Essen. . In dem Thriller “Who Am I - Kein System ist sicher“ von Regisseur Baran bo Odar (“Das letzte Schweigen“) spielen Tom Schilling und Elyas M’Barek zwei Hacker, die ins Visier des Bundeskriminalamts geraten. In weiteren Rollen sind auch Wotan Wilke Möhring und Antoine Monot Jr. zu sehen.

Das deutsche Kino wandelt sich. Die Zeiten, in denen außer gesellschaftlich relevanten Sozialdramen und belanglosen Beziehungskomödien höchstens noch Großproduktionen über Hitler und die RAF den Weg in die Kinosäle fanden, scheinen vorüber zu sein. Nun wagen sich auch heimische Produzenten und Regisseure wieder an Genres heran, die im amerikanischen genauso wie im britischen und französischen Kino immer selbstverständlich waren.

Einer der jüngeren Filmemacher, die diese Wende in den vergangenen Jahren eingeleitet haben, ist der in der Schweiz geborene Baran bo Odar. Mit seinem Langfilmdebüt, dem extrem düsteren Krimi "Das letzte Schweigen", hatte er vor vier Jahren für einiges Aufsehen gesorgt. Der atmosphärisch ungeheuer dichte und psychologisch erstaunlich nuancierte Psychothriller war seinerzeit ein großes Versprechen. Nun wagt er sich mit "Who Am I – Kein System ist sicher" in eine ganz andere Genrerichtung vor.

Auch interessant

Die Geschichte eines modernen Unsichtbaren

Benjamin (Tom Schilling) hat sich übernommen. Was zunächst als ein übermütiges Spiel mit den Möglichkeiten der virtuellen Welt begann, hat eine tödliche Wendung genommen. Nun geht es für den genialen Hacker ums nackte Überleben. Also hat er, der ganz oben auf den Fahndungslisten von BKA und Europol steht, sich selbst den Behörden gestellt. Er will alles enthüllen, aber nur der Cybercrime-Ermittlerin Hanne Lindberg (Trine Dyrholm).

In Rückblenden erzählen Baran bo Odar und seine Koautorin Jantje Friese die Geschichte eines modernen Unsichtbaren. In der realen Welt hat niemand je von dem Eigenbrötler Benjamin Notiz genommen. So hat er sich schon früh in die virtuellen Welten der Computer zurückgezogen. Aber auch dort hat er lange Zeit bewusst kaum Spuren hinterlassen, bis er einem anderen Hacker, dem extrovertierten Max (Elyas M’Barek), begegnet ist. Auf einen wie Benjamin hatten Max und seine Freunde, der Hardware-Spezialist Paul (Antoine Monot Jr.) und der Adrenalin-Junkie Stephan (Wotan Wilke Möhring), nur gewartet.

Die elektrisierende Stimmung schlägt um in ein Gefühl von Paranoia

Baran bo Odar und Jantje Friese treiben ein ziemlich wüstes Spiel mit den Legenden und Mythen der Hacker-Szene. Schon ihre vier Hauptfiguren, die gemeinsam das anarchische Kollektiv CLAY gründen und als erstes die Versammlung einer Neonazi-Partei empfindlich stören, entsprechen so ziemlich allen Klischees, die es über Computer-Nerds gibt. Aber in ihrem Zusammenspiel entwickeln diese vier höchst unterschiedlichen Schauspieler eine beeindruckende Dynamik, die alles Holzschnittartige in der Figurenzeichnung überwindet. Sie harmonieren so perfekt zusammen, dass selbst die abenteuerlichsten Drehbuchwendungen noch erstaunlich glaubhaft wirken.

Baran bo Odar setzt auf ein halsbrecherisches Tempo. Die Ereignisse überschlagen sich regelrecht. Wie seine Protagonisten, die nach ihren ersten gemeinsamen Erfolgen einfach nicht genug bekommen und sich in immer spektakulärere Aktionen stürzen, geht er immer noch einen Schritt weiter. Die zunächst noch elektrisierende Stimmung weicht schließlich einem zutiefst bedrückenden Gefühl von Paranoia. So nähert sich Baran bo Odars Film nach und nach den großen US-amerikanischen Politthrillern der 1970er Jahre an. Nur ist die Welt im Jahr 2014 noch viel unübersichtlicher, als sie es damals schon war.

Und genau diese Unübersichtlichkeit fängt "Who Am I“ zumindest für einige Augenblicke erstaunlich präzise ein. Allerdings übertreibt es Baran bo Odar am Ende doch. Nicht nur die Volten, die die Geschichte schlägt, werden zunehmend phantastischer, auch die Liebesgeschichte zwischen Benjamin und seiner früheren Klassenkameradin Marie (Hannah Herzsprung) erweist sich als Störfaktor, den der Regisseur nicht wirklich in den Griff bekommt. Wertung: drei von fünf Sternen