Essen.
Horst Seehofer, Bernd Eichinger und Hannelore Elsner haben ein neues Accessoire: Bushido. Was treibt Prominente dazu, sich mit dem Proll-Rapper abzugeben? Die Antwort liegt irgendwo zwischen Mainstream-Pornografie und dem Ende der Ära Gerhard Schröder.
„Ich sag dir, bring ihn um, die Frau gleich mit. Du weißt ab heute sowieso, dass diese Schlampe auf dich scheißt!“
Bushido, „Dreckstück“
Konnten Bushido und Sido früher mit ihren platt-obzönen bis menschenverachtenden Texten lediglich die pubertäre Bravo-Zielgruppe und eine zweifelhafte Subkultur aus Möchtegern-Vorstadt-Gangstern beeindrucken, suchen nun Politiker, Schauspieler und sogar Schlagerstars die Nähe der Pöbel-Rapper. Bernd Eichinger und Uli Edel verfilmen Bushidos Biografie; Hannelore Elsner, Moritz Bleibtreu und Katja Flint spielen an seiner Seite. Sido singt in Mozarts Zauberflöte. Horst Seehofer kann sich einen Wahlkampfsong für die CSU mit Bushido vorstellen; Volksmusiker Stefan Mross hofft gar auf ein Duett. Und die Reportage „Sido geht wählen“ wurde kürzlich für den Grimme-Preis nominiert.
Aber warum flirten Prominente mit den Pöbel-Rappern aus Berlins Unterschicht? Der Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz erklärt, wieso Bushido und Sido ein beliebtes Accessoire sind.
Warum distanzieren sich Politiker nicht von Künstlern, die mit Liedern wie „Pussy“ oder „Fick Rap“ bekannt geworden sind, sondern suchen sogar ganz bewusst ihre Nähe?
Norbert Bolz:
Künstler wie Sido und Bushido stehen innerhalb der Popkultur für Authentizität. Man kann sich an der Unmoral der Texte und den subkulturellen Attitüden sicherlich stoßen. Aber gerade das gilt nun mal als echt. Man schreibt diesen Rappern ja mittlerweile auch eine Modellerziehung zu, als hätten sie sich aus dem Untergrund nach Oben empor gekämpft. Für unsere Zeit ist das natürlich eine Idealgeschichte – mit der Politiker gern in Verbindung gebracht werden wollen, weil sie sonst eher für Bürokratie stehen. Mit dem Abtreten von Fischer und Schröder fehlen Politiker, die Authentizität vermitteln können. Darum suchen Politiker heute die Nähe zur Subkultur.
Und warum spielen namhafte Schauspieler wie Hannelore Elsner oder Katja Flint in der Verfilmung von Bushidos Biografie mit?
Bolz: Die Anmutung des Authentischen ist so unwiderstehlich. Und auch die Schauspieler brauchen immer wieder einen Aufhänger, um ihre Halbwertszeit zu verlängern. Die Altprominenz will Anschluss finden an die echte Popkultur unserer Zeit – und sich so ein wenig aufpeppen. Wahrscheinlich hoffen sie auf ein weltoffenes, tolerantes und liberales Image. Und diese Rapper sind ja auch nicht wirklich Gangster.
Und gibt der öffentliche Flirt mit dem bösen Buben aus dem Ghetto
Prominenten nun wirklich einen Image-Gewinn?
Bolz: Bei mir nicht. Ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass das Verhalten der Politiker bei jungen Wählern ernst genommen und vor allem angenommen wird. Das ist wohl eher ein missglückter Marketing-Gag und ziemlich peinlich. Bei den Schauspielern kann man zumindest sagen, dass ein wenig Verruchtheit zum Celebrity-Dasein dazu gehört.
Die Biografie von Bushido war wochenlang in den Bestsellerlisten. Seine Filmbiografie rangiert auf Platz 2 der Kinocharts. Warum interessiert es uns, wie dieser Mensch lebt?
Bolz:
Künstler wie Bushido kommen scheinbar aus der Gegenkultur. Und die Subkultur ist eine Art Motor des neuen Mainstreams. Das war schon immer so. Nur die Dosis muss ständig verschärft werden. Mittlerweile muss man schon ins Verbrechermilieu vordringen, um den Kick zu gewährleisten. An die klassischen Subkulturen haben wir uns ja schon gewöhnt.
Wie genau sind Sido und Bushido eigentlich salonfähig geworden?
Bolz: Ich halte das für ein ganz normales Celebrity-Phänomen. Gewalt, Gewaltdarstellung - im besten Fall könnte man von Macho-Attitüde sprechen - sind mittlerweile marktfähig geworden. Das ist ähnlich wie das Thema Pornographie in die Hochkultur. Da sind ja auch schon die letzten Hemmungen gefallen. Der Gangster und das pornographische Milieu sind heute die letzten Tabureize, um ein Publikum, das alles gewöhnt ist, doch noch mal ein bisschen zu kitzeln.
Werfen Sie doch mal einen Blick in die Zukunft: Was erwartet uns noch von Sido und Bushido?
Bolz: Dass sie Unesco-Botschafter werden. Im Ernst: Sie werden wohl jetzt in die gesetzteren Schichten aufsteigen. Es ist peinlich und unauthentisch, wenn man sich als Berufsrevolutionär der Subkultur etablieren will. Ab einem gewissen Einkommen nimmt einem niemand mehr die Unterschichten-Attitüde ab.