Mit heiterer Leichtigkeit überrascht Milan Kunderas neuer Roman: Der 85-Jährige feiert in einem Pariser Reigen ein durchaus tiefgründiges „Fest der Bedeutungslosigkeit“.
Über 30 Jahre ist es her, dass sich Milan Kundera mit „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ in Leserherzen und Bestsellerlisten schrieb, indem er die Liebe als trotzige Antwort auf die geplatzten Träume des Prager Frühlings beschwor. Nun, im hohen Alter von 85 Jahren, sind Trotz und Schmerz der heiteren Weisheit gewichen.
Kundera feiert „Das Fest der Bedeutungslosigkeit“, das so leicht daherkommt wie jene Feder, die die Gäste einer Abendgesellschaft kollektiv in die Höhe staunen lässt. Und die nach allerlei Verwirbelungen punktgenau auf dem siegesgewiss ausgestreckten Zeigefinger von La Franck, der Partyschönheit, landet.
Was das bedeuten soll? Nichts, vermutlich
In kleinen, lose verbundenen Szenen begleitet Kundera die vier Freunde Charles, Alain, Caliban und Ramon durch Paris. Es wird geliebt, gelitten, getrunken, gelacht. Einer denkt sich eine schlimme Krankheit aus, um zu beeindrucken. Ein anderer wurde früh von seiner Mutter verlassen.
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Erzählfäden, die Kundera munter beginnt und munter fallen lässt. Ein dritter berichtet, wie Stalin einmal einen Witz machte, der sich ums Rebhuhnschießen drehte – aber keiner der Genossen lachte. Stalin war alles zuzutrauen, aber kein Humor!
Mühelos reist Kundera von hier aus in die imaginierte Historie und schickt am Ende Stalin in einem alten Parka und mit Jagdgewehr in den Jardin du Luxembourg, nicht mehr als eine Schießbudenfigur der Geschichte. Während die Freunde in ihren Gesprächen nicht nur Hegels „unendliche Wohlgemuthheit“, sondern vor allem die Bedeutungslosigkeit als Quell des Glücks entdecken: „Sie ist sogar dort gegenwärtig, wo niemand sie sehen will: in den Gräueln, in den blutigen Kämpfen, im schlimmsten Unglück.“ So „nutzlos“ wie Kinder, die lachen „ohne zu wissen warum“. Und doch das einzige, das zu lieben sich lohnt.
Den irdischen Freuden zugänglich
Das klingt himmelwärtsgewandt, bleibt aber erdgebunden – und den irdischen Freuden so zugänglich, wie wir es von Kundera gewohnt sind. So wundert sich Alain zu Beginn, was von einer Epoche zu halten sei, die nicht in Schenkeln, Hintern oder Busen weibliche Verführungskraft verorte – sondern in ihrem Nabel. Am Ende hat Alain eine Theorie parat, nach der dieses Jahrtausend eines der sexuellen Wiederholungstäter sein wird, denn: „Alle Nabel sind gleich“. So philosophisch wurde die Bauchfrei-Mode kaum je geehrt wie in diesem lebensklugen, lebenslaunigen Alterswerk.
Milan Kundera: Das Fest der Bedeutungslosigkeit. Hanser, 144 S., 16,90 €