noch immer Krieg.
Affären und Jahre ziehen dahin
Bowman wird Lektor eines New Yorker Verlags. In einer Bar lernt er Vivian kennen und alsbald ihre Heimat: „Das Virgina von Vivan Amussen war angelsächsisch, privilegiert und inzuchtbehaftet.“ Bowman heiratet Vivian; doch ist dies nur der Beginn eines lebenslangen, sehr lakonisch geschilderten Reigens.
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Bei einer Reise nach London begegnet Bowman Enid Armour, es beginnt eine Liaison. Vivian ist in New York unglücklich, schließlich trennt sie sich von Bowman. Die Affäre mit Enid kühlt ab. Im Taxi lernt Bowman Christine kennen, ist bald (wieder) „wie berauscht“. Auch diese Beziehung aber scheitert; in der Unbeständigkeit von Bowmans Liebesleben porträtiert der Roman auch eine Gesellschaft im Wandel.
Stimmungen, Landschaften in poetischen Sätzen
James Salter erzählt in Szenen und Dialogen, die Schlaglichter werfen. Stimmungen, Landschaften erfasst er in poetischen Sätzen; für die nicht wenigen Sexszenen hingegen findet er deutliche, gleichwohl unpeinliche Worte. Doch so sehr Salter seine Leser zu berühren vermag, so ungerührt scheint Bowman selbst. Beinahe, als wäre ein Teil von ihm auf dem Kriegsschiff zurückgeblieben, nimmt er alles das, was ist, gleichmütig hin.
In Salters großem Eheroman „Lichtjahre“, der in den USA 1975 erschien (und mit zwei Jahrzehnten Verzögerung ins Deutsche übersetzt wurde), gibt es ein Gespräch über das Verhältnis von Ruhm und Kunst. Braucht große Kunst den Ritterschlag des Ruhms? James Salter blieb der Star-Status eines Philip Roth oder John Irving verwehrt. Ihrer Kunst aber steht er keinesfalls nach.
- James Salter: Alles, was ist. Berlin Verlag, 368 S., 22,99 €