Berlin. Andres Veiels erster Spielfilm „Wer, wenn nicht wir“ mit Lena Lauzemis und August Diehl schildert die Beziehung zwischen Bernward Vesper und Gudrun Ensslin. Dabei kann der Regisseur sich nicht zwischen RAF-Geschichte und Beziehungsdrama entscheiden.

Er war schon immer eine irgendwie zerrissene Persönlichkeit, dieser Bernward Vesper. Nachts hackt der junge Student 1961 in Tübingen wütende Sätze in die Schreibmaschine, die wie eine Faust wirken sollen, mit der man „der Gesellschaft in die Fresse haut“.

Tagsüber aber versucht der Sohn des Nazi-Schriftstellers Will Vesper, seinen Vater zu rehabilitieren und dessen Blut- und Bodenprosa im Selbstverlag neu aufzulegen. Und dann ist da auch noch seine komplizierte Beziehung zu der Pfarrerstochter Gudrun Ensslin.

Von der Vorgeschichte des deutschen Terrorismus will Andres Veiel in seinem Spielfilm-Erstling „Wer, wenn nicht wir“ erzählen, der auf der Berlinale als deutscher Wettbewerbsbeitrag präsentiert wur­de. Der Regisseur, bekannt ge­worden als Dokumentarfilmer („Black Box BRD“) und Bühnenautor („Der Kick“), kann sich jedoch nicht so recht für eine konsequente Erzählhaltung entscheiden.

Der Blickwinkel des Films geht endgültig verloren

Wenn es denn ein Film über die tragische Figur Vesper hätte werden sollen, dem August Diehl immerhin starke Präsenz verleiht, dann hätte Veiel nicht so sensationsverliebt das Um­schwenken von Gudrun Ensslin (Lena Lauzemis) zum Terrorismus verfolgen dürfen. Wenn schließlich noch Andreas Baader (Alexander Fehling) die Szene betritt, den Veiel zum homoerotisch angehauchten Glamour-Boy mit ge­tuschten Wimpern stylt, geht der Blickwinkel des Films endgültig verloren.

Im übrigen benutzt der Spielfilm-Neuling Veiel hier Stilmittel, die man so eigentlich ausgerottet wähnte: Dialoge, die oft wie aufgesagte Statements klingen („Unsere Liebe hat ihre eigenen Gesetze“) und Musiktitel, die immer haargenau zur Situation passen sollen – zum Schahbesuch gibt’s „Summer in the City“, zur missglückten Dreierbeziehung „In a Broken Dream“.

Nur August Diehl schafft es, seiner Figur eine Entwicklung angedeihen zu lassen

Zehn Jahre gilt es zeitlich ausgewogen zu bewältigen, was „Wer, wenn nicht wir“ fast zwanghaft zu einem Oberflächenfilm werden lässt. Nur August Diehl schafft es, seinem Vesper noch so etwas wie eine Entwicklung angedeihen zu lassen. Eine reife Leistung in einem derart plakativen Stationendrama.

Plakativ zu sein ist genau das, was der Österreicher Wolfgang Murnberger in seiner Nazi-Tragikomödie „Mein bester Feind“ vermeiden will, die außer Konkurrenz gezeigt wurde und trotz prominenter Besetzung noch keinen deutschen Verleih gefunden hat. Der Regisseur jongliert dabei auf schmalem Grat, denn er erzählt die sicher nicht unkomische Geschichte eines jüdischen Schlehmils vor dem Hintergrund des Holocaust.

Moritz Bleibtreu, letztes Jahr noch Joseph Goebbels in Oskar Roehlers „Jud Süß“- Film, passt nun als Sohn eines jüdischen Kunsthändlers prob­lemlos auch in eine KZ-Uniform. Er wird sie später nach einem Flugzeugabsturz gegen eine SS-Uniform austauschen, um mit Hilfe eines ausgeklügelten Bluffs sich und seine Mutter (Marthe Keller) in die Schweiz in Sicherheit zu bringen. Man sieht ihm gerne dabei zu, ganz ohne schlechtes Gewissen.