London. Nur ein Mal begegnete Schauspieler Anthony Hopkins seinem britischen Landsmann Alfred Hitchcock – kurz, beim Verlassen eines Restaurants in Los Angeles. Jetzt spielt er den Kultregisseur im gleichnamigen Film. Im Interview spricht er über die Rolle, über Narzissmus, Stolz und das Älterwerden.
Ein einziges Mal begegnete Sir Anthony Hopkins seinem britischen Landsmann Alfred Hitchcock – nur ganz kurz, beim Verlassen eines Restaurants in Los Angeles. „Natürlich hätte ich sehr gerne einen Film mit ihm gemacht“, bekennt der Oscar-Preisträger („Das Schweigen der Lämmer“) und fährt fort: „Ihn zu spielen war eine große Ehre für mich. Aber für die Rolle habe ich Blut und Wasser geschwitzt.“ Wir sprachen mit dem 75-jährigen Schauspieler in London.
Was passiert mit Ihnen, wenn Sie sich in Alfred Hitchcock verwandeln?
Anthony Hopkins: Das Wesentliche ist der körperliche Effekt. Hitchcock war ein sehr korpulenter Mann. Natürlich habe ich mir nicht 30 oder 40 Kilo für die Rolle angefressen. Das war alles Make-Up, Prothesen und ein Fatsuit. Der alleine wog schon zehn Kilo, und ihn zu tragen hat mich wahnsinnig ermüdet. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn man wirklich so schwer ist. Man kann sich weder die Schuhe zubinden noch sich frei bewegen.
Sie sind vor kurzem 75 geworden. Wie halten Sie sich denn gesund und fit?
Hopkins: Ich achte auf eine vitaminreiche und ausgewogene Ernährung. Ich trinke – als ehemaliger Alkoholiker – schon seit über 30 Jahren keinen Tropfen Alkohol. Und ich halte mich mit Joggen, Fahrradfahren, Pilates und Gewichtheben in Form.
Zählt Hitchcock eigentlich zu Ihren Lieblingsregisseuren?
Hopkins: Auf jeden Fall, aber ich bewundere Hitchcock nicht nur für seine Filme, sondern auch als Persönlichkeit. Ich glaube, er war ein sehr empfindsamer und sensibler Mann, der in diesem riesigen Körper gefangen war. Und er hat seine romantischen Sehnsüchte immer auf seine Schauspieler projiziert. Ganz besonders bei meinen beiden Lieblingsfilmen von ihm: „Das Fenster zum Hof“ und „Vertigo“. Da gibt es wunderbar starke Frauen-Figuren. Und dann die Männer: Ich bin mir sicher, er hätte sehr gerne so ausgesehen wie Cary Grant oder Jimmy Stewart. Das tat er nicht. Er sah aus wie Humpty-Dumpty. Er aß zu viel, trank zu viel, war narzisstisch, obsessiv, stolz – und zugleich ein großer Romantiker. Das darzustellen hat mich sehr fasziniert.
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Wie narzisstisch und stolz sind Sie?
Hopkins (lächelt): Mein Narzissmus hält sich, glaube ich, in Grenzen. Aber wie wohl alle Männer bin ich sehr stolz. Männer reden nicht viel über ihre Gefühle. Sie ertragen die Dinge des Lebens eher stoisch. Ich bin jedenfalls meist hermetisch verschlossen. Psychisch wie emotional. Das ist ein Unvermögen. Männer denken viel zu sehr in engen Grenzen: Leistung. Erfolg. Anerkennung. Den Rivalen ausstechen… Frauen sind da ganz anders. Sie öffnen sich, sprechen über das, was sie bewegt. Das sehe ich an meiner Frau, und das bewundere ich an ihr.
Sie sind seit zehn Jahren in dritter Ehe mit der 29 Jahre jüngeren Stella Arroyave verheiratet…
Hopkins: …Stella ist eine ganz wunderbare Frau. Seit ich mit ihr zusammen bin, fühle ich mich wie neugeboren.
"Früher hatte ich starke Depressionen und litt sehr unter Angstzuständen"
Wie oft im Leben haben Sie sich neu erfunden?
Hopkins: Gute Frage. Eine ganz wesentliche Veränderung in meinem Leben war, dass ich Ende der 90er Jahre England ein für alle Mal den Rücken gekehrt habe und nach Los Angeles gezogen bin. Endlich fühlte ich mich frei und ungebunden. Und das schöne Wetter gab es noch als Zugabe.
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Viele Europäer fühlen sich in Los Angeles nicht besonders wohl.
Hopkins: Auf mich hat das kalifornische Lebensgefühl – das von vielen ja als oberflächlich abgetan wird – schon immer einen großen Reiz ausgeübt. In einem Cabriolet bei Sonnenschein die Pacific Coast Highway entlangzufahren und mir den Wind um die Nase wehen zu lassen – was gibt es Schöneres?
Sie scheinen Ihr Leben in vollen Zügen zu genießen.
Hopkins: Ja, aber das war allerdings nicht immer so. Früher hatte ich starke Depressionen und litt sehr unter Angstzuständen. Früher habe ich mich eigentlich immer als Außenseiter, sogar als Verlierer gefühlt.
Warum eigentlich? Sie sind doch als Schauspieler seit Jahrzehnten sehr erfolgreich.
Hopkins: Das hatte weniger mit der Schauspielerei und mehr mit meinem Weltbild zu tun. Ich fühlte mich nie richtig dazugehörig. Ein Beispiel: Fast jeder, der in den 60er-Jahren in London einem kreativen Beruf nachging, dachte, er wäre im Paradies. Ich nicht. Ich habe die „Swinging Sixties“ gehasst.
Alfred Hitchcock
Kaum zu glauben.
Hopkins: Ich hatte eine sehr negative Sicht auf die Dinge. Aber auch davon hat mich meine Frau – mit viel Liebe und Geduld – kuriert. Ich bin mit der Zeit auch viel relaxter geworden. Früher war ich sehr ambitioniert. Vor allem meine Schauspielerkarriere nahm ich verbissen ernst. Da wollte ich immer die besten Rollen – und habe sogar die Rollen an mich gerissen, die schlecht waren, nur damit sie kein anderer bekam. Das war der totale Macho-Ego-Trip. Doch seit einiger Zeit stehe ich nur noch zu meinem Vergnügen vor der Kamera.
Man trifft selten jemanden, der am Älterwerden Gefallen findet.
Hopkins: Das wir älter werden und irgendwann sterben, liegt nun mal in der Natur des Menschen. Es wäre reine Zeitverschwendung sich darüber aufzuregen. Wichtig ist doch, was man aus dem Tag macht.
Wie sieht denn ein perfekter Tag in Ihrem Leben aus?
Hopkins: Den gibt es nicht. Aber wenn ich male oder Klavier spiele und vielleicht sogar etwas komponiere, dann fühle ich mich ganz bei mir im Hier und Jetzt.