Haruki Murakamis Roman „Gefährliche Geliebte“, über dessen erotische „Stellen“ sich einst das Literarische Quartett zerstritt, erscheint jetzt in neuer Übersetzung. „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ wurde nun direkt aus dem Japanischen übertragen – und kommt sehr viel poetischer daher.

Hajime besitzt zwei erfolgreiche Jazz-Bars in Tokyo, er liebt seine Ehefrau Yukiko und die beiden Töchter. Eines Tages aber sitzt Shimamoto an der Theke seiner Bar: seine beste Freundin zu Jugendzeiten. Seine große, eigentliche Liebe – und nun . . .

Moment! Der Plot von Haruki Murakamis neuem, soeben erschienenen Roman kommt Ihnen vage bekannt vor? Richtig. Im Jahr 2000 erschien der Roman unter dem Titel „Gefährliche Geliebte“. Es sollte im Gedächtnis bleiben als „das Buch, an dem das Literarische Quartett zerbrach“. Denn was der einen (Sigrid Löffler) als „literarisches Fast-Food“, „kunstloses Gestammel“ und „Männerphantasie“ galt, war dem anderen (Marcel Reich-Ranicki) voller poetischer Momente: „Die Zartheit dieses Buches entgeht Ihnen, Frau Löffler!“, schnarrte da der große MRR. Und das war’s.

Haruki Murakami in neuer Übersetzung.
Haruki Murakami in neuer Übersetzung. © Verlag

Vielleicht aber war die Übersetzung schuld? Weil nicht das japanische Original, sondern die englische Version als Vorlage diente? Denn wie viel Feines, Zartes unterwegs verloren ging, macht nun die Direkt-Übertragung von Ursula Gräfe deutlich. Das betrifft zum einen durchaus die erotischen Stellen: Wo es hieß „Und dann kam ich. Gewaltig.“ steht nun etwa schlicht „ich . . . ejakulierte heftig“. Zum zweiten, und das ist viel entscheidender, mutet der Sound nun insgesamt unaufgeregter an – eine melancholische Melodie voller Verlust und Tod.

Die Liebe, die alles verzehrt

Schon der Original-Titel „Südlich der Grenze, westlich der Sonne“ verweist auf das Totenreich; die geheimnisvolle, geisterhafte Shimamoto verkörpert die alles verzehrende Liebe. Hajimis Zerrissenheit ist nun plötzlich nicht einfach nur die billige Angst eines Mannes, der eine geordnete Existenz zu verlieren hat. Hajimi fürchtet sich vor der eigenen Sehnsucht – zu Recht, weil ihre Erfüllung tödlich sein könnte.

Ein starkes kleines Buch, dessen Tiefen jetzt neu zu entdecken sind.

Haruki Murakami: Südlich der Grenze, westlich der Sonne. Dumont, 230 S., 16,99 €