Die Romanverfilmung „Alles, was wir geben mussten“ von Regisseur Mark Romanek berührt und erschüttert – und folgt Autor Kazuo Ishiguro auf angenehm leisen Sohlen.
Der britische Autor Kazuo Ishiguro versteht es meisterlich, in aller Stille den Boden der Realität zu verlassen. Sein Roman „Alles, was wir geben mussten“ hält seine Leser im Schwebezustand – zeitlich schwer einzuordnen, emotional verwirrend. In einem britischen Internat wachsen Kinder heran, die offenbar besonders sind, ihre Erzieher heißen „Wächter“. Die Schüler schließen Freundschaften, verlieben sich, verletzen sich, sie werden beglückt und enttäuscht und erwachsen. Sie wissen und wissen doch nicht: dass sie jung sterben werden. Dass sie Klone sind, gezüchtet allein zu dem Zweck, nach und nach ihre Organe zu spenden. Bis sie: „vollenden“.
Die Lektüre dieses großartigen Romans erschüttert; das nur schleichende Begreifen des Lesers ist der unfassbar fatalistischen Duldsamkeit der Protagonisten geschuldet. Kein Aufstand, nirgends.
Und die Verfilmung? Bei aller Skepsis: Regisseur Mark Romanek ist es gelungen, der Falle „Science Fiction“ zu entgehen. Zwar hat er die Handlung zeitlich und räumlich verortet in einer Parallelversion der 70er-Jahre, steigt er ein mit blutig-brutalen OP-Bildern und informiert über einen „medizinischen Durchbruch“ im Jahr 1952. Dann aber folgt er Ishiguro auf angenehm leisen Sohlen, getreu bis ins Detail und sensibel in der Wahl der Bilder. Sattgrüne britische Wiesen, wahre Feste der Natur setzt er der „Unnatürlichkeit“ der Klon-Wesen entgegen, die entgegen aller (un-)menschlichen Erwartung ein Herz und eine Seele haben.
Erzählerin Kathy (Carey Mulligan) ist befreundet mit Ruth (Keira Knightley) und verliebt in Tommy (Andrew Garfield). In diesem Dreieck entfaltet sich das ganze Drama: Da die Kinder ohne Eltern aufwachsen und, im Internat Hailsham, zunächst isoliert von der Außenwelt, sind die Bande ihrer Freundschaft das einzige, was sie haben. Ruth, die Schönere, gewinnt Tommy für sich, und über weite Strecken des Films bestimmt dieser Umstand Kathys Leid.
Die andere, größere Trauer dahinter blitzt nur zuweilen auf. Etwa, wenn die drei als junge Erwachsene ihre „Möglichen“ (also: die menschlichen Klon-Vorlagen) suchen. Wenn Ruth kurz vor ihrer „Vollendung“ die Perfidie ihrer Liebschaft mit Tommy gesteht: Sie habe gewusst, dass Kathy und Tommy füreinander bestimmt seien, aber fürchtete die eigene Einsamkeit.
Die Liebe in Zeiten der Klon-Verbrechen. Denn ein Verbrechen zeigt dieser Film ja, einen (Fort-)Schritt zu viel auf dem Weg des technisch Machbaren – ohne dabei, dank des wunderbar zurückgenommenen Spiels der drei Hauptdarsteller, je pathetisch zu werden.