Essen. . In der britischen Komödie “Pride“ unterstützt eine Gruppe von Schwulen und Lesben aus London streikende Bergarbeiter in Wales – heraus kommt ein Geschenk für das Kino fernab aller Klischees. Regisseur Matthew Warchus vereinigt die Story zu einem wunderbaren Gemisch der Charaktere.

Wenn es darum geht, soziale Problematik aufzugreifen, um daraus ein ebenso ehrliches wie komisches Kinostück mit Wohlfühl-Charakter zu zaubern, dann sind die Briten in dieser Kunst ungeschlagen. Man denke nur an Filme wie „Brassed Off“, „Billy Elliot“ oder „The Full Monty“, die vor dem Hintergrund von Bergarbeiterstreiks in den Achtzigern oder dem Niedergang der Stahlindustrie in den Siebzigern ihre individuellen Geschichten mit großer Warmherzigkeit zu erzählen wissen.

„Pride“ von Regisseur Matthew Warchus gehört nun ebenfalls zu dieser Kategorie von Filmen, die Rührseligkeit tunlichst meiden und sich ihren Weg zum Herzen des Zuschauers auf andere Weise bahnen.

Hilfe kommt aus einer unerwarteten Ecke

Auch „Pride“ spielt 1984 zur Zeit des einjährigen Bergarbeiterstreiks, mit dem man der asozialen Politik der verhassten Margaret „Fucking“ Thatcher Einhalt gebieten wollte. Doch während die Kumpel ächzen, weil sich die Streikkassen leeren und die Not immer größer wird, kommt plötzlich Hilfe aus einer eher unerwarteten Ecke.

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In London nämlich gründen die schwulen Aktivisten Mike (Joseph Gilgun) und Mark (Ben Schnetzer) die Initiative LGSM (Lesbians and Gays Support the Miners) und beginnen auf den Straßen mit dem Sammeln von Geld. Und das zu einer Zeit, die nicht gerade leicht ist für Homosexuelle: Nicht nur, dass sie im sozialen wie im religiösen Bereich mit einem Stigma versehen sind, nun verbreitet sich auch noch Aids und wird als Strafe Gottes an den „Perversen“ gedeutet.

Paradiesvögel in der Provinz

Trotzdem klingen die Kassen und will man das Geld persönlich übergeben. Die Zufallswahl fällt auf die walisische Ortschaft Onllwyn in Südwales, wohin sich nun eine kleine Schwulen-Gruppe samt quietschbuntem Bus auf den Weg macht. Für die Ortsansässigen besitzt diese erste Begegnung mit den Paradiesvögeln aus der Hauptstadt durchaus etwas Außerirdisches. Doch schon bald erweisen sich die Anwohner in diesem abgelegenen Dorf, mit wenigen Ausnahmen, als sehr viel aufgeschlossener und liberaler als das Volk in London.

Man wird schnell warm mit diesen Brüdern, die den bewegungsfaulen Walisern kräftig einheizen und ihnen mit Hilfe des begnadeten Tänzers Jonathan (Dominic West) verdeutlichen, welche Wirkung solche Bewegungen auf die Frauenwelt haben können. Die lesbische Steph (Faye Marsay) wiederum erobert sich die älteren Hausfrauen und Witwen der Gemeinde, um mit ihnen schließlich eine ganze Nacht in einer Schwulenbar zu versacken.

Ein Geschenk für das Kino

Der Drehbuch-Erstling von Stephen Beresford ist in der Tat ein Geschenk für das Kino. Mühelos jongliert der Autor hier mit gut einem Dutzend Personen, ohne dass man je den Eindruck hätte, hier würden mal eben am Wegesrand nur ein paar Klischeefiguren verbrannt. Da gibt es den Provinz-Teen Joe (George McKay), der in London seine sexuelle Ausrichtung endlich bei den Gay People findet und der dem Zuschauer als Identitätsfigur dienen soll.

In Cannes ausgezeichnet

Auf Festivals ist „Pride“ bereits groß gefeiert worden. So gewann er bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes die Auszeichnung „Queer Palm Award“.

Der Film basiert auf wahren Begebenheiten in England 1984.

„Pride“ ist der zweite große Kinofilm von Regisseur Matthew Warchus. Sein Spielfilmdebüt hatte der britische Theaterregisseur mit „Simpatico“ (1999) gegeben.

Da gibt es den schüchternen alten Cliff (Bill Nighy) samt seiner großherzigen Freundin Hefina (Imelda Staunton), der sein spätes Coming out erlebt. Und da gibt es auch noch Gethin (Andrew Scott), der einzige Waliser in der Gay Group, der nach vielen Jahren der Funkstille wieder eine erste Kontaktaufnahme mit den Eltern wagt.

Dies alles vereinigt Regisseur Warchus zu einem wunderbaren Gemisch der Charaktere, bestehend aus den Mitgliedern zweier Gruppen, die beide von der Regierung Thatcher mit Füßen getreten werden. Die Antwort ist ein ganzer Festsaal, in dem Heteros und Schwule gemeinsam den alten Protestsong „Bread and Roses“ intonieren. Die Antwort ist auch, dass man Beschimpfungen von Seiten der Thatcher-nahen Presse wie „Pervertssupportthepits“ (Perverse unterstützen Bergleute) kurzerhand zum eigenen Kampfruf macht. Und der Zuschauer? Der kann sich nach zwei Stunden Laufzeit eigentlich gar nicht von diesen Menschen trennen.

Wertung: fünf von fünf Sternen