Dortmund. . Der weltbekannte Dirigent Esa-Pekka Salonen schreckt neuerdings nicht davor zurück, auch „Star Wars“-Musik von John Williams zu dirigieren. Im Gespräch macht er seine Hochachtung vor der Filmmusik deutlich und preist Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold oder Bernard Herrmann.

Er steht am Dirigentenpult der besten Orchester der Welt. Dass Esa-Pekka Salonen als Anwalt der Filmmusik agiert, wird manchen überraschen, der ihn allein mit Meisterwerken der Klassik kennt. Im Gespräch mit Lars von der Gönna verriet Salonen, der drei Jahre Residenzkünstler im Dortmunder Konzerthaus war, was ihm an den Klängen liegt, zu denen Bilder laufen lernen.

Maestro, Sie dirigieren „Star Wars“-Musik! Keine Angst, das Publikum zu verprellen, das Sie doch verehrt als Deuter von Strawinsky, Wagner oder Alban Berg?

Esa-Pekka Salonen: Ich finde es schön, genau diesen Punkt zu berühren. Wer mich in NRW in den letzten Jahren gehört hat, hat all das erlebt, was Sie ansprechen: sehr ernste, „seriöse“ Musik. Ich wollte die Tore zu etwas anderem aufstoßen, etwas ganz anderes machen.

Stardirigent  Esa-Pekka Salonen (Foto: Franz Luthe).
Stardirigent Esa-Pekka Salonen (Foto: Franz Luthe).

Sie nehmen die Filmmusik ernst?

Salonen: Absolut, das tue ich. Man muss ja auch mal sehen, wer das früher professionell gemacht hat: Korngold hat Filmmusik geschrieben, Schostakowitsch. Aber auch ein Bernard Herrmann, auch ein John Williams sind für mich erstrangige Komponisten. So ein John Williams hat diese enorme Gabe, einem ein musikalisches Thema ins Ohr zu geben, das man sein Leben lang nicht vergisst.

Herrmann hat für Hitchcocks Thriller Musik geschrieben. Auf das Konto von Williams geht die Musik zu „Star Wars“, aber auch „Indiana Jones“. Gemeinhin fällt das ins Genre Unterhaltung...

Salonen: Ich weigere mich, solcher Musik grundsätzlich Qualität abzusprechen, nur weil sie bewegte Bilder begleitet. Aber ich denke, dieser Punkt hat ziemlich oft dazu geführt, dass sie nicht ernst genommen wurde. Und etwas anderes kommt hinzu.

Der ganze Schrei: Janet Leigh in Alfred Hitchcocks „Psycho“.
Der ganze Schrei: Janet Leigh in Alfred Hitchcocks „Psycho“. © Getty

Was die Filmmusik bis heute tut, war für die jungen Komponisten spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg verpönt: Sie ist eingängig, sie hat klare Motive, sie ist sehr direkt in ihrer Emotionalität. Darüber hat man gelächelt, aber ich persönlich finde es schön, dass die Tradition, Melodien zu schreiben, nicht abreißt. Es wäre doch tragisch, wenn Komponisten diese Fähigkeit verlieren würden.

Hat Filmmusik aber nicht grundsätzlich eine andere Aufgabe?

Salonen: Ja, natürlich unterscheidet sie sich in ihrer Zielsetzung erst einmal von dem, was wir sonst Konzertmusik nennen. Sie versucht, dem Erzählerischen des Films etwas Gleichwertiges hinzuzufügen. Diese Aufgabe verlangt sicher eine andere Art der Komposition. Aber über eines sollten wir uns klar sein: Wenn die Musik Qualität hat, wird sie in uns auch dann mächtige Bilder hervorrufen, wenn die Leinwand dunkel ist und wir sie einfach nur hören.

Sehen wir nicht schon bei Brahms und Wagner Bilder, wenn wir sie mit geschlossenen Augen hören?

Salonen: Ich weiß, was Sie meinen. Wissen Sie, es gibt meines Erachtens eine viel zu strenge, zu formale Trennung, wenn immer wieder der Begriff der „absoluten Musik“ angeführt wird als Gegensatz zur Programmmusik, die meist ein klar benanntes Thema hat.

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Eine Beethoven-Sinfonie, die keine bekannte Geschichte erzählt, hat dennoch eine fast gestische Erzähldimension. Ich glaube sogar, dass es zu den Gründen für Beethovens weltumspannende Wirkung gehört, dass seine Musik Bilder in den Köpfen der Menschen weckt. Ich glaube, dass der Mensch physisch gar nicht in der Lage ist, Musik ohne Bilder im Kopf, ohne Farben, Formen oder was auch immer zu hören.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Kino?

Salonen: Ich liebe den Film, ich liebe ihn sehr. Ich mag besonders die spezielle Technik, die ein Theater so nicht hat: Montage, Schnitt, Gegenschnitt und so weiter. Als Komponist fühle ich mich dem Genre sehr verbunden. Die Herausforderung an einen Regisseur und an einen Komponisten ist sehr ähnlich. Es geht immer um den Umgang mit der Zeit, immer darum, die beste Erzählweise zu finden für den Fluss der Ereignisse: Dramaturgie. Gute Filmmusik löst das ein. Bernard Herrmann war ein Meister in diesen Dingen.

Herrmann schuf die legendäre Musik zur Dusche in „Psycho“.

Salonen: Tja, und was wäre die berühmteste aller Szenen ohne ihn und seine Komposition? Eine Frau duscht und stirbt. Es wäre nicht einmal ein Zehntel dessen, was es durch Filmmusik geworden ist.