Essen. Filme nach Theatererfolgen müssen die Bühne sprengen, wenn sie auf der Großbildleinwand bestehen wollen. „Im August in Osage County“, die Verfilmung des gleichnamigen Bühnenstücks, bietet dafür Optionen - mit Meryl Streep und Julia Roberts in Topform.

In der Saison der großen amerikanischen Filmpreise führte in diesem Jahr kein Weg an diesem Film vorbei. „Im August in Osage County“ ist die mit enormem Staraufgebot veredelte Verfilmung des gleichnamigen, preisgekrönten Bühnenstücks von Tracy Letts.

Zeitraum und Handlungsort werden im Titel vorgegeben. Der August ist der heißeste Monat im Bezirk Osage in Oklahoma. Die Schwüle kann aufs Gemüt schlagen und vielleicht setzte Beverly Weston (ein kurzer Auftritt für Sam Shepard) deshalb seinem Leben ein Ende. Zur Beerdigung empfängt Witwe Violet ihre Schwester und die drei Töchter Barbra, Ivy und Karen, die allesamt mit Anhang kommen.

Violet ist nur noch ein Schatten früherer Tage. Der Krebs zerfrisst ihren Körper, durch Chemo-Cocktails hat sie ihre Haare fast ganz verloren. Aber mit Perücke, Zigaretten und Schmerzmitteln hält sie sich auf dem Damm und lässt keine Gelegenheit zur verbalen Brüskierung verstreichen. Denn Violet kennt die Geheimnisse der Familie und sie wird sie alle ans Licht zerren.

Die Gewitter entladen sich beim Dinner im Esszimmer

Filme nach Theatererfolgen können, dürfen, letztlich müssen sie die Bühne sprengen, wenn sie auf der Großbildleinwand bestehen wollen. „Im August in Osage County“ bietet dafür Optionen. Das Haus der Watsons steht irgendwo im Nirgendwo des US-Staates mit dem höchsten Aufkommen an Wirbelstürmen.

Das klingt nach „Giganten“ trifft „Twister“, tatsächlich aber sind die Tornados hier psychologischer Natur und das Öl der aufgestauten Neurosen und unverblümt ausgesprochenen Familienexzesse (es gibt sogar einen Fall unbewussten Inzests) sprudelt in Form von Worten. Einmal verdunkelt sich der Himmel, die Gewitter aber entladen sich beim Dinner im Esszimmer und beim After-Drink auf der Terrasse.

Nein, sehr originell ist dieses Theaterstück nicht. Dafür bietet Tracy Letts von allem Guten etwas, die zerbröselnde Familienseligkeit von Tennessee Williams („Die Katze auf dem heißen Blechdach“), die Giftigkeit von Edward Albee („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“) und ganz viel „Dallas“ – nur ohne Dollarmillionen.

Meryl Streep und die kraftvolle Julia Roberts stehen im Zentrum

Große Bilder sucht man in diesem Film vergebens. Regisseur John Wells ist ein versierter Fernsehmacher. Was ihm an visueller Vision fehlt, holt er über die Besetzung wieder rein mit drei Oscar-Preisträgern, diversen Nominierten und zwei von Britanniens Besten unter 50.

Aber Ewan McGregor und Benedict Cumberbatch sind als Milchbrötchen besetzt und tragen merkwürdige Frisuren. Zu tun haben sie fast nichts. Es gibt spannende Gesichter, darunter apart gereifte Ex-Skandalnudel Juliette Lewis, Dermot Mulroney und Chris Cooper; sie alle bekommen ihre Szene, mehr aber nicht. Denn im Zentrum stehen Julia Roberts und Meryl Streep.

Letztere zieht alle Register ihres Könnens, gibt sich hässlich und gehässig, eine Performance der Beeindruckung, unbedingt ein Anwärter auf den Bette-Davis-Gedächtnispreis. Julia Roberts dagegen ist richtig gut, weil sie sich der Rolle der aufmüpfigen ältesten Tochter unterordnet und eine innere Zerrissenheit vermittelt, die jeden Oscar verdient hätte. Und man versteht, dass gutes Kino auch durch simple Nahaufnahmen entstehen kann, wenn die Person vor der Kamera so kraftvoll aufspielt, wie das bei Julia Roberts der Fall ist.

Wertung: drei von fünf Sterne