Essen. Der Brite Brian Percival hat den Jugendbuch-Bestseller „Die Bücherdiebin“ des Deutsch-Australiers Martin Zusak verfilmt. Der Film erzählt die Geschichte der neunjährigen Liesel Meminger (gespielt von der Kanadierin Sophie Nélisse), die Bücher während der Nazi-Zeit zum Überleben braucht.

Die Hakenkreuz-Fahnen der Nazis, sie wehen wieder auf der Kinoleinwand. Nur dass sie in Brian Percivals Verfilmung des Jugendbuch-Bestsellers „Die Bücherdiebin“ von dem Deutsch-Australier Martin Zusak zwar massenhaft auftauchen, aber viel weniger bedrohlich wirken als sonst. Vielleicht liegt es an dem eher märchenhaften Erzählstil des britischen Regisseurs, der bisher nur mit Fernseharbeiten („Downton Abbey“) auf sich aufmerksam gemacht hat.

In dieser Münchner Geschichte aus der „Himmelstraße“ (!) jedenfalls wirken Angst und Schrecken, wirken Brutalität und Kaltschnäuzigkeit seitens der Braunhemden seltsam abgefedert. Und harmloser als hier hat man eine dieser berüchtigten Haus-zu-Haus-Durchsuchungen der Nazis sicher noch nie ablaufen sehen.

Sophie Nélisse mit Bravour und starker Leinwandpräsenz

Wenn man besser über diesen Film reden will, dann muss man hingegen bei den Darstellern anfangen. Die Kanadierin Sophie Nélisse zum Beispiel schultert den zentralen Part der jungen Liesel Meminger mit Bravour und starker Leinwandpräsenz. Sie kommt im Februar 1938 als Pflegekind in den Haushalt des Ehepaares Hubermann nach München. Ehemann Hans (Geoffrey Rush) ist dabei der stille Dulder, der das Mädchen liebevoll empfängt und ihr fortan ein sanftmütiger Ersatzvater ist.

Seine Frau Rosa (Emily Watson) hingegen scheint lange Zeit der Zank in Person zu sein, ständig schimpfend und schnell mit abfälligen Bemerkungen zur Hand. Es braucht lange, bis diese doch ein wenig stark konstruiert wirkenden Gegensätze aufgebrochen werden und auch Rosa zeigen darf, dass sie ein Herz besitzt, wo man bisher nur einen Stein vermuten konnte.

Bücherklau beim Bürgermeister

Liesel bleibt nicht lange isoliert. Der Nachbarsjunge Rudy (von erstaunlicher Natürlichkeit: Nico Liersch), selbst ein gemobbter Einzelgänger, entdeckt in dem Neuzugang eine verwandte Seele und macht sie mit dem Wohnviertel vertraut. Hans entdeckt sehr schnell die Analphabetin in seiner Ziehtochter und bringt ihr in großen Schritten das Lesen bei. Und plötzlich ist auch noch der Keller bei den Hubermanns bewohnt, denn als Folge einer alten Schuld hat Hans dort den jungen Juden Max (Ben Schnetzer) einquartiert, um ihn vor den Nazi-Häschern zu verstecken und ihn vor der Deportation zu bewahren.

Liesel, die inzwischen alles weggelesen hat, was sie im Haus an Gedrucktem auftreiben konnte, hat derweil eine neue Quelle für literarischen Nachschub entdeckt: Ilsa (Barbara Auer), die Ehefrau des Bürgermeisters, gewährt dem Mädchen Zutritt zur heimischen Bibliothek und erlaubt ihr, dort zu lesen. Aber bald schon lässt Liesel hin und wieder ein paar Bücher mitgehen, um auch den netten Gast im Keller mit Literatur zu versorgen.

Leider schwelgen die Violinen

Fast möchte man es einfach zu schön nennen, was sich da an Idylle in der Himmelgasse abspielt. Nun gut, es gibt die Bücherverbrennung vor Ort mit den leuchtenden Gesichtern drum herum, die aber mehr etwas von einem Osterfeuer hat. Dass man Max als Juden verfolgt, wird nie wirklich zum Anlass genommen, um auch den Holocaust in seiner ganzen Monstrosität zu thematisieren. Auch den Tod als Erzähler (in der Synchronfassung: Ben Becker) hat man inzwischen beinahe vergessen, der gleich zu Anfang Liesels kleinen Bruder „abgeholt“ hat.

Doch der Sensenmann vergisst nichts, der meldet sich irgendwann wieder – und das ist der Beginn einer großen Zäsur im Leben der kleinen Bücherdiebin. Leider schwelgen auch jetzt die Violinen, denn der Soundtrack-Komponist John Williams macht keine halben Sachen. Das wissen wir seit „Superman“, „Star Wars“ und dem „Weißen Hai“. Ihn, den klanglichen Ausstatter wuchtiger Erfolgsfilme, für diese sensible Geschichte zu engagieren, zeugt von wenig Fingerspitzengefühl.

Wertung: Drei von fünf Sternen