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„Das Blaue vom Himmel“ lässt Hannelore Elsner zur Demenzkranken werden. Hans Steinbichler erzählt ein Familiendrama mit historischem Hintergrund.

Die Krankheit des Vergessens ist das große Leiden unseres noch jungen Jahrhunderts. Demenz wird zum Gesellschafts-Thema, in Büchern, auf Bühnen und auch für den Film-Regisseur Hans Steinbichler, seit „Hierankl“ ausgewiesener Experte für einfühlsame Familiengeschichten. In „Das Blaue vom Himmel“ erzählt er diesmal vor politischer und persönlicher Schicksalskulisse ein Mutter-Tochter-Drama, das vor lauter guten Absichten doch seltsam sperrig daherkommt.

Die Geschichte beginnt 1991 in Berlin. Die Journalistin Sofia (Juliane Köhler) arbeitet gerade an einer Fernsehdokumentation über die lettische Unabhängigkeitsbewegung, als sie die eigenen Geschichte einholt. Marga, die immer ferne Mutter, leidet an schwerer Demenz. Die Frauen müssen bis nach Riga reisen, um das Rätsel ihrer lebenslangen Entfremdung zu lösen.

Rauschende Wälder

Wenn man nach Chris Kraus’ Balten-Drama „Poll“ nun die Bilder von Kamerafrau Bella Halben sieht, scheint es, als hätte der deutsche Film im Baltikum einen neuen Lieblingsort gefunden. Einen Ort für schwelgerische Kamerafahrten durch rauschende Laub-Wälder und Zooms auf Menschen mit ihren sehnsuchtssatten Träumen vom Großbürgerleben.

Familien wie die von Marga, die in den Tagen vor dem Zweiten Weltkrieg noch nichts von den Verwerfungen spüren wollen, die lieben, lachen und Hochzeit feiern. Wie Juris und Marga (Karoline Herfurth spielt die junge Frau mit heißblütig-herbem Blick), ein Paar im siebten Himmel. Doch schon als der Heißluftballon abhebt, der hier die Hochzeitskutsche ersetzt, kann Marga sehen, dass die Landung im Ehe-Alltag unsanft sein wird.

Es folgen Lügen, Sex und Fotografie-Beweise. Martha wird um Juris kämpfen, mit allen Mitteln. Und am Ende mit liebesbrennendem Herzen und einem düsteren Geheimnis in den Westen fliehen, vor den Russen und vor der eigenen Schuld. Um sich schließlich der Gnade des Vergessens hinzugeben wie der Umarmung eines Geliebten.

Steinbichler erzählt das in großen Zeitsprüngen. Berührt eine Vergangenheit, die für Marga und Sofia fast schon im Verschwinden begriffen ist. Und stellt die Zukunftsfrage, wie man eine Mutter umsorgt, die selbst nie Nähe zugelassen hat. Steinbichler hat dafür großartige Schauspieler von Matthias Brandt bis zu Jungstar David Kross zur Seite. dazu trumpft die süßlich-sentimentale Musik von Niki Reiser immer wieder als großer Gefühlsverstärker auf, wo ein stilles Bild, ein Blick oft mehr bewirkt hätte.

Doch die Konflikte erreichen selten die Dringlichkeit und Intensität, die sie haben könnten. Selbst der Versuch, der Krankheit Demenz einerseits etwas Mythisch-Dunkles und gleichzeitig eine tröstende Leichtigkeit zu verleihen, führt zu einer seltsam gekünstelten Krankheitszeichnung, weil das forcierte Spiel von Hannelore Elsner und das ihr auferlegte Plattitüden-Kauderwelsch nicht harmonieren wollen. „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“, wird sie am Ende sagen. Bei ihr klingt das wie Shakespeare.