Berlin. . Ralph Fiennes greift ein in den Kampf um den goldenen Bären. Im Gepäck: Sein Regier-Debüt, die Verfilmung des Shakespeare-Dramas „Coriolanus“. Die Handlung spielt in Belgrad, die Darsteller sind schwer bewaffnet

Hin und wieder laufen über den Roten Teppich vor dem Berlinale-Palast auch ein paar echte Stars. Zuletzt wa­ren dort immerhin Ralph Fiennes, Gerard Butler und Vanessa Redgrave zu sehen. Präsentiert wurde „Coriolanus“, die erste Regiearbeit des Schauspielers Fiennes und gleich eine Shakespeare-Verfilmung.

Sie verfällt dem gleichen Irrglauben, dem man in England häufig unterliegt: Um Shake­speare zu aktualisieren brauche es lediglich ein modernes Ambiente. „Coriolanus“, wo es um den gleichnamigen Kriegshelden, Volksverächter und Vaterlandsverräter geht, hat Fiennes in Belgrad ge­dreht. Er fährt schwere Ge­schütze auf, rüstet die Truppen mit Schnellfeuerwaffen aus und blendet ständig „Brea­king News“ des Fernsehens ein. Sha­ke­speares unverändert bei­behaltene Sprache jedoch wirkt inmitten dieses Getöses und eines hemmungslosen Machismo wie ein Fremdkörper, sie sehnt sich hörbar nach der Einfachheit der Bühne, um ihre wahre Schönheit zu entfalten. Allein Vanessa Redgrave als Mutter der Titelfigur vermag es, ihr die Würde nicht zu nehmen.

Leicht und beschwingt außerhalb des Wettbewerbs

Und man kann schon fast drauf wetten: Wenn man bei dieser Berlinale mal im Kino sitzt und sich leicht und beschwingt fühlt, dann ist das bestimmt kein Film im Bären-Rennen, sondern irgendetwas „außer Konkurrenz“. So wie „Les femmes du 6ème étage“ von Philippe Le Guay aus Frankreich, der uns zeigt, dass auch unsere Nachbarn in den 1960-er Jahren ihre Migranten hatten. Frauen aus Spanien vor allem, die sich hier beim höheren Bürgertum als Hausmädchen auf Zeit verdingten. Der Börsenmakler Jean-Louis (Fabrice Luchini), gefangen in einer sterilen Geschäftswelt und einer noch sterileren Ehe, hat eine ganze Etage seines Mehrfamilienhauses an diese fleißigen Damen vermietet. Getrieben von einer Sehnsucht nach Freiheit, lernt er dort schließlich eine Welt voll Freundschaft und Zusammenhalt kennen, die ihn magisch an­zieht.

Wild gewordene Handkamera in Tschernobyl

Natürlich ist das ein kalkulierter, emotional anrührender Wohlfühlfilm, aber so etwas braucht man auch, wenn man gerade im Wettbewerb einen russisch-ukrainischen Film wie „V Subbotu“ (An einem Samstag) hinter sich gebracht hat. Wir befinden uns mal wieder mitten in der Katastrophe, in einem Dorf in unmittelbarer Nachbarschaft des Kernkraftwerks Tschernobyl, wo gerade, wir schreiben April 1986, ein Reaktorturm in die Luft geflogen ist. Doch Regisseur Alexander Mindadze schweift schnell ab von der Geschichte eines Paars, das dem unsichtbaren Tod mit dem nächsten Zug entkommen will. Stattdessen lernen wir sehr lange, dass Russen in Gefahrensituationen ein Beharrungsvermögen entwickeln, dass durch permanentes Saufen, Feiern, laute Musik und Schlägereien abwechslungsreich gestaltet wird. Wir sehen lebende Tote und hätten Mitleid, wenn eine wild gewordene Handkamera uns nicht schon selbst trunken gemacht hätte.