Essen. . „A Touch of Sin“ – das ist chinesisches Episoden-Kino voller Kraft. Der Film basiert auf Nachrichtenmeldungen, die in verschiedenen Regionen angesiedelt sind. Chinas Kino macht da weiter, wo Brasilien vor zehn Jahren aufhörte – mit Filmunterhaltung voller Kraft und Substanz.

Das Kino der Volksrepublik China ist streng kontrolliert und systemkonform. Aber nun kommt Jia Zhangkes „A Touch of Sin“ und reißt sogar die chinesische Kopfmauer ein. Es beginnt als Asphaltwestern. Auf einer Landstraße halten drei Jugendliche einen Motorradfahrer an, um ihn auszuplündern. Das war ihr letzter Fehler im Leben, denn der Mann zieht eine Pistole und drückt ab. Dann fährt er weiter.

Der Traum vom Luxusjob zerplatzt

Gewerkschaftsvertreter Dahai kommt zurück in seine heimatliche Kohlestadt, um die nach der Privatisierung versprochenen Dividenden einzutreiben. Als die Bosse sich dem verweigern, greift er zum Gewehr. Der Mann auf dem Motorrad, Zhou San, kommt derweil zurück zu seiner Familie. Zwar ist er nur Wanderarbeiter, trotzdem hat er viel Geld dabei und beschafft noch mehr, denn Raubzüge auf reiche Stadtbewohner sind einträglich.

Auch interessant

Xiao Yu hatte gehofft, dass ihr Geliebter seine Ehe für sie aufgeben würde. Damit lag sie falsch. Sie nimmt die Stelle als Rezeptionistin eines Wellness-Salons an. Als Kunden zudringlich werden, sticht sie zu. Der junge Xao Hui ist auf der Flucht, weil er einen Arbeitsunfall verursachte und die Regressforderungen fürchtet. Er verliebt sich unglücklich, sein Traum vom Luxusjob platzt in tristen Wohnheimen. Deshalb springt Xao Hui aus dem Leben.

Die Schere zwischen Arm und Reich spannt sich auf

Aus vier Nachrichtenmeldungen destillierte Chinas Regierebell Jia Zhangke ein episodisches Kaleidoskop der modernen Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich sich immer mehr aufzuspannen beginnt. Die Geschichten, die in verschiedenen Regionen angesiedelt sind, haben für sich nichts miteinander zu tun, aber jede prangert gesellschaftliche Missstände an. Die Figuren sind kraftvoll gezeichnet, die Dramaturgie spannend verdichtet und stets entlädt sich das Geschehen in einem Akt drastischer Gewalt.

Das Klima ist mal knochentrocken wie im Italo-Western, melodramatisch wie eine Peking-Oper oder unverhohlen kämpferisch, und alles in fesselnden Bildern eingefangen. Chinas Kino macht also da weiter, wo Brasilien vor zehn Jahren aufhörte – mit Filmunterhaltung voller Kraft und Substanz.

Wertung: 4 von 5 Sternen