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Der Amerikaner Jim Jarmusch ist einer der Regiehelden des Kunstkinos im späten 20. Jahrhundert. Nach frühen Roadmovies wie „Stranger Than Paradise“ oder „Down By Law“ hat er seinen lakonischen Inszenierungsstil in diversen Genres vom Western bis zum Episodenfilm erprobt. Sein jüngster Vorstoß in diese Richtung ist ein Vampirfilm, der mit NRW-Geld gefördert wurde, aber unter dem englischen Originaltitel „Only Lovers Left Alive“ (Nur Liebende bleiben lebendig) nun am ersten Weihnachtstag ins Kino kommt.

Die Liebenden des Filmtitels heißen Adam und Eve, sie sind von bleicher Hautfarbe und undefinierbaren Alters, und sie sind Vampire. Adam lebt allein in einem Haus am Rande von Detroit, wo er allerlei Gitarren und depressive Instrumentalmusik sammelt. Sein verlässlicher Zulieferer ist Ian (Anton Yelchin), ein geschwätziger junger Mann, der nicht ahnt, wem er da zuarbeitet. Einmal bringt er eine Gitarre vorbei, auf der schon der Rock’n’Roller Eddie Cochran spielte. Adam bestätigt das – er habe es selbst gesehen. Ian wundert sich daraufhin zu Recht; immerhin ist Cochran schon über ein halbes Jahrhundert tot. Beinahe hätte Adam sich verraten – aber er korrigiert sich geistesgegenwärtig: „Das muss ein Clip auf YouTube gewesen sein.“

Spiel mit Shakespeare

Eve residiert in Tanger, sammelt alte Bücher und führt angeregte Konversation mit Marlowe (John Hurt). Er ist Feinschmecker und der wahre Verfasser von „Hamlet“, „King Lear“ und anderen Stücken, für die seit Jahrhunderten jemand anderes gerühmt wird. Auf Adams Wunsch reist Eve mit dem Nachtflieger nach London, doch das gemeinsame Glück wird gestört durch die Ankunft von Eves Schwester Ava (Mia Wasikowska), für die Vergnügungssucht und Blutdurst ein und dasselbe sind und die genau jenes Spektakel erzeugt, das eigentlich unbedingt vermieden werden soll.

Stilbewusste Formgebung war Jim Jarmusch schon immer wichtiger als ein straff gespannter Erzählbogen. Seine Figuren definieren sich durch gepflegte Attitüde, der Tiefgang im Charakter kann da schon mal zu kurz kommen. Aber die Bilder sehen immer klasse aus. Das war schon bei den frühen Erfolgen so und es kam an, weil es frisch und neu war. Ein Vierteljahrhundert später ist der Aufbruch von einst in Manierismus erstarrt.

Jim Jarmusch kann sich das leisten, weil man ihm immer noch für den Ruhm des Frühwerks Kredit zugesteht. Dabei war schon 2009 „The Limits of Control“ als Thriller ohne Spannung nicht mehr als eine schöne, aber taube Nuss. Nun gibt es Vampire, aber kein Blut. Die naturblasse Tilda Swinton und der enorm wandlungsfähige Tom Hiddleston (bekannt als Loki aus den Thor-Spektakeln) holen sich den Lebenssaft nicht mehr aus den Hälsen argloser Opfer, weil die Menschheit zu sehr von Fastfood, Alkohol und Drogen verseucht ist. Das Blut wird in Form von Konserven auf dem Schwarzmarkt und im Krankenhaus bei einem Dr. Watson (Jeffrey Wright) beschafft.

Jarmuschs Interesse gilt also weniger dem Vampirthrill, er nutzt das Genre lediglich für ein Spiel mit biblischen Verweisen und Referenzen auf die Popkultur von Shakespeare bis Paul Bowles, atmosphärisch bebildert in erlesenen Halbdunkel-Aufnahmen und akustisch ­ausgekleidet mit Jozef van Wissems melancholischem Neo-Blues-Soundtrack. Die Stars agieren wie in Zeitlupe und schwelgen in süffisanter Ironie. Jede Einstellung liefert Bilder für einen superben Foto-Band. Aber die formale Könnerschaft verweist nur auf sich selbst. Jarmusch inszeniert, was ihn interessiert. Aber er beginnt damit zu langweilen.